Die Auflauerer

Jemand klagte Gottholden, dass ihn ein Bösewicht, als er mit seinem Freunde eben im größten Vertrauen gesprochen, in einem verborgenen Winkel belauscht, ihre Gespräche unter die Leute gebracht, und so große Uneinigkeit angerichtet habe. Es sind böse Leute, die auflauernden Horcher, sagte Gotthold; was sie böses stiften können, davon haben wir an Doeg dem Schmeichler Sauls ein Beyspiel: er hatte mit seinem verräterischen Auflauern fünf und achtzig Priester, samt Weibern und Kindern ums Leben gebracht. Aber sagt mir doch, warum waret ihr so unbehutsam mit euern Worten? Wisset ihr nicht, dass es oft besser wäre, eine Perle von der Schnure, als ein Wort von der Zunge verlieren? So lang ihr ein bedenklich Wort bei euch behaltet, so lang ists euer; sagt ihrs heraus, so gehörts allen, die es hören, es mag euch denn lieb sein oder nicht. Da ists wohl kein Wunder, dass die Leute damit umgehen, wie sie wollen, und davon und dazutun, wie es ihnen beliebt. Wollt ihr euer Wort nicht verunglimpfen lassen, so behaltet es im Herzen. Ihr sagt: ihr habt im Vertrauen mit einem guten Freunde geredet, und euch des Lauerers nicht versehen, erinnert ihr euch aber nicht an das, was im Buch des Predigers steht: Denk dir nichts Arges wider den König, und in deiner geheimen Schlafkammer fluche dem Reichen nicht, denn auch die Vögel des Himmels werden dein Wort herumtragen, und, die Fittige haben, deine Aussprüche verkünden? Daran, mein Lieber, denkt künftig, und werdet behutsamer in euerm Reden. Vergesset aber eines andern Lauerers nicht, der allzeit aufhorcht, und alles hört, sieht, und weiß, was wir sogar in Geheim bei uns selbst, oder im Vertrauen mit andern reden, tun, oder denken; ich meine das wachsame Gewissen. Was ist das anders, als ein bestellter Buchhälter Gottes über unser ganzes Leben? Sagt mirs, scheutet ihr euch nicht, alles, was euch einfiel, frei herauszusagen, wenn ihr wüsstet, dass einer in der Gesellschaft wäre, der alles sammelte, und zu Papier brächte? Ich glaube, ihr würdet euch recht zurückhalten. Nun so scheut euch auch bei euerm Gewissen; dies verzeichnet alles, und hält euch einmal gewiss mehr vor, als euch lieb sein könnte. Mein Gott, lege ein Schloss an unsern Mund, und drücke ein festes Siegel auf meine Lefzen, damit ich nicht zum Fall komme in meiner Rede!