Die Ameisen

Von ohngefähr kam Gotthold zu einem Ameisenhaufen, und sah eine Weile der Arbeit dieser mühsamen Tierchen zu. Dabei fielen ihm die Worte Salomons bei: Geh hin zur Ameise, du Fauler, siehe ihre Wege an, und lerne Weisheit! — — Freilich wohl dacht' er sich, ist so ein Haufe eine schöne Lehrschule für faule Leute, die ihr Leben im Nichtstun und Müßiggehen hinbringen; diese Tierchen mahnen mich aber auch an gewisse Leute, die fürs Zeitliche eben so sorgfältig und unmüßig sind, wie die Ameisen. Diese mühlichen Tierchen ziehn oft einen Splitter oder sonst was, das größer ist, als sie selbst, überaus geschäftig fort: gerade so machens die irdischgesinnten Menschen, sie laden sich eine Last von Sorgen auf, die ihnen überaus schwer fallen muss, und oft weniger Nutzen hat, als so ein Reislein von Ameisen gezogen; sie machen sich viele vergebliche Unruhe, sammeln, und wissen nicht, wer es kriegen wird: und auf das Ewige ist man so wenig bedacht, auf die Zeit ohne Zeit wird, so wenige Zeit verwendet — zum Sammeln des geistlichen Vorrats ist man so schläfrig. Ach es wird wohl einst ein scharfer Winter über uns kommen, es werden uns wohl recht schwere Anfechtungen überfallen, und der Tod wird uns kalt und starr hinstrecken. Wohl uns, wenn wir uns einen Reichtum des Trostes aus den heiligen Schriften gesammelt, und ihn in unserem Herzen vermehrt haben; wohl uns, wenn wir uns so einen Vorrat hervornehmen können — zur Zeit, da alles andere uns mangelt.