Das unwillige Almosen

Gotthold hatte eben wichtige Geschäfte, als sein Töchterchen eilig mit einem schriftlichen Zeugnis von einer armen Witwe daherkam, darin ihr Elend, so wahr, als kläglich geschildert war; das gute Mädchen verlangte ein Almosen dafür. Gerade jetzt, sprach Gotthold ganz entrüstet und auffahrend, gerade jetzt kommst du mir dahergelaufen — — Er besann sich aber gleich wieder, und sagte bei sich selber: Ich elender Mensch, wie hoch halt ich nicht oft mein Christentum bei mir selber, und getrau mir’s kühn zu sagen: Herr Jesu! du weißt alle Dinge, du weißt’s, dass ich dich lieb habe! und jetzt, da mein Erlöser kommt, und ein geringes Almosen für diese arme Wittwe, zur Probe meiner Liebe, verlangt, da lass ich mich’s verdrüssen, dass er mich in meinen Geschäften irre machen lässt? — Nun schmeichle dir noch fernershin mit deinem Glauben, und deiner Gottseligkeit! — Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Wer mit unwilligem Herzen, und harten Worten Gutes tut, ist einer Kuh gleich, die Milch gibt, aber den Milcheimer mit dem Fuß wieder umwirft. Eine Guttat, die man den armen erweist, soll sein, wie das Öl, das kein Geräusch macht, wenn man es übergießt, sondern lieblich und lind fällt. — Mein Gott, du lässest mich zu dir kommen, so oft ich nur will, und mich meine Not zu dir hintreibt, und ich komme dir nie ungelegen: du hast wohl die ganze Welt zu regieren, und du wirst doch nicht überdrüssig, ich mag noch so oft zu dir hingelaufen kommen, und dich um Almosen — um deine erbarmende Gnade anstehen. Was ich mir doch einbilde, dass ich meine Geschäfte wichtiger achte, als meiner bedrängten Mitschwester seufzendes Flehen? Nun erkenn ich’s, dass Übereilung Sünde ist, und künftig will ich meinem Erlöser schon freundlicher begegnen, wenn er wieder einmal von mir so eine Probe der Liebe verlangt.