Nach dem Brand -3-



Emil schrak auf, wie von einer Nadel gestochen. Er warf einen zornigen Blick auf den Störer, doch der bemerkte ihn nicht. Er war völlig in den vor ihm liegenden Speisezettel vertieft. Dann war er wohl zu einem Resultat gekommen, schob ihn zur Seite und rief: „Eine Portion Roastbeef und Kartoffeln. Nachher will ich einmal einen Schnitt von dem Grizzlybären versuchen - aber ein bißchen rasch, wenn’s gefällig ist, ich habe nicht viel Zeit.“


Auch der Doktor war durch die rauhe Störung wieder zu sich selbst gekommen und betrachtete den eben eingetretenen Mann. Der hatte seine Zarape über die Stuhllehne geworfen, den Hut weiter nach hinten geschoben und dann beide Hände abwartend gegen den Tisch gestemmt.

„Das ist Siftly“, flüsterte Emil hinter ihm. Dann wandte er sich ab, um seiner Pflicht als Kellner nachzukommen.

„Der also?“ murmelte Rascher leise vor sich hin und vergaß dabei sogar die weiche Melodie. „Ja, da haben der Baron und Mrs. Hetson allerdings recht. Das Gesicht gefällt mir auch nicht. Der große Bart steht ihm zwar, aber diese kleinen, schwarzen Augen blicken tückisch unter den dunklen Augenbrauen. Entschlossen sieht er auch aus und wird sich seinen Weg in diesem wilden Land bahnen. Ob der aber der richtige Arzt für meinen Kranken ist, möchte ich bezweifeln.“

Siftly bemerkte den unter einer Lampe sitzenden Fremden nicht oder beachtete ihn nicht. Er nickte Emil zu, der eben mit dem Essen kam, ergriff Messer und Gabel und schien jetzt für nichts anderes mehr Sinn zu haben als für seine Mahlzeit. Die Violine war draußen verstummt, und Emil trat wieder zum Stuhl des Doktors.

„Na, wie gefällt er Ihnen?“ erkundigte er sich leise.

„Gar nicht“, erwiderte er rasch. „Sie haben vollkommen recht, der Mensch hat ein gefährliches Gesicht und kann wohl einem anderen nicht frei ins Auge sehen. Aber sagen Sie doch mal, wer ist dieser wunderbare Violinspieler, der sein Instrument so meisterhaft beherrscht, und welcher unglückliche Stern hat ihn in eine der schlimmsten Spielhöllen von San Francisco geführt?“

„Ja, ein unglücklicher Stern“, seufzte da Emil viel ernster, als er bislang war. „Das trifft besonders zu, weil die Violine durch ein Mädchen gespielt wird.“

„Ein Mädchen?“ rief der Doktor und drehte sich rasch zu ihm um.

„Eine Spanierin“, bestätigte Emil, „deren Vater der besten Klasse seines Landes anzugehören scheint, so edel sind sein Äußeres und sein Benehmen, wenn - wenn nicht das Spiel ihn zu dem gemacht hätte, was er jetzt ist - ein unglücklicher, verlorener Spieler, der sich und sein Kind rettungslos zum nahen Abgrund des Verderbens zieht.“

„Sie machen mich neugierig, sie zu sehen“, sagte der Doktor.

„Da kommen sie“, flüsterte Emil. Wäre Doktor Rascher im Moment nicht mit den Personen beschäftigt gewesen, so hätte ihm die Veränderung im Gesicht seines jungen Freundes nicht entgehen können. So aber sah er nur rasch zum Einschnitt im Segeltuch, der als Tür diente. Manuela, wie immer in Schwarz gekleidet, das bleiche, wunderschöne Gesicht halb verhüllt, betrat, schüchtern an ihren Vater gelehnt, den Raum.

„Hallo, Don Ronez!“ rief ihm da Siftly ungeniert zu. Er hatte sich ein paar spanische Worte gemerkt und gebrauchte sie zumeist falsch. „Sta bueno - aqui - aqui esta... Damn it, wie heißt das nun auf spanisch... he! Hier ist Platz, setzen Sie sich hierher mit der Señorita!“

Don Ronez schien die Einladung nicht gehört zu haben oder beachtete sie nicht. Er neigte nur leicht den Kopf zu dem Amerikaner, den Manuela überhaupt nicht ansah. Dann ließ er sich mit seiner Tochter an der anderen Seite des Tisches nieder. Siftly schien aber die Unterhaltung noch nicht aufgeben zu wollen. Mit dem wenigen Spanisch, das er radebrechte, versuchte er ein Gespräch mit dem jungen Mädchen anzuknüpfen und versuchte ihr Spiel zu loben. Manuela gab ihm aber keine Antwort und sah auch nicht von ihrem Teller auf. So wies sie hartnäckig jede Annäherung zurück, bis der Amerikaner ihr einen nicht gerade freundlichen Blick zuwarf, seine Unterlippe zwischen die Zähne kniff und mit dem Messer sein Brot zerstieß.

Emil war jetzt an den Tisch getreten, und die Wangen des jungen Mädchens röteten sich leicht. Gewaltsam bezwang sie jede aufsteigende Regung und wandte sich ihm zu. Mit leiser, aber weich und herzlich klingender Stimme sagte sie in ihrer Muttersprache:

„Señor, Sie haben uns in den letzten Tagen einige Male sehr geholfen und meinem Vater das Essen ohne Barzahlung überlassen.“

„Señorita!“ erwiderte der Kellner, dem das Blut ins Gesicht schoß. „Das ist... das ist eine Sache, die allein meinen Chef betrifft.“

Das Mädchen sah ihn groß und forschend an. Es war das erste Mal, daß sie die langen, dunklen Wimpern hob, seitdem sie den Raum betreten hatte. Dann sagte sie und schüttelte dabei leise den Kopf:

„Ich weiß, daß Monsieur Rigault keinem Menschen borgt. Wenn deshalb einer seiner Leute Essen ohne Bezahlung herausgibt, so ist es auf dessen Gefahr. Wir müssen Ihnen deshalb dankbar sein. Diese kleine Summe wird das gerade decken. Bitte, nehmen Sie!“

„Señorita!“ bat Emil verwirrt, ohne die Hand nach dem Geld auszustrecken. Das junge Mädchen sah ihn aber so ernst und erstaunt an, daß er sich nicht länger weigern konnte. Er nahm das Geld und sagte zögernd:

„Ich hoffe nicht, daß diese wenigen Dollars Sie bedrückt haben, Señorita. Sie müssen mir glauben, daß ich Ihnen gern für kurze Zeit geholfen habe.“

Das Mädchen erwiderte nichts, verneigte sich nur leicht zu ihm und nahm ihren Sitz wieder ein. Inzwischen hatte ein anderer Kellner die von Emil bestellten Speisen für Señor Ronez und seine Tochter gebracht. Schweigend verzehrten die beiden ihr Mahl. Doktor Rascher behielt dabei Zeit, um die Züge des jungen Mädchens zu beobachten. Er mußte sich gestehen, in seinem ganzen Leben kein schöneres, edleres Gesicht gesehen zu haben. Dabei konnte die junge Frau höchstens siebzehn Jahre alt sein. Wie furchtbar mußte sie da ihre Lage empfinden, hier, unter den Spielern, als Lockvogel die Opfer an die Spieltische zu rufen. Aber vielleicht fühlte sie das nicht in seiner ganzen Schärfe, überredete sich der gute, alte Mann. Dann ertrug sie ihr Los viel leichter. Er konnte ja nichts von den heißen Tränen wissen, die die Unglückliche jede Nacht vergoß.

Fast unwillkürlich schweifte sein Blick zu dem ihr gegenübersitzenden Amerikaner. Es war nicht möglich, eine größere Verschiedenheit in zwei menschliche Gesichter zu legen, als es diese beiden hatten. Der Gedanke an Margarete und Mephisto aus dem Faust drängte sich ihm auf. Auf der einen Seite die verkörperte Unschuld, auf der anderen die wilde, ungezähmte Leidenschaft. Fühlte Siftly etwas Ähnliches, weil er so stier auf das Mädchen sah? Nein, in seinem Gesicht lag keine Reue über begangene Missetaten, über ein verworfenes Leben. Wenn der Ausdruck etwas verriet, dann war es wilde Lust und Verlangen nach dem Mädchen. Das Anstarren des schönen, kalten Frauenbildes schien aber dann doch zu langweilen. Er bog sich plötzlich noch einmal über den Tisch und sagte:

„Manuelita!“

Trotzdem erwiderte das Mädchen keine Silbe, aß schweigend weiter und sah still vor sich nieder. Don Alonso, wie ihr Vater meistens genannt wurde, war aufgestanden und an die Kasse gegangen, um ihr Essen zu bezahlen. Mit einem leise gemurmelten Fluch stand da der Yankee auf, und Doktor Rascher folgte ihm ängstlich mit den Augen. Siftly ging nämlich um den Tisch herum direkt auf das jetzt allein sitzende Mädchen zu. Ihr war die Bewegung auch nicht entgangen, und scheu blinzelte sie unter den langen Augenwimpern zu der sich nähernden Gestalt, ohne sich jedoch zu rühren. Jetzt war der Amerikaner dicht hinter ihr, bog sich herunter, legte seine Hand um ihre Taille, lachte und sagte in englischer Sprache, von der er wußte, daß sie wenigstens etwas verstand:

„Komm, mein sprödes Täubchen, das hilft dir alles nichts! Wir gehören einmal zusammen zum Handwerk... du spielst oben und ich unten, und...“

„Señor!“ rief das Mädchen aufspringend und riß die Hand weg. Sie warf ihm einen Blick tödlichen Hasses zu. Dadurch war der zudringliche Bursche aber nicht abgeschreckt, vielleicht schämte er sich auch vor den gerade eintretenden Bekannten. Rasch ergriff er sie wieder mit seiner eisernen Hand und zog sie trotz ihres Sträubens an sich. Lachend rief er aus:

„So will ich doch sehen, ob ich von dieser kalten, schwarzen Nachtigall nicht wenigstens einen Kuß...“

Er kam durch eine ebenso eigentümliche wie gewaltsame Unterbrechung nicht weiter. Der Kellner Emil hatte gerade in diesem Augenblick einige leere Teller vom Tisch genommen, als Siftly das Mädchen umschlang. Blitzschnell drehte er sich zu ihm um und schlug ihm mit aller Kraft die nicht gerade leichten Teller auf den Kopf. Sie sprangen in tausend Stücke, und der Getroffene ließ seine Beute los und taumelte zurück. Hätte der Filzhut den Schlag nicht etwas gemildert, wer weiß, ob er ihm nicht gefährlich geworden wäre.

„Bestie!“ zischte der Getroffene zwischen den zusammengebissenen Zähnen hindurch und riß den verborgenen Revolver heraus. Gleichzeitig floh alles, was hinter oder dicht neben dem jungen Deutschen stand, zur Seite. Rücksichtslos abgefeuerte Schüsse aus einer solchen Waffe hatten in den letzten Wochen schon mehrere Unschuldige getroffen. Niemand wollte deshalb aus Versehen zu einer Schußwunde kommen. Nur Emil blieb stehen und riß unter der Weste eine gleiche Waffe heraus. Er trat einen Schritt von Manuela weg, um sie aus der möglichen Schußrichtung zu bringen. Unter anderen Umständen hätte er nicht so lange auf den Schuß seines Gegners gewartet, denn Siftly war nicht der Mann, eine Beleidigung ohne tödliche Antwort hinzunehmen. Im Nu aber zuckte dem Spieler der Gedanke an seinen Kameraden durchs Hirn. Wurde er nach dem Schuß nur einen Tag hier festgehalten, so wußte er recht gut, daß der mit dem Geld verschwunden wäre. Hatte er ihn doch schon jetzt im Verdacht, daß er etwas Ähnliches beabsichtigte. Seine Rache mußte er deshalb auf eine andere, günstigere Zeit verschieben, und der Bursche lief ihm nicht weg. So steckte er den Revolver wieder ein und sagte drohend zu Emil:

„Sir, Sie haben die Frechheit gehabt, nach mir zu schlagen, als ich Ihnen den Rücken zudrehte. Das tut nur ein Feigling. Ich hoffe, Sie werden mir Rechenschaft geben, wenn ich sie verlange.“

„Mit Vergnügen!“ lachte trotzig der junge Mann, der nicht einen Zoll zur Seite wich. „Den Schlag mit dem Teller würde ich allerdings nur als Strafe für Ihr nichtswürdiges Überfallen der jungen Dame ansehen, aber das Wort ‚Feigling‘ verdient eine besondere Bestrafung. Bestimmen Sie mir für morgen früh eine Zeit, zu der ich Sie Ihnen erteilen kann!“

Siftly knirschte mit den Zähnen und griff unwillkürlich wieder zur Waffe. Aber er fühlte auch seine Hände gebunden, denn das Gold, für das er alles gewagt hatte, durfte er nicht aufs Spiel setzen.

„Keine Angst!“ flüsterte er deshalb seinem Gegner zu. „Ich werde Ihnen eine Zeit bestimmen, darauf können Sie sich verlassen, und vielleicht früher, als Ihnen lieb ist. Und Sie, Señorita“, damit wandte er sich barsch an das junge Mädchen, das zitternd Zeuge dieses Auftritts war, „wenn Sie denn so entsetzlich kalt und vornehm sind und unter dem hohen Schutz eines Kellners stehen, dann veranlassen Sie doch bitte einmal, daß Ihr Vater auf der Stelle die sechs Unzen zahlt, die er mir seit heute morgen schuldet.“

„Was sagt er?“ erkundigte sich Don Alonso, der gleich nach dem Angriff zu seiner Tochter getreten war und seinen linken Arm um sie gelegt hatte. Manuela war todbleich geworden. Sie schmiegte sich an ihn und fragte mit zitternder, angsterfüllter Stimme:

„Um Gottes willen, Vater, sagt der Mensch die Wahrheit? Schuldest du ihm Geld?“

Der Spanier antwortete nicht, aber tiefes Rot färbte seine Stirn. Er trat gegen den Amerikaner vor und sagte:

„Sie sollen bezahlt werden, Señor - ich gebe Ihnen mein Wort. Aber bis morgen abend müssen Sie sich gedulden.“

„Tut mir leid!“ brummte Siftly, der nur das Wort ‚manana‘, morgen, verstanden hatte. „Spielschulden sollen nie über Nacht stehenbleiben. Da ich sehe, daß meine Gefälligkeit nicht anerkannt wird, sehe ich auch nicht ein, warum ich eine Ausnahme machen soll.“

„Bitte, Sir, kommen Sie mit an den Zahltisch!“ unterbrach Emil da den Spieler. „Sie werden dort Ihr Geld erhalten. Ich schulde Don Alonso etwa die gleiche Summe und glaube, daß es ihm recht ist, auf diese Weise von Ihnen loszukommen!“

Siftly warf ihm einen tückischen Blick zu, erwiderte aber gleich darauf lachend:

„Ich will nur das Geld, egal aus welcher Tasche und von wem!“

„Vater, erlaube es nicht!“ flüsterte da Manuela. „Der Fremde zahlt für dich das Geld! Er sagte nicht die Wahrheit, als er behauptete, es dir zu schulden!“

Der alte Spanier blieb wie an seine Stelle gebannt. So stolz und edel er sich sonst gefühlt haben mochte, das Spiel und mit ihm die Gier nach Gold hatte alles in ihm getötet oder betäubt. Leise tröstete er seine Tochter:

„Keine Sorge, mein Herz! Morgen zahle ich dem Mann die Schuld zurück, und viel lieber ihm als dem Schuft, den Gottes Zorn treffen möge!“

Emil war inzwischen mit dem Mann, den er jetzt als seinen Todfeind betrachtete, an den Zahltisch des Wirtes getreten. Der weigerte sich nicht, dem Fremden die Summe sofort auszuzahlen, denn sein Kellner hatte noch viel mehr bei ihm gut. Siftly nahm das Geld, besah es flüchtig, schob es in die Tasche, ging zu seinem Stuhl, nahm die Zarape auf und verließ das Speisezelt, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.

„Monsieur Emil!“ sagte der Wirt zu dem jungen Mann, mit dem er stets französisch sprach. „Sie fangen an, dumme Streiche zu machen. Anstatt meine Teller und Gäste zu schonen, schlagen Sie die einen den anderen auf den Kopf und werfen dann auch noch, wie ich befürchte, Ihr Geld sehr nutzlos auf die Straße!“

„Mon capitaine!“ lachte der junge Mann leichtherzig. „Gast und Teller waren nicht wertvoll, denn beiden fehlte die Glasur, und was mein Geld betrifft, so glaube ich, daß ich noch nie hundert Dollar besser angelegt habe!“

„Sehr schön, das ist Ihre Sache“, sagte der kleine Franzose und schrieb die Summe auf Emils Konto. „Wenn Sie übrigens, was ich nicht glaube, einem guten Rat folgen wollen, dann nehmen Sie sich vor diesem Spieler in acht. Von Vergessen oder Vergeben ist bei dieser Art Leuten nie die Rede. Statt daß er Ihnen dankbar für das Geld ist, das er sonst nie im Leben bekommen hätte, fürchte ich, daß er Ihnen noch einmal einen bösen Streich spielt - was mir leid tun würde.“

„Ich fürchte ihn nicht“, sagte Emil lachend.

„Um so schlimmer für Sie!“ sagte der Franzose. „Dieses Gesindel ist immer gefährlich, noch dazu, wo die Amerikaner hier die Herren sind und uns als Eindringlinge ansehen. Aber ich habe Sie gewarnt, tun Sie nun, was Sie nicht lassen können.“

Emil verneigte sich lächelnd zu ihm und ging jetzt zu dem Doktor zurück, der ein stummer, aber aufmerksamer Zuschauer gewesen war. Ehe er ihn erreichte, trat ihm jedoch der Spanier entgegen. Er ergriff seine Hand und sagte:

„Señor, ich danke Ihnen für Ihre Gefälligkeit. Ich werde Ihnen diesen Dienst nie vergessen. Ich versichere ihnen, daß Ihr Geld nicht verloren ist. Ich wollte nur, ich könnte Ihnen beweisen, wie sehr ich fühle, was ich Ihnen schulde.“

„Das können Sie, werter Herr!“ sagte da Emil mit viel mehr Herzlichkeit, als er bis jetzt gezeigt hatte. „Und noch dazu ohne große Mühe.“

„Aber wie?“ erkundigte sich Don Alonso erstaunt.

„Wenn Sie nicht mehr spielen!“ sagte der junge Deutsche.

„Mein Herr... Sie wissen nicht...“

„Ich weiß, daß Sie gegen diese Schurken nicht mit den gleichen Waffen kämpfen“, unterbrach ihn aber der junge Mann. „Gegen falsche Karten und falsches Spiel, gegen die abgefeimten Kunstgriffe können Sie nichts ausrichten, und das Geld, das Sie auf den Tisch legen, ist rettungslos verloren.“

„Ich danke Ihnen“, lächelte der Spanier. „Ich werde Ihrem Rat insofern folgen, daß ich von jetzt an aufmerksamer spiele.“

„Aber doch spielen?“

Don Alonso erwiderte nichts darauf, nickte ihm aber grüßend zu. Dann verließ er mit seiner Tochter das Zelt, um sie zum Orchester zu bringen.

„Sagen Sie einmal, lieber Baron“, rief dem jungen Mann jetzt der Arzt entgegen, „Sie erlauben mir wohl heute, Sie wieder so zu nennen, denn als Kellner sind Sie zu sehr aus der Rolle gefallen. Pflegen Sie Ihre Gäste immer so zu behandeln? Dann werde ich mich wohl nach einem anderen Restaurant umsehen müssen.“

Emil wurde rot. Nach einem Augenblick antwortete er verlegen:

„Sie haben recht. Ich hätte mich nicht an diesem Burschen vergreifen sollen, denn das ist nicht ehrenvoll. Aber mir lief die Galle über, und ich vergaß mich für einen Augenblick. Die Lektion kann ihm aber nichts schaden, und er hatte sie tausendfach verdient.“

„Schön, sehr schön“, erwiderte nickend der Arzt. „Das also sind die Früchte Ihrer dreimonatigen Erfahrungen in Kalifornien? Sie geben Ihr Leben in die Hände eines Raufbolds und Ihr Geld in die eines Spielers. Da bleibt Ihnen dann nichts übrig als Ihr Herz. Darf man fragen, wo Sie das inzwischen deponiert haben? Doch jedenfalls auch an einem ganz zweckentsprechenden Platz, nicht wahr?“

Emil wurde feuerrot und wollte dem Doktor eben etwas erwidern, als Monsieur Rigault seinen Namen rief.

Dem Ruf mußte der Kellner folgen und hatte das vielleicht nie lieber getan. Der Doktor stand auf, bezahlte bei einem anderen Kellner seine Zeche und verließ kopfschüttelnd das Zelt, um zu seinem Kranken zurückzukehren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gold