Nach dem Brand -1-



Etwa gegen zehn Uhr morgens hatte man das Feuer so weit unter Kontrolle, daß davon keine weitere Gefahr zu befürchten war. Viele Häuser und Zelte mußten allerdings eingerissen werden. Teilweise wurden die Spritzen darum postiert und löschten die Funken. Wo keine Spritzen zu haben waren, halfen sich die Bürger selbst, zerrten die brennenden Balken auseinander, warfen Sand darauf und taten ihr Bestes, um die weitere Gefahr von der Stadt abzuwenden.


Während aber der äußere Rand des Feuers so von einem Damm schützender und wehrender Arme umgeben wurde, waren im Mittelpunkt des betroffenen und vollständig niedergebrannten Stadtteils schon andere wieder emsig beschäftigt, die Brandstätte aufzuräumen und die Grenzen wiederzufinden, auf denen ihre Wohnungen gestanden hatten.

Noch während des Feuers hatte der Eigentümer des Parkerhauses schon einen Akkordvertrag mit einem Baumeister geschlossen. Darin verpflichtete der sich, ihm ein ähnliches und genauso geräumiges Gebäude innerhalb von sechzehn Tagen so weit aufzubauen, daß es bezogen werden konnte. Um ein Uhr rief ein neuer Feueralarm die Spritzen auf die Plaza, um das schon dort wieder aufgefahrene Bauholz zu löschen, das sich auf dem heißen Untergrund entzündet hatte.

Hier zeigte sich die Lebenskraft dieser Schar von Abenteurern, die der Durst nach Gold und die Hoffnung, Schätze zu sammeln, an diese Küste geworfen hatten. Da wurde keine Klage, kein Jammern über das Verlorene laut. Da stand kein trauernder Familienvater an der rauchenden Brandstätte, unter der seine Heimat begraben lag. Wie der Jäger draußen in der Wildnis, dem ein Waldbrand oder Sturm seine Hütte zerstört hatte, frisch darangeht, sich eine neue aufzubauen, und an die alte mit keiner Silbe mehr denkt, so verschwendete auch keiner der Männer hier einen Gedanken an die Verluste der letzten Nacht. Sie waren eben zum zweiten Mal an die nackte Küste geworfen, aber die Küste hieß Kalifornien, und sie glaubten fest, nicht mehr als vier Wochen zu benötigen, um die Verluste wieder einzubringen.

Nur eines durften sie nicht versäumen: Zeit. Jede Stunde, die sie jetzt nach dem Brand müßig verträumten, war unwiederbringlich verloren. Alles wetteiferte miteinander, um zuerst wieder gerüstet, zuerst wieder zu einem neuen Anlauf bereit zu sein.

Alle Karren, die nur aufzutreiben waren, fuhren schon um die Mittagsstunde die Trümmer des Brandes vor die Stadt. Noch glühende und glimmende Balken wurden mit Ketten umschlungen und mit Maultieren, Pferden, Eseln oder selbst von Menschenhänden fortgeschleift, um Platz für das neue Bauholz zu geben und ihm nicht wieder gefährlich zu werden. Noch vor dem Abend stiegen dann wieder Gerüste, mit dünnen Planken gedielt, mit Segeltuch überdeckt, an der gleichen Stelle auf, die noch vor wenigen Stunden in hellen Flammen stand. Aus den rauchenden Trümmern heraus, die noch nicht alle beseitigt werden konnten, tönte schon wieder die kreischende Geige und der gellende Trompetenstoß, um das Volk zu den rasch aufgestellten Spieltischen zu locken.

Wie Pilze über Nacht zu ihrer natürlichen Größe emporwachsen, so stiegen hier in kürzerer Zeit Häuser und Zelte aus dem noch heißen Boden. In manchen mußte sogar ständig Wasser ausgegossen werden, um die dünnen Balken vor dem Anbrennen zu schützen.

Allerdings mußten die Eigentümer dieser luftigen Gebäude einen enormen Tageslohn für die Arbeiter zahlen. Selbst das leichte Lattenholz stand entsetzlich hoch im Preis - aber was machte das? Die Pacht eines einzigen Abends nur von den Spieltischen zahlte fast den ganzen Bau. Jetzt galt es, den Moment zu nutzen, wo die Konkurrenz noch nicht wieder Spielhölle neben Spielhölle errichtet hatte.

Noch vor Einbruch der Nacht hatte man mit dem Aufbau des Parkerhauses begonnen. Während mehr als fünfzig Leute eifrig damit beschäftigt waren, die Löcher für die Pfosten und Säulen der Außenwände auszuheben und sie einzusetzen, hatte der Eigentümer auf dem kostbaren Platz ein großes, niedriges Zelt aufgeschlagen.

Den Boden bildete aber nur die bloße, mit Wasser gekühlte und hartgestampfte Erde. Trotzdem füllte die eine Ecke schon wieder ein kleines Orchester, in der anderen war ein Buffet aufgebaut. An vorläufig eingerammten Pfählen hingen die Lampen, in der Mitte standen die Spieltische und zahlreiche Stühle umher, und im Hintergrund, jeden Zollbreit ausnutzend, stand eine lange Speisetafel. Sie wurde aus einem dahinter errichteten Küchenschuppen versorgt.

Zwar stand das freche Motto des Yankees - ‚Who, the hell, cares for a fire‘ - hier nicht als Gotteslästerung an der Wand, aber jeder eingetriebene Pfosten, jeder schmetternde Trompetenstoß, jede ausgespielte Karte rief dasselbe Motto laut in die Welt hinaus, und mit der Verwüstung und den Schlacken um sich wucherten die Spielhöllen üppig empor. Schon im neuen Keim zeigten sie, zu welcher Höhe sie, von Lug und Trug genährt, auf diesem günstigen Boden wachsen könnten.

Das waren die Elemente, die nur hier, in der Hauptstadt des Landes, im Zentrum des ganzen Verkehrs, ihre eigentliche Pflege und Nahrung fanden. Die konnte ein Feuer wohl vom Boden brennen, aber nicht die Wurzel verletzen, aus der frisch und rasch die neuen giftigen Schößlinge wucherten. Die Glücksritter und Abenteurer, die eigentlichen Goldwäscher, die San Francisco nur als ihren Ruheplatz betrachteten, fühlten sich nach dem Feuer hier nicht mehr sicher und behaglich. Für sie war San Francisco der Punkt, von dem aus sie in das wirkliche kalifornische Leben, das Leben in den Bergen, hineinspringen konnten. Noch am selben Tag zogen sie deshalb in Scharen hinaus, um den Platz zu verlassen, auf dem sich vielleicht in der nächsten Nacht dieselbe Szene wiederholte. Besonders eilig hatten es die Deutschen, denn die Amerikaner waren an ein bewegteres, von Gefahren begleitetes Leben gewöhnt. Der Deutsche fand jetzt hier plötzlich alles über den Haufen geworfen, was für ihn bislang unumgänglich notwendig war für seine bürgerliche Existenz: Ruhe und Sicherheit! Doch das Unglück hatte nur verhältnismäßig wenige von ihnen getroffen, da die billigeren Herbergen, in denen sie sich einquartiert hatten, mehr in den Außenstraßen lagen und diesmal verschont blieben. Diese Warnung, was ihnen hier in der Stadt passieren konnte, war aber nur für wenige vergeblich. Alle, die nicht durch besondere Geschäfte an die Stadt selbst gefesselt waren, schnürten ihre Bündel und machten sich, so rasch sie nur konnten, auf den Weg in die Berge.

Der Brand war erstickt und gelöscht worden, ehe er die Pacific Street erreichte. Die beiden deutschen ‚Hotels‘ kamen diesmal noch mit dem Schrecken davon. Ihre Bewohner gehörten aber größtenteils zu denen, denen der Ort auf einmal ‚zu warm‘ wurde. Selbst der Justizrat hatte sich entschlossen, sofort aufzubrechen. Das schien bei ihm ungewöhnlich, denn seine sonstigen Entschlüsse bedurften immer einer gewissen Reife, ehe er nur daran dachte, sie auszuführen. Er war das aus seiner Heimat und von seiner Tätigkeit auch gar nicht anders gewohnt gewesen und konnte deshalb auch das ‚ad acta‘1) noch immer nicht vergessen. In dieser Nacht hatte er schon mehr von dem amerikanischen Leben und dessen rücksichtslosem Treiben gesehen und erfahren, als ihm lieb sein konnte. Ohne daß die Polizei einschritt, schlug ihm ein baumlanger Kerl die lange Pfeife aus dem Mund, mit der er sich das Feuer ansehen wollte. Dann wurde er in das Gedränge hineingerissen und auf der Plaza unfreiwilliger und entsetzter Zuschauer des Negermordes, bei dem man hinterher so tat, als ob es eine Selbstverständlichkeit gewesen sei. Nach diesem Vorfall ging er so rasch wie möglich nach Hause, sprach dort mit niemand über die Ereignisse und äußerte nicht die geringste selbständige Meinung. Hätte es dem entsetzlichen Volk nicht auch einfallen können, ihn genauso zu behandeln? Er konnte kaum den nächsten Tag erwarten, um San Francisco ebenfalls zu verlassen. Sobald man aber diese Stadt verließ, blieb einem zu dieser Zeit gar nichts anderes übrig, als eben in die Minen zu gehen. So machte der Justizrat dem darüber etwas erstaunten Assessor den Vorschlag, ihn in die Berge zu begleiten.

So großen Respekt der gutmütige, stets rücksichtsvolle Assessor Möhler aber auch vor dem Justizrat hatte, der ihm schon durch sein ganzes Wesen imponierte, so wies er doch dieses ‚ihn ehrende Anerbieten‘, wie er sich ausdrückte, freundlich, aber entschieden ab. Er konnte die arme Frau Sichert jetzt nicht in ihrem schweren Kummer allein lassen. Er habe ihr das, wie er sagte, auch versprochen und müsse jetzt sein Wort halten, so gern er sich auch einem Zug von Landsleuten anschließen möchte. Der Justizrat zuckte bloß die Achseln, und die Sache war abgemacht. Diesen Tag brauchten die Leute aber noch zum Packen. Sie waren entschlossen, gemeinsam aufzubrechen. Neben dem Justizrat wollten Lamberg, Binderhof und Hufner gemeinsam aufbrechen. Die drei waren auch schon bald mit dem Packen fertig. Einer der kleinen Dampfer, die damals die Bai befuhren, sollte sie nach Stockton bringen, von dort aus wollten sie ihr Glück in den südlichen Minen versuchen. Der Justizrat hatte aber bis Mittag noch keine Zeit gefunden und nur eine Pfeife nach der anderen geraucht und hing seinen Gedanken über dieses ‚Dorado‘ nach. Als die anderen ihn trieben und ihm erklärten, daß sie am nächsten Morgen auch nicht einen Augenblick auf ihn warten würden, machte er sich endlich an die Arbeit. Dabei war er so ungeschickt, daß der in solchen Dingen peinlich ordentliche Assessor Möhler es nicht mehr mit ansehen konnte. Er erbot sich, dem Justizrat alles zusammenzupacken, wenn der ihm alles bereitlege und ihn nicht mehr stören würde. Dem Justizrat kam das sehr recht, und er ließ den Assessor gern gewähren.

Um zwei Uhr begann der Assessor mit seiner Arbeit, die nur hin und wieder für kurze Zeit durch die Aufsicht über die Kinder unterbrochen wurde. Er packte einen Ballen, der ohne die geringste Gefahr eine Reise um die ganze Erde hätte machen können. Dann suchte er sich ein altes Stück festes Leinen zum Verpacken, nahm Packnadel und Faden aus seinem Vorrat und stand noch lange nach Dunkelwerden auf der Straße bei seiner Beschäftigung. Mit Erstaunen sahen die Vorübergehenden zu, wie er die große Nadel gegen den Mond hielt und sie wieder einfädelte.

Der Justizrat ging dabei auf und ab und rauchte. Er zeigte aber keine Ungeduld und sagte nur, als der hilfreiche Mann endlich fertig war:

„Danke, rollen Sie den Ballen ins Zelt.“ Dann ging er mit der Pfeife die Straße hinunter, um sich noch einmal auf der Plaza umzusehen. Unterwegs traf er an einer der dunklen Ecken der Stadt drei Männer, die sich lebhaft in englischer Sprache unterhielten. Es erschien ihm fast so, als würden feindliche Worte gewechselt. Als der Fremde aber näher kam, schwiegen sie, warfen ihm einen flüchtigen Blick zu und ließen ihn vorbei.

„Abend!“ sagte der Justizrat in seiner barschen, diesmal aber höflich gemeinten Art. Er traute den dreien nicht recht und warf ihnen den halbabgebissenen Gruß wie eine Beschwichtigung hin. Keiner der drei antwortete ihm aber, obwohl sie die Köpfe zu ihm umdrehten. Kaum war er außer Hörweite, begann ein kleiner, dicker Mann das Gespräch wieder.

„Und wo habt ihr beide bis jetzt gesteckt, daß ich euch den ganzen Tag nirgends finden konnte und in Todesangst in der Stadt umherlaufen mußte? Wo wolltet ihr jetzt zusammen hin? Zu mir? He? Das soll ich jetzt auch noch glauben?“

„Allerdings wollten wir das!“ antwortete eine lange, hagere Gestalt. „Wenn Sie einen Augenblick vernünftig zuhören würden, Brown, so würden Sie alles erfahren!“

„Wie Sie es zusammen abgekartet haben, nicht wahr?“ rief der Kleine mit einem verächtlichen Blick auf den Sprecher.

„Ich hoffe, Brown, daß Sie mich nicht für fähig hatten, einen Freund zu betrügen!“ rief da der dritte. „Zum Teufel, leide ich denn weniger unter dem Verlust als Sie, und wäre mir Smith nicht ebenso Rechenschaft schuldig wie Ihnen?“

„Rechenschaft? Worüber?“ rief Smith. „Kann ich das Feuer bändigen, wenn es beinahe mit einem Schlag in den Saal dringt und den ganzen Raum mit Rauch und Flammen füllt? Wie ist es dem armen Jacobs ergangen? Bei dem Versuch, nur seinen Geldkasten ins Freie zu schleppen, verbrannte er! Und doch habe ich das mir Anvertraute nicht im Stich gelassen und wäre auch sicher damit entkommen, wenn mich nicht der herabstürzende Balken an der Flucht gehindert hätte. Ich sage Ihnen, da war Not am Mann! Wenn ich nicht alles im Stich gelassen hätte, läge ich jetzt auch mit ausgebrannten Knochen bei dem Schutt draußen!“

„Und wo ist das Gold geblieben?“ erkundigte sich Brown wieder. „Sie werden zugeben, Siftly, daß Gold und Silber nicht wie Papier verbrennen kann und wenigstens ein geschmolzener Klumpen übrigbleiben mußte.“

„Wo ist das andere hin?“ rief Smith dazwischen. „Überwachen Sie doch mal eine solche Schar Menschen, wie sie sich da zum Retten auf die Feuerstelle warfen! Ich hatte mir die Stelle, wo ich den Kasten fallen lassen mußte, genau gemerkt. Heute morgen habe ich zwei volle Stunden danach gesucht, aber vergeblich. Von dem Gold war keine Spur mehr zu finden, und wir können jetzt von vorn beginnen, wie wir vor vier Monaten gemeinsam angefangen haben.“

„Wenn Sie nicht so ein Hasenherz wären, Smith, hätten Sie das Gold in Sicherheit bringen müssen!“ sagte Siftly finster. „Warum haben Folkers und Bright ihr ganzes Vermögen gerettet?“

„Weil die dicht am Ausgang saßen!“ rief Smith. „So ist’s richtig, mir auch noch Vorwürfe machen, weil ich keine übermenschlichen Kräfte besitze und kein Salamander bin, der im Feuer leben kann!“

„Sie haben wirklich nichts, gar nichts von unserer gemeinsamen Kasse gerettet?“ erkundigte sich Brown, der die beiden anderen mit finsteren Blicken gemustert hatte.

„Nicht einen Cent, so wahr mir Gott helfe!“ sagte Smith. „Selbst meinen Mantel hab ich auf der Flucht vor den Flammen im Stich gelassen, und ich will den heiligsten Eid darauf ablegen...“

„Sparen Sie sich den“, unterbrach ihn ruhig sein bisheriger Kamerad. „Was Ihnen ein Eid wert ist, weiß ich aus Erfahrung, denn wir kennen uns beide leider zu gut.“

„Aber Brown!“

„Lassen Sie mich ausreden. Ich sehe ein, daß ich nicht in der Lage bin, euch etwas zu beweisen, egal, welchen Verdacht ich habe. Die Sache vor Gericht zu bringen wäre ebenfalls Wahnsinn und nur Futter für die Anwälte. Das Feuer von San Francisco hängt über der Sache und ist ein Mantel, unter dem sich noch mancher verstecken wird. Soweit habt ihr die Sache ganz schlau angefangen, aber...“

„So glauben Sie vielleicht sogar, ich hätte Ihr Geld gestohlen?“ rief Smith laut und heftig.

„Jawohl, so ist es!“ entgegnete ihm Brown mit vollkommen ruhiger Stimme. „Und mehr noch, mehr, als ich im Augenblick sagen will. Nehmt euch in acht! Wenn ich jemals die Gewißheit für euren Betrug bekomme, dann gnade euch Gott!“

„Erbärmlicher Schuft!“ schrie da Smith mit vor Wut heiserer Stimme und griff blitzschnell nach dem in der Weste versteckten Revolver. Siftlys Hand lag aber wie Eisen auf seinem Arm. Sie durften auf keinen Fall mit der Polizei zu tun bekommen. Deshalb trat er zwischen die beiden, um sie zu trennen.

„Brown“, sagte er dabei mit ernster und beschwichtigender Stimme, „ich glaube, daß Sie Smith unrecht tun, und jedenfalls ist die Art...“

„Glauben Sie, was Sie wollen“, unterbrach ihn aber kurz der kleine, äußerst gereizte Mann. „Wenn Sie mich wegen meiner Worte zur Rede stellen wollen, wissen Sie, wo ich wohne.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um, würdigte keinen mehr eines Blickes und ging rasch die Straße hinunter.

Smith machte eine Bewegung, als wolle er ihm folgen, aber Siftly ließ seinen Arm nicht los. Er zog ihn in die entgegengesetzte Richtung und flüsterte leise:

„Laß ihn laufen! Wenn er nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, mußte er etwas merken. Jetzt hat er sich ausgesprochen, und die Sache ist viel leichter und schneller vergessen. Er weiß genausogut wie wir, daß er nichts machen kann. Ich denke, die paar Worte können wir uns wohl von ihm gefallen lassen. Er hat sie teuer genug bezahlen müssen.“

„Er wird uns aber weiter nachspüren“, sagte Smith. „Wenn du mich nicht gehalten hättest, wäre er jetzt unschädlich gemacht!“

„Und wir vielleicht in den Händen einiger freundlicher Konstabler, die sich genauer nach unseren Verhältnissen erkunden möchten, als uns wahrscheinlich lieb wäre“, sagte lachend Siftly. „Nein, Kamerad, nicht hier in der Stadt, die wir doch morgen verlassen. Sollte er aber wahnsinnig genug sein, uns zu folgen, dann überläßt du mir die Sache. Ich hoffe, du wirst dann mit der Erledigung zufrieden sein. Aber jetzt Schluß mit dem Unsinn und zu den Geschäften. Ich war leider nicht in der Lage, dich nach dem Feuer wiederzufinden. Unser Zusammentreffen würde ich auch zufällig nennen, wenn ich nicht wüßte, daß wir beide mit stärkeren Banden aneinander gefesselt sind. Ist das Gold in Sicherheit?“

„Ja“, erwiderte Smith.

„Außerhalb der Stadt?“

„Natürlich. Hier wußte ich keinen sicheren Platz und wollte uns auch keiner Entdeckung aussetzen.“

„Natürlich nicht. Und wann brechen wir auf?“

„Morgen früh, denke ich, aber nach dem, was eben zwischen uns und dem Burschen vorgefallen ist, nicht zusammen. Wir treffen uns lieber an einem anderen Ort, am besten in den Minen.“

Siftly warf einen raschen, forschenden Blick auf das Gesicht seines Kameraden. Im Schatten der Häuser, in dem sie gemeinsam gingen, ließen sich jedoch seine Züge nicht mehr erkennen.

„Und wie willst du das Gold wegbringen?“ erkundigte sich Siftly nach einigem Überlegen.

„Auf einem Dampfboot bis Sacramento natürlich“, sagte Smith. „Dort kaufe ich ein Maultier und packe es in die Satteltasche.“

„Und wo ist es jetzt?“

„Das Gold? In Sausalita. Ich war heute morgen drüben. Am besten, du nimmst den Landweg um die Bai nach Sacramento, auch wenn der etwas weiter und mühsamer ist. Wir treffen uns dann nicht in Sacramento City, wohin Brown auch kommen könnte, sondern in Yuba City. Dort spürt uns kein Teufel auf, soviel ist sicher.“

Siftly überlegte kurz. „Nein, das wohl nicht, aber - ich habe mir die Sache doch anders überlegt und denke, wir machen die Reise lieber zusammen. Wenn uns Brown wirklich nachspüren wollte und uns zusammen trifft - was weiter? Daß er uns nicht schaden kann, dafür will ich schon sorgen!“

„Meinetwegen, wenn du mir nicht traust!“ sagte Smith finster.

„Davon ist jetzt keine Rede“, erwiderte Siftly ruhig. „Ich weiß, daß du mich kennst, und deshalb mache ich mir keine Sorgen. Also, um wieviel Uhr geht das Sausalita-Boot morgen früh ab?“

„Um sechs.“

„Und das Sacramento-Boot?“

„Um sieben. Es legt aber auch in Sausalita an.“

„Gut, dann gehst du morgen früh mit dem ersten Boot hinüber, und ich komme mit dem zweiten nach. An der Landestelle wartest du mit dem Gold auf mich, und wir reisen zusammen. Bist du einverstanden?“

„Von Herzen gern, wenn nur Brown uns keinen Streich spielt!“

„Genug, das ist besprochen. Wohin gehst du jetzt?“

„Ins Parkerhaus oder vielmehr Parkerzelt“, lachte Smith. „Der Betrieb hat sich ja etwas reduziert. Gehst du mit?“

„Klar!“ erwiderte Siftly. „Wenn wir jetzt auch keine freie Hand mehr im Spiel haben können, bin ich das Leben doch zu sehr gewohnt und vermisse es. Ich will heute abend sehen, ob ich selbst Glück habe.“

In der Pacific Street stand ein kleines, einzelnes Haus aus Sparrbalken und mit blauem, von der Sonne schon gebleichtem Kattun bespannt. In eine Ecke hatte man auf die bloße Erde eine Matratze geschoben, und dort lag, von einer Decke zugedeckt, ein Kranker. Er schlief fest, aber unruhig.




1) etwas zu den Akten legen, etwas als erledigt ansehen

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gold