Ho! Kalifornien! -3-



Vergeblich bat ich meinen Mann, doch bei der Wahrheit zu bleiben und sich fest darauf zu verlassen, daß Charles unsere Ruhe nicht stören würde. Schon diese Bitte weckte sein Mißtrauen, seine Eifersucht. Er begann zu glauben, daß mir daran läge, ein Zeichen zu hinterlassen, und überwachte jeden meiner Schritte, solange wir uns noch an Land befanden. Meine Eltern beschwor er bei allem, was ihnen heilig sei, Charles nicht unseren wirklichen Aufenthaltsort zu verraten. Dabei befand er sich ständig in einer furchtbaren Erregung. Ich sehnte den Tag herbei, an dem wir endlich Chile verlassen konnten. Ich hoffte, daß sich seine Unruhe legen würde, wenn wir erst einmal an Bord waren.“


„Aber das hat sich nicht erfüllt?“ sagte teilnahmsvoll der Arzt.

„Nein, im Gegenteil, seit wir das Land in Sicht haben, ist es noch stärker wieder ausgebrochen. Schon in den ersten Tagen unserer Reise hatte er die fixe Idee, daß sich Charles heimlich mit an Bord geschlichen habe. Erst als er sich fest vom Gegenteil überzeugt hatte, wurde er ruhiger. Jetzt, mit dem Land vor uns und den vielen fremden Schiffen, scheint die alte Angst noch stärker zurückzukommen. Auf jedem Fahrzeug, das den Eingang zur San-Francisco-Bai sucht, fürchtet er den Mann, den er für seinen Nebenbuhler hält. Er zittert sogar schon vor dem Betreten des fremden Bodens, weil Charles vielleicht schon eher dasein könnte. Ich bin über seinen Zustand, der schon an Wahnsinn grenzt, verzweifelt. Deshalb drängte es mich auch, einmal mein Herz jemand ausschütten zu können. Wem hätte ich besser vertrauen können als gerade Ihnen?“

„Ihr Vertrauen soll auch nicht enttäuscht werden, verehrte Frau“, sagte der alte Mann gerührt. „Aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen da beistehen kann. Ihr Mann hat diese unglückliche, fixe Idee, und da ist mit äußeren Mitteln nichts zu bessern.“

„Wenn man ihm nur die Nachricht bringen könnte, daß Charles wirklich nach Australien gegangen ist!“

„Um Gottes willen, nicht!“ rief der Arzt schnell. „Dann hätte er doch erst die Gewißheit, daß er Sie wirklich verfolgt, und findet nie wieder im Leben Ruhe. Wie ich hörte, kommen von Australien auch sehr oft Schiffe nach San Francisco, und jedes würde seiner Unruhe neue Nahrung geben.“

„Aber was soll, was kann ich tun? Wie soll das enden, wenn diese fixe Idee mehr und mehr überhandnimmt? Schon jetzt hält sein Körper diese ständige Aufregung kaum durch.“

„Vor allen Dingen sollten Sie weiterhin aufrichtig zu Ihrem Mann sein. Der geringste Widerspruch, den er findet, würde sein Leiden nur noch verschlimmern. Geben Sie ihm keinen Anlaß zum Verdacht, und hört er auch nichts mehr von dem vermeintlichen Nebenbuhler, so ist die Zeit sein bester Arzt und wird ihn bald wieder vollkommen herstellen.“

„Aber wenn nicht?“ fragte die Frau und faltete ängstlich ihre Hände. „Wenn in dem fremden Land die entsetzlichen Träume stärker und stärker werden?“

„Vertrauen Sie auf Gott“, unterbrach sie ernst der alte Mann. „Bedenken Sie vor allen Dingen, daß Sie durch solche ängstlichen Phantasien auch Ihre eigene Gesundheit mutwillig untergraben. Seien Sie stark, das neue, aufregende Leben da drüben wird den besten und heilsamsten Einfluß auf Ihren Mann haben. Jetzt ist er noch auf dem engen Schiff eingeschlossen und Tag für Tag ohne jede Beschäftigung. Da ist es kein Wunder, wenn er sich um so stärker seiner unglücklichen Idee hingibt. Erst einmal in dem praktischen kalifornischen Leben, von all dem Drängen und Ringen nach Gold und Schätzen erfaßt, wird er auch nach und nach seine trüben Gedanken vergessen.“

„Ich will es hoffen“, seufzte die Frau aus tiefstem Herzen. „Ich selber will gern alles tun, was in meinen Kräften steht, um ihn aufzuheitern und zu zerstreuen - wenn nur sein Geist nicht schon gelitten hat!“

„Das befürchte ich nicht“, sagte freundlich der Arzt. „Geben Sie sich aber nicht selber solchen gefährlichen Träumen hin, darin wird schon alles gut werden. Ich kenne ja nun sein Leiden, und sollten Sie in San Francisco meine Hilfe benötigen, so werde ich Ihnen jederzeit zur Seite stehen.“

„Das lohne Ihnen Gott“, sagte die Frau und ergriff zitternd seine Hand. Der alte Herr bot ihr freundlich seinen Arm und geleitete sie zu der in die Kajüte hinabführenden Treppe. Dort verließ er sie, um an Deck zurückzukehren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gold