Auf kalifornischem Boden -1-



Während einer so langen Seereise auf engem Raum zusammengedrängt, gewöhnen sich natürlich die Passagiere aneinander. Man ißt aus einem Topf, schläft unter einem Deck zusammen und ist so daran gewöhnt, die gleichen Gesichter jeden Tag zu begrüßen, daß einem etwas fehlt, wenn man am nächsten Tag die alten Gefährten nicht wieder begrüßt. Unterwegs werden oft Pläne gemacht, daß man nach der Landung zusammenhalten oder sich zumindest später schreiben will. Was geschieht nach der Landung?


Wenn man einen Tropfen Quecksilber auf den glatten Boden wirft, so hat man einen guten Vergleich zu einer Schiffsgesellschaft an Land. Der erste Schritt im Goldland trennt alle Bande, löst alle Versprechungen und verstreut die einzelnen wie Spreu im Wind.

Schon auf dem Überfahrtsboot existierte keine Gemeinschaft mehr. Jeder mußte auf sein eigenes Gepäck aufpassen und seine in verschiedene Ecken geworfenen Sachen zusammensuchen. Sowie das Boot festen Grund berührte, keuchte alles den ziemlich steilen, staubigen Hang hinauf, um so schnell wie möglich in das neue Leben einzutauchen. Wer dachte hier noch daran, sich von den Reisegefährten zu verabschieden? Fand man sich später wieder zusammen, um so besser. Falls nicht - nun, hier war Kalifornien, und jeder mußte sehen, wie er durchkam.

Mr. Hetson hatte mit seiner Frau die Landung schon viel früher erreicht. Ein leerer Karren, der Waren an den Strand brachte, stand zufällig bereit. Er wurde sofort gemietet, um ihr Gepäck in irgendein Hotel zu bringen. Es ging eine Weile durch die bunten Straßen dieser wunderlichen Stadt, die eine Mischung aus Zelten und Schuppen bildete. Dann hielt er vor einem typischen Gebäude, halb Zelt, halb Hütte. Die Wand neben der Tür bestand aus übereinandergenagelten Brettern, die andere Seite aus Segeltuch. Über dem Eingang stand mit großen, schwarzen Buchstaben der Name „Union Hotel“. Kein Zweifel, man hatte ein Hotel erreicht!

„Union Hotel“ - der Verschlag sah eher einer Jahrmarktsbude ähnlich, in der man für wenig Eintrittsgeld Kuriositäten sehen konnte. Aber lieber Gott, in solch einem ‚neuen‘ Lande durfte man auch nicht hoffen, die Bequemlichkeiten des alten Vaterlandes wiederzufinden. Vielleicht hielt auch das Innere mehr, als das Äußere versprach. Hetson wollte jedenfalls erfahren, ob er hier ein eigenes Zimmer für sich und seine Frau bekommen konnte.

Auf den Ruf des Karrenführers war eine Art Kellner in der Tür erschienen. Ohne weiteres griff er einen Koffer und eine Hutschachtel auf und wollte damit wieder im Inneren verschwinden.

„Halt!“ rief ihm Hetson nach. „Kann ich hier ein eigenes Zimmer bekommen?“

„Eigenes Zimmer? Natürlich!“ sagte der Kellner. „Nr. 7.“ Damit tauchte er wieder hinter der Leinwand unter. Hetson blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, um den Platz näher zu betrachten. Aber selbst die bescheidensten Anforderungen fand er hier nicht erfüllt. Ein ‚eigenes Zimmer‘ zeigte ihm der Kellner, aber es war nur ein kleiner Verschlag, eine Art Zeltabteilung, die einfach durch ein Stück blaues Kattun hergestellt war. Das ganze Hotel bestand aus acht oder zehn solcher Abteilungen, die nach oben offen ein gemeinsames Dach hatten. Sie erinnerten ihn an die Abteilungen, in denen man sich in Badeanstalten umziehen konnte.

Das konnte vielleicht eine Weile für Männer als Aufenthaltsort ausreichen. Man konnte jedenfalls darin existieren und es als eine Art Biwak betrachten. Aber eine Dame konnte hier auf keinen Fall einquartiert werden.

Der Karrenführer hatte inzwischen schon den größten Teil des Gepäcks heruntergegeben. Da erklärte Mr. Hetson, daß er hier unter keinen Umständen bleiben wollte. Ein passender Platz wäre wohl noch zu finden, ein schlechterer konnte es kaum werden.

Rasch ging er deshalb wieder zu dem Karren hinaus, um ihn als Transportmittel zu sichern. Ziemlich ratlos sah er auf die Menschenmenge, die die Straße hinauf- und hinunterwog. Da blieb ein Mann vor ihm stehen, betrachtete ihn einen Augenblick aufmerksam und rief dann aus: „Hetson! Bei allem, was lebt! Kamerad, welcher glückliche Wind hat dich nach Kalifornien getrieben?“

Der Mann war eine so auffallende Persönlichkeit, daß jeder, der ihn einmal gesehen hatte, ihn nicht wieder vergessen konnte. Trotzdem konnte ihn Hetson, als er ihn überrascht ansah, nicht erkennen.

Um die große, kräftige Gestalt hing eine bunte, mexikanische Serape. Er trug sie in der Art der Spanier und Kalifornier, über die linke Schulter geschlagen. Seinen Kopf bedeckte ein breitrandiger, brauner Filzhut, unter dem die kleinen, stechenden, schwarzen Augen aus einem Wald von Kopf- und Barthaaren hervorsahen. Seine Beine steckten in Hosen aus schwarzem Samt, an der Seite offen und reich mit silbernen Knöpfen verziert. An den Schuhen klirrten schwere mexikanische Sporen aus polierter Bronze. An seiner weißen, fast zarten Hand funkelten fünf oder sechs Ringe mit Steinen, als er sie dem jungen Amerikaner entgegenhielt. Aber wer war der Mann?

„Entschuldigen Sie vielmals, Sie scheinen mich zu kennen, aber ich kann mich nicht erinnern, wo...“, sagte Hetson etwas verlegen.

„Hahahaha!“ unterbrach ihn da lachend der Bärtige. „Habe ich mich so verändert, das mich selbst ein alter Kommilitone nicht erkennt? Du erinnerst dich wohl nicht mehr an Bill Siftly, he?“

„Siftly? Ist das möglich?“ rief Hetson jetzt erfreut und ergriff seine Hand. „Das ist allerdings ein tolles Zusammentreffen. Du mußt mir später erzählen, wie du hierhergekommen bist. Jetzt möchte ich dir meine Frau vorstellen.“

„Deine Frau!“ rief der neugefundene Freund erstaunt aus und drehte sich rasch nach der Dame um.

„Gentlemen!“ unterbrach da der Karrenführer die Unterhaltung. „Ich kann mir wohl denken, daß es schön sein muß, in diesem blutigen, verbrannten Land einen alten Bekannten zu treffen. Die Geschichte geht mich aber nichts an, und ich kann hier nicht stundenlang halten und meine Zeit versäumen. Zeit ist hier Geld, und wenn Sie mich nicht mehr benötigen, so bezahlen Sie mich.“

„Was ist, kommst du gerade erst an?“ erkundigte sich Siftly rasch.

„Ja, und ich suche ein Hotel, wo ich mit meiner Frau wohnen kann. In dem Nest hier ist es unmöglich.“

„Das kann ich mir denken“, lachte Siftly. „Aber ich kenne ein besseres. Dreh den Karren um und fahr zum Parkerhaus!“

„Kein Platz mehr“, brummte der Fuhrmann. „War schon vorhin mit einer anderen Ladung dort.“

„Ich mache euch Platz“, sagte Siftly zuversichtlich. „Komm mit mir, Hetson, und ich garantiere dir, daß sie dich aufnehmen. Lade alles wieder auf, was da liegt, wir sind gleich dort.“

Der Mann gehorchte mit ziemlich mürrischem Gesicht.

„Fehlen noch zwei Stück, die der Kellner in das Haus getragen hat“, sagte er dann.

„Ach ja, ein Koffer und eine Hutschachtel“, rief Hetson. „Bitte, Kellner, bringen Sie die beiden Stücke wieder heraus.“

„Mit dem größten Vergnügen“, erwiderte der Angesprochene, ohne sich jedoch von der Stelle zu rühren. „Sobald Sie mir die fünf Dollar Miete für den heutigen Tag bezahlt haben.“

„Die Miete für den heutigen Tag?“ rief der junge Amerikaner erstaunt aus. „Ich habe noch gar nicht daran gedacht, mich hier einzumieten!“

„Sie haben von dem Zimmer mit Ihrem Gepäck Besitz ergriffen“, sagte achselzuckend der Kellner. „Ich hätte es in der Zwischenzeit schon dreimal wieder vermieten können. Wenn Ihnen unser Hotel nicht gut genug ist, zahlen Sie, was Sie schuldig sind, oder Sie bekommen Ihr Gepäck nicht eher wieder.“

„Das ist doch ein starkes Stück!“ rief Hetson wütend. „Ich will doch einmal sehen, ob...“

„Zahle, um Gottes willen!“ beschwichtigte ihn jedoch Siftly. „Laß die Gerichte in Frieden, wenn du nicht hundert Dollar für deine fünf loswerden willst. Du kannst noch froh sein, daß der junge Herr mit der weißen Schürze nicht unverschämt war und zwanzig forderte. Ich werde Sie empfehlen, Jack!“ wandte er sich dann an den Kellner. „Jetzt aber die Sachen heraus, denn unser Fuhrmann wird ungeduldig. Sie bekommen das Geld.“

Der Bursche nickte nur kurz mit dem Kopf, verschwand in der Tür und kam nach wenigen Minuten mit dem Gepäck zurück. Es wurde auf den Karren geworfen, Hetson zahlte und bot seiner Frau den Arm. Wenige Minuten später erreichten sie den Hauptplatz der Stadt, die sogenannte Plaza, und damit das Parkerhaus, ein mehrstöckiges hölzernes Gebäude.

Siftly hielt Wort. Der Wirt räumte dem Ehepaar eine kleine Stube. Mrs. Hetson konnte sich bald wenn auch nicht wohnlich, so wenigstens erträglich einrichten. Hetson hatte seinen so zufällig gefundenen Universitätsfreund gebeten, unten auf ihn zu warten. Siftly wollte ihn im Schenk- und Spielsalon des Hauses treffen. Nachdem die wichtigsten Sachen ausgepackt waren, stieg Hetson die schmale Treppe wieder hinab. Auf dem ersten Gang traf er auf Doktor Rascher von der ‚Leontine‘, der eben seine Zimmertür hinter sich abschloß.

„Ah, sieh da, Mr. Hetson!“ begrüßte er ihn erfreut. „Haben Sie sich ebenfalls hier einquartiert? Das Haus ist wie ein Bienenstock, und Ihre Frau wird nicht viel zur Ruhe kommen.“

Hetson drückte ihm die Hand. „Ich freue mich, wenigstens Sie in der Nähe zu haben, Doktor. Wollen Sie in San Francisco bleiben?“

„Zunächst ja“, erwiderte der alte Mann. „Später werde ich aber hinauf in die Berge ziehen, um mir das Leben dort einmal mit anzusehen.“

„Und Gold zu graben?“

„Nein, das nicht“, lächelte der Doktor gutmütig. „Dazu reichen meine Kräfte wohl nicht aus. Der Hauptzweck meiner Reise ist, die Flora des Landes zu untersuchen. Ich will nicht im Mineralreich, sondern in der Pflanzenwelt meine Schätze sammeln. Ich glaube kaum. daß ich dabei einen Mißgriff machen werde. Und Sie, Mr. Hetson, werden sich wohl auch eine andere Beschäftigung suchen als mit der Spitzhacke und Schaufel?“

„Wer weiß?“ sagte der junge Mann und lächelte dabei düster vor sich hin. „In den Bergen... wenn sie so sind, wie ich sie mir denke... entgeht man vielleicht mancher unangenehmen, unerwünschten Gesellschaft, die uns hier in der Stadt doch aufgedrungen wird. Ich habe große Lust, in die Minen zu gehen.“

„Mit Ihrer Frau?“

„Warum nicht? Den Zeitungen habe ich entnommen, daß gar nicht so wenig Frauen in den Bergen sind, und während der Sommermonate muß der Aufenthalt sogar reizend sein.“

„Das sollten Sie sich aber vorher noch einmal reiflich überlegen, Mr. Hetson“, sagte der alte Mann und schüttelte bedenklich mit dem Kopf. „Für einen einzelnen Mann mag es noch gehen, aber eine so zarte Frau wie Ihre hielte es nicht lange aus. Sie machen sich später bittere Vorwürfe! Gold ist schon eine gute Sache, und wir brauchen es zu unserem Leben. Aber wir dürfen dagegen doch nichts noch Kostbareres einsetzen, sonst bleiben wir immer die Verlierer, selbst wenn wir noch so viel erbeuten!“

„Keine Sorge, Doktor“, sagte Hetson. „Das Gold hat mich nicht nach Kalifornien geführt, und es wird mich auch nicht verleiten, einen dummen Streich zu begehen. Also, auf Wiedersehen, Doktor. Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie nachher einmal nach meiner Frau sehen könnten, Nr. 37. Ich bleibe vielleicht eine Stunde weg, und sie klagte vorhin über heftige Kopfschmerzen.“

„Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihre Frau auf festem Land zu begrüßen.“

Mit einer freundlichen Handbewegung sprang Hetson die Treppen hinunter, um seinen Gefährten zu suchen. Der Doktor folgte ihm langsam. Er wollte noch einige Änderungen in seinem Zimmer verlangen. Die kalifornische Lebensart war ihm noch zu fremd, die deutschen Gasthöfe hatte er noch nicht vergessen. Außerdem sehnte er sich wieder einmal nach einer kräftigen Mahlzeit mit grünem Gemüse und frischem Fleisch. Das mußte man auf einer langen Seereise entbehren und vermißt es schließlich schmerzlich.

Der Speisesaal war ein großer, mit einer Menge Tische ausgestatteter Saal, zu dieser Tageszeit allerdings noch ziemlich leer. Zwischen Mittag und Abend war immer stille Zeit, die von den geschäftig hin und her eilenden Kellnern dazu benutzt wurde, die Tische für das Souper wieder in Ordnung zu bringen. Der Doktor war noch in Gedanken mit dem Schicksal der Hetsons befaßt und achtete kaum auf seine Umgebung.

Der Oberkellner dieses Hauses war eine dürre, vertrocknete Gestalt. Wie alle anderen hatte er nur ein weißes Hemd und eine weiße Hose an. Sein Halstuch wurde mit einer Granattuchnadel gehalten. Sein echt französisches, sonnengebräuntes Gesicht war dem neuen Gast zugewandt, und gleich darauf sandte er einen seiner dienstbaren Geister zu ihm. Der Kellner war ein schlanker, junger Mann mit blondem Haar und blauen Augen. Sein Gesicht wies eine für einen Kellner unpassende tiefe Narbe in der Wange auf. Mit dem Speisezettel in der Hand trat er zu dem Gast, die Serviette über dem Arm.

„Anything you want, Sir?“

Der Doktor sah langsam, noch ganz in Gedanken vertieft, auf und starrte verwundert in das lächelnde Gesicht des Kellners.

„Was bringt Sie denn nach Kalifornien, Doktor?“ lachte er da plötzlich und streckte dem Doktor die Hand entgegen.

„Baron Lanzot?“ rief der Doktor und sprang erstaunt auf. „Liebe Güte, spielen Sie eine Komödie?“

„Wenn Sie wollen, ja“, lautete die Antwort des jungen Edelmannes. Er ergriff die Hand des Doktors und schüttelte sie. „Für zweihundert Dollar im Monat spiel ich für eine kurze Zeit Komödie, anstatt einem Phantom in den Minen nachzulaufen - dem Phantom des Millionärs.“

„Aber, um Gottes willen, Baron, wenn das Ihre Eltern erfahren... Ihre Mutter würde sich zu Tode grämen!“

„Ich halte sie für eine vernünftigere Frau, Doktor. Sie wird lieber sehen, daß ich hier mein Brot ehrlich verdiene, als daß ich müßig herumlungere und Schulden mache. Alle, die das Schicksal an diese Küste geworfen hat, arbeiten für ihr Leben. Während ich hier einigen als Kellner serviere, lasse ich mir als Gentleman von anderen das Gold aus den Minen graben. Ob das nun direkt oder indirekt in meine Taschen kommt, bleibt sich gleich - wenn es nur den Weg dahin findet!“

„Sie sind Philosoph, Baron!“

„Bitte um Verzeihung, ich bin Kellner“, lachte der junge Mann. „Und wenn Sie nicht bald etwas bestellen, werde ich von meinem französischen Vorgesetzten dahinten wahrscheinlich Ärger bekommen.“

„Aber ich kann mich doch nicht von Ihnen bedienen lassen!“ rief der Doktor verlegen aus.

„Sie werden zufrieden mit mir sein“, unterbrach ihn der Kellner und überreichte ihm die Speisekarte. „Bitte, wählen Sie: Beefsteak, Roastbeef, Mutton chops, Eier, Kartoffeln, Bohnen - mehr Auswahl können Sie nicht verlangen. Unsere Weine sind vortrefflich und alle geschmuggelt.“

Der Doktor nahm den Speisezettel, schob ihn aber wieder von sich und rief:

„Also wirklich, Baron, die ganze Geschichte kommt mir wie ein toller Spuk vor. Ich sehe Sie zuletzt in der Soiree des Fürsten Lichtenstein ordensgeschmückt mit der Fürstin tanzen und jetzt mit der Serviette unter dem Arm und den Speisezettel in der Hand - gehen Sie, Sie halten mich doch zum besten!“

Der junge Mann lächelte. „Da ich sehe, daß Sie Ihre in Kalifornien sehr kostbare Zeit mit vollkommen nutzlosen Ausrufen verschwenden, werde ich mich Ihrer annehmen und Ihnen selber etwas zu essen bestellen. Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden. Wenn Sie nachher die Preise erfahren, werden Sie merken, daß wir hier keineswegs spaßen, sondern bitteren Ernst machen.“

Der junge Mann ging lachend zum Buffet zurück. Der Doktor saß noch immer stumm und starr vor Staunen an seinem Tisch, denn so hatte er sich Kalifornien doch eigentlich nicht gedacht.

Baron Lanzot - oder besser Emil mit seinem Kellnernamen - kam bald wieder zurück, servierte sehr geschickt und blieb dann an der anderen Seite des Tisches vor dem Gast stehen.

„Aber, bester Baron...“

„Emil, wenn ich bitten darf...“

„Es geht nicht, Baron, es geht wirklich nicht!“ rief aber der alte Mann verzweifelt aus. „Bedenken Sie, ich bin noch kein Kalifornier.“

„Das entschuldigt allerdings vieles“, erwiderte Emil. „Ich kann Ihnen übrigens versichern, daß Sie da noch manches erleben werden, wovon Sie im Augenblick nicht zu träumen wagen. Hier in Kalifornien sind alle Bande des gesellschaftlichen Lebens, die wir im alten Vaterland nur zu oft für unumgänglich nötig für jede Existenz halten, gelöst. Jeder lebt für sich, so gut oder so schlecht er kann - der Nebenmann kennt ihn nicht oder kümmert sich nicht um ihn. Wenn er oben schwimmt. hat er es nur allein sich selbst zu verdanken. Wir leben zwar unter den Gesetzen einer zivilisierten Nation, aber auch nur dem Namen nach. Keine Kraft ist ausreichend, um sie aufrechtzuerhalten. Deshalb blüht das Faustrecht wieder so wunderbar und herrlich hier wie bei uns daheim im Mittelalter.“

„Aber weshalb sind Sie nach Kalifornien gegangen?“

„Fragen Sie das Jahr 1848“, sagte achselzuckend der junge Mann. „Es gibt nichts Entsetzlicheres als einen Bürgerkrieg, und da ich die Wahl hatte, zog ich diese Verhältnisse vor. Ob sie mir auch auf Dauer zusagen werden, ist eine andere Sache, über die ich mir aber noch nicht den Kopf zerbreche. Jetzt bin ich in Kalifornien, und mit den Wölfen - Sie kennen wohl das Sprichwort. Wohnen Sie hier im Hause?“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gold