Wann Sankt Gregor auf einem falben Hengst über die Brücke reitet

Wann Sankt Gregor auf einem falben Hengst über die Brücke reitet

Der „falbe Hengst“ ist hier der Reif, der sich um St. Gregori (12. März) auf die Felder legt, dem Korn und dem Weine feindlich. Auf diesen Reif nun warteten stets die Korn- und Weinwucherer; sie sagten: „Wir wollen Korn und Wein behalten, bis San Gregorius auf eim falwen Hengst über die Bruk wird reiten,“ und lachten, wenn Reif und Hagel übers Land kam. Den Vergleich mit dem „falben“ Hengst nahmen sie von der Farbe des Reifes. Dem Spruche liegt aber eine arge Verwechslung des heiligen Georg mit dem heiligen Gregor zu Grunde. Der h. Georg (von der Kirche gefeiert am 23. April, ein besonders von den Hausherren in Ehren gehaltener Heiliger) war ein Ritter er ist der bekannte Drachentöter, der immer hoch zu Rosse, gewöhnlich im Kampfe mit dem Drachen abgebildet wird. Also es sollte heißen: „Wann der h. Georg auf einem falben Hengst über die Brücke reitet“, was aber nicht zulässig ist, weil eben der 12. März, des h. Gregors Tag, wegen des gefährlichen Reifes ein Bauernlostag ist. Der h. Gregor (geb. um 540, gest. am 12. März 604) trat aber früh zu Rom als Mönch in ein Kloster, wurde 585 Abt und 589 römischer Bischof, was so viel ist als Papst. Gregor, oft Gregor der Große genannt, in der Kirche als der vierte Kirchenvater verehrt, wird als Verbesserer des Kirchengesanges — nach ihm führt der Gregorianische Gesang den Namen — angesehen; ihm zu Ehren namentlich in Sachsen von Schülern und Lehrern das Gregoriusfest gefeiert, mit welchem frommen Brauche die Sage, dass er in Folge seiner Abneigung gegen die alten Klassiker, die Palatinische Bibliothek habe verbrennen lassen, nicht gut in Einklang zu bringen ist. Um also auf unser Sprichwort zu kommen, der h. Gregor wird in demselben als auf falbem Hengste reitend vorgestellt — welche Metapher für den Reif denn doch nur auf der Tatsache, dass er überhaupt gewöhnlich zu Pferde gesessen, beruhen könnte. Nun aber saß nicht er, sondern nur der h. Georg als Ritter zu Pferde und die Ähnlichkeit der Namen mag zu sprichwörtlicher Verwirrung Anlaß gegeben haben. Überdies stört es, wenn der h. Georg statt des h. Gregor gesetzt, nicht im Geringsten den Sinn des Sprichwortes, denn der Reif am St. Georgstage, am 23. April, wo die Natur in Allem bei weitem vorgerückter, aber noch immer nicht so weit voraus ist, dass ihr der Reif nicht empfindlichen Schaden zufügen könnte, kann noch ein sehr bedenklicher Gast sein.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1