Sie hat einen Feiertag verkündet
Sie hat einen Feiertag verkündet
So sagte man von Mädchen oder Frauen, welche eine Blöße bis übers Knie gegeben. Man will die Erklärung von der hie und da üblichen Sitte ableiten, wonach Mädchen aus Aberglauben sich ganz entkleiden, um zu erfahren, was sie für einen Mann bekommen, und durch solche Handlungen im Voraus die Ankunft der Feiertage verkünden, wie schon Sebastian Gailer den Adam singen läßt:
„O hätt' ich nit in Apfel bissa
So wär' ich oh Makel und Sünda,
Und dürft koine Fritig verkünda!“
Dieser letzte Vers in Adams Gesang muß aufmerksam machen, dass es sich um etwas Peinliches, wie eine Strafe Auferlegtes handle, das entweder im Amte des Verkündens, oder in dem zu verkündenden Feiertage selbst liegt. Wo geht da der Faden? Ist Feiertag in der Bedeutung von Sonntag, oder eines Tages zu nehmen, an dem von der Arbeit gefeiert wird?
Wir folgten in der Erklärung der Redensart der Ansicht Eiseleins, doch scheinen uns die von ihm nahe gebrachten Beziehungen etwas weit auseinander zuliegen. Wenn wir hier über ein abergläubisches Spiel lächeln, so haben wir es dort, bei der Entblößung, mit dem verletzten Schamgefühle zu thun, und nimmt man diese Verletzung als eine bewusste, absichtliche an, so könnte ja vielleicht eher angenommen werden, dass die Betreffende einen Genuß in Aussicht stelle oder verkünde, der etwa wie ein Feiertag — die gewohnte Zeit zu Lust und Tollheit — anmuten soll.
Was die abergläubische Sitte des Sichentkleidens zu mysterieusen Zwecken betrifft, ist dieselbe weit verbreitet und kommt bei verschiedenen Nationen vor. Bei uns in Österreich gewöhnlich zu St. Thomas oder in der Sylvesternacht. Das Mädchen muß um Mitternacht im Finstern aufstehen, einen Schemel vor die Türe oder vor den Ofen stellen und sich im Hemde darauf setzen, worauf sie den künftigen Mann sehen wird.
Unsere an das Moment des Obszönen in jener Entblößung versuchsweise geknüpfte Erklärung wird durch ein sehr bekanntes Sprichwort unterstützt, das einen ähnlichen Vergleich macht. Wenn nämlich Jemand — namentlich Kinder und Frauen — so unglücklich ist, des Morgens im Bette in einer Stellung überrascht zu werden, für welche nur der schlafende Zustand eine Entschuldigung bieten kann, so sagt man scherzweise: „Es gehe die Sonne auf.“ Wenn nun für jeden dieser Sprüche allein der letzte Erklärungsgrund fehlt, so lassen sie sich vielleicht, einander gegenüber gehalten, beleuchten. Doch hier dürfen wir wohl mehr als irgendwo sagen: „Sapienti sat.“
Diese Nuditäten bringen uns ein eigentümliches französisches Sprichwort in Erinnerung, das in seiner ganzen Fassung lautet: „Ses promesses ressemblent à celles d'une mariée qui entrerait au lit en chemise.“ Die Entstehung dieser Redensart gründet sich auf die vor Alters beobachtete Sitte, ohne Hemd ins Bett zu gehen. Auf alten Malereien sieht man Leute, die im Bette liegend dargestellt werden, stets nackt. Die alten französischen Fabeldichter sagten darum von zwei Personen in einem Bette: „Coucher nu á nus.“ Darauf gründet sich auch das alte französische Gesetz, welches gegen eine verheiratete Frau und einen fremden Mann, wenn sie beide nackt in Einem Zimmer gefunden wurden, als gegen Ehebrecher auftritt.
Auch wurde derjenige streng bestraft, der ein Mädchen in einen Sack gesteckt (fait le sac), d. h. zum Scherz in sein Betttuch gehüllt hatte, weil dessen Ehre, da er es bei diesem Spiele mußte nackt gesehen haben, in höchster Gefahr gewesen ist. In dem alten Roman: „Gerard de Nevers“ (unter dem Titel: „Euryanthe von Savoyen“ ins Deutsche übertragen) kann eine Alte nicht genug sich verwundern, da sie ein junges Mädchen, dem sie beim Entkleiden hilft, mit dem Hemde ins Bett steigen sieht. Der Sinn jenes Sprichwortes ist also: Irgend ein Versprechen ist lächerlich, weil unglaublich und schwer zu halten, so wenig man sich eine junge Frau denken kann, die mit dem Hemde zu Bette ginge. *)
*) Gesellschafter von Gubitz 1823, Nr. 209, S. 1027
So sagte man von Mädchen oder Frauen, welche eine Blöße bis übers Knie gegeben. Man will die Erklärung von der hie und da üblichen Sitte ableiten, wonach Mädchen aus Aberglauben sich ganz entkleiden, um zu erfahren, was sie für einen Mann bekommen, und durch solche Handlungen im Voraus die Ankunft der Feiertage verkünden, wie schon Sebastian Gailer den Adam singen läßt:
„O hätt' ich nit in Apfel bissa
So wär' ich oh Makel und Sünda,
Und dürft koine Fritig verkünda!“
Dieser letzte Vers in Adams Gesang muß aufmerksam machen, dass es sich um etwas Peinliches, wie eine Strafe Auferlegtes handle, das entweder im Amte des Verkündens, oder in dem zu verkündenden Feiertage selbst liegt. Wo geht da der Faden? Ist Feiertag in der Bedeutung von Sonntag, oder eines Tages zu nehmen, an dem von der Arbeit gefeiert wird?
Wir folgten in der Erklärung der Redensart der Ansicht Eiseleins, doch scheinen uns die von ihm nahe gebrachten Beziehungen etwas weit auseinander zuliegen. Wenn wir hier über ein abergläubisches Spiel lächeln, so haben wir es dort, bei der Entblößung, mit dem verletzten Schamgefühle zu thun, und nimmt man diese Verletzung als eine bewusste, absichtliche an, so könnte ja vielleicht eher angenommen werden, dass die Betreffende einen Genuß in Aussicht stelle oder verkünde, der etwa wie ein Feiertag — die gewohnte Zeit zu Lust und Tollheit — anmuten soll.
Was die abergläubische Sitte des Sichentkleidens zu mysterieusen Zwecken betrifft, ist dieselbe weit verbreitet und kommt bei verschiedenen Nationen vor. Bei uns in Österreich gewöhnlich zu St. Thomas oder in der Sylvesternacht. Das Mädchen muß um Mitternacht im Finstern aufstehen, einen Schemel vor die Türe oder vor den Ofen stellen und sich im Hemde darauf setzen, worauf sie den künftigen Mann sehen wird.
Unsere an das Moment des Obszönen in jener Entblößung versuchsweise geknüpfte Erklärung wird durch ein sehr bekanntes Sprichwort unterstützt, das einen ähnlichen Vergleich macht. Wenn nämlich Jemand — namentlich Kinder und Frauen — so unglücklich ist, des Morgens im Bette in einer Stellung überrascht zu werden, für welche nur der schlafende Zustand eine Entschuldigung bieten kann, so sagt man scherzweise: „Es gehe die Sonne auf.“ Wenn nun für jeden dieser Sprüche allein der letzte Erklärungsgrund fehlt, so lassen sie sich vielleicht, einander gegenüber gehalten, beleuchten. Doch hier dürfen wir wohl mehr als irgendwo sagen: „Sapienti sat.“
Diese Nuditäten bringen uns ein eigentümliches französisches Sprichwort in Erinnerung, das in seiner ganzen Fassung lautet: „Ses promesses ressemblent à celles d'une mariée qui entrerait au lit en chemise.“ Die Entstehung dieser Redensart gründet sich auf die vor Alters beobachtete Sitte, ohne Hemd ins Bett zu gehen. Auf alten Malereien sieht man Leute, die im Bette liegend dargestellt werden, stets nackt. Die alten französischen Fabeldichter sagten darum von zwei Personen in einem Bette: „Coucher nu á nus.“ Darauf gründet sich auch das alte französische Gesetz, welches gegen eine verheiratete Frau und einen fremden Mann, wenn sie beide nackt in Einem Zimmer gefunden wurden, als gegen Ehebrecher auftritt.
Auch wurde derjenige streng bestraft, der ein Mädchen in einen Sack gesteckt (fait le sac), d. h. zum Scherz in sein Betttuch gehüllt hatte, weil dessen Ehre, da er es bei diesem Spiele mußte nackt gesehen haben, in höchster Gefahr gewesen ist. In dem alten Roman: „Gerard de Nevers“ (unter dem Titel: „Euryanthe von Savoyen“ ins Deutsche übertragen) kann eine Alte nicht genug sich verwundern, da sie ein junges Mädchen, dem sie beim Entkleiden hilft, mit dem Hemde ins Bett steigen sieht. Der Sinn jenes Sprichwortes ist also: Irgend ein Versprechen ist lächerlich, weil unglaublich und schwer zu halten, so wenig man sich eine junge Frau denken kann, die mit dem Hemde zu Bette ginge. *)
*) Gesellschafter von Gubitz 1823, Nr. 209, S. 1027
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1