Nadelgeld

Nadelgeld

Eine Auslage, welche auf das Budget der Männer den Frauen gegenüber kommt. Es ist jenes Geld, das wir unsern Frauen und Töchtern als monatlichen Beitrag zur Bestreitung kleiner nichthäuslicher Bedürfnisse, als unverrechenbares Cadeau, geben. Unsere Söhne kennen es unter dem Namen Taschengeld. Einige wollen die Nadel hier als Repräsentantin jener kleinen Bedürfnisse für die Frauen, namentlich für die Toilette, angesehen wissen, so wie uns dieses Instrument auch die Frauen selbst am trefflichsten charakterisiert.


Mehr gefällt uns die Hinweisung auf den geschichtlichen Ursprung dieses Wortes. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts sollen kostbare Nadeln als Neujahrgabe sehr beliebt gewesen sein. Da sie nun als Neujahrgabe den Charakter eines Geschenkes entschieden an sich trugen, so fand man bald Veranlassung, den Werth der Nadeln durch ein gleiches Geschenk an Geld zu ersetzen. Zuerst ward überhaupt nur bei den höhern Ständen das Nadelgeld Sitte und es erreichte je nach den Mitteln eine oft bedeutende Höhe.

Diese historische Deutung erleidet auch nicht durch den Umstand, dass das Nadelgeld, im Dialekt zum „Spenadelgeld“ (d. i. Stecknadelgeld) entstellt wird, einen Abbruch. Die aus diesem Dialektausdruck Spenadelgeld gewonnene Ansicht, dass, weil eine Spenadel ein Gegenstand von dem unbedeutendsten Werte sei, also auch das Nadelgeld nie Gegenstand eines ansehnlichen Geschenkes, oder die Veranlassung zu einer bedeutenden Geldgabe gewesen sein könne, ist eine ganz unhaltbare. Das Spenadelgeld, ob das Wort Spenadel nun von den mönchlateinischen spenala, oder, wie es Dr. Haymanns juridisches Lexikon will, von Spannadel (spannen, anziehen) entspringt, ist nur Dialektausdruck. Der Dialekt bedient sich kaum des Wortes Nadel, sondern eben nur des Spenadel, und so sagt auch, wo der Hochdeutsche Nadelgeld sagt, der Dialekt folgerichtig Spenadelgeld, und ist also eine Ableitung der Geringfügigkeit, Unbedeutendheit des Nadelgeldes aus obigem Dialektausdruck um so weniger zulässig, als ja eben der Dialekt diesen Ausdruck fertig vom Hochdeutschen überkommen und nur in seiner Weise entstellt oder, wenn man es so haben will, mundgerecht gemacht hat.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1