Mit Sankt Gertrud einen Wettlauf tun

Mit Samt Gertrud einen Wettlauf tun

so viel, als sein Geld durch Übervorteilung der Armen gewinnen. Diese Redensart ist in Leipzig üblich und der Volksmund erzählt naiv boshaft: „Der Vorsteher des Hospitals zu St. Gertrud in Leipzig, der, als er das Amt übernahm, nichts besaß, hatte zuletzt ein ansehnliches Vermögen. Da man über dessen Ursprung im Volke Verschiedenes munkelte, erzählte sein albernes Weib Folgendes: er habe einen großen Sack mit Geld auf den Altar gelegt, an dem der h. Gertrud Bild hing, und der Heiligen vorgeschlagen: dass der von ihnen beiden den Geldsack haben sollte, der im Laufe zuerst das Kirchtor erreiche. Die Heilige im Bilde habe dazu genickt. Der Wettlauf begann und der Spitalsdieb erreichte die Kirchtür eher, als die h. Gertrud, und behielt nun von Rechtswegen das Geld. Aber der Volksmund bleibt uns bei der pikanten Geschichte die Hauptsache schuldig. Woher hatte denn der Verwalter das im Sack befindliche Geld überhaupt genommen? Entweder, vermuten wir, direkt aus der Spitalskasse, oder er hatte es auf Umwegen, an der Pflege der Armen, am Notdürftigsten der Kranken, an deren Speise, Trank und kargen Genüssen, welche christliche Barmherzigkeit für sie gestiftet, gewissenlos erspart*)".


*)Joachim Christian Blums deutsches Sprichwörterbuch (Leipzig, 1780, Weygand, kl. 8°), erzählt in höchst drolliger Weise die Entstehung des Sprichwortes)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1