Meißner Kothurn

Der Meißner Kothurn

Der Spitzname Meißner Kothurn ist im bei Gelegenheit des Lärms über die Annahme des bekannten Interims in der Religion entstanden. Die meißner Theologen, von der Schule des Melanchton wollten dem erzürnten Kaiser etwas zu Gefallen tun und sich nachgiebig zeigen. Die weimarer Theologen aber, echte Rigoristen, verwarfen die Interimslehre ganz und entwarfen eine besondere Urkunde über ihr eigenes Glaubensbekenntnis, woran sie steif und fest halten zu wollen erklärten. Der Meißner Nachgiebigkeit aber, die sie für Doppelseitigkeit erklärten, nannten sie den Meißner Kothurn, anspielend auf die Eigentümlichkeit jener Tragödien-Schuhe oder vielmehr Schuhunterlagen, welche eben auf alle Füße passten, zum Unterschiede des eigentlichen Schuhwerkes, das eigentlich nach dem Fuße gerichtet ist. Somit steckt in dem Schimpfwort Meißner Kothurn der Begriff der Doppelseitigkeit, Doppelzüngigkeit. Cothurno versatilior sagten die Römer von einem doppelzüngigen Menschen, der es mit Allen halten will und daher nichts hält. Diese Erläuterung findet sich in der Geschichte der Landgrafschaft Thüringen vom J. 1685, und war in diesem Falle eine Ehrenrettung der Meißner, wie bei „Meißner sind Gleißner“ nicht leicht möglich. Immerhin mag diese Nachgiebigkeit der Meißner in Glaubenssachen ihnen mehr zur Ehre gereichen, als den Orthodoxen ihre unheilbringende Starrköpfigkeit, welche nur Zank und Hader stiftet und immer das Kind mit dem Bade verschüttet*).


*) *) Zeitung für die elegante Welt 1824, Nr. 128, Seite 1025.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1