Holderabbrech machen

Holderabbrech machen; wer das kann, ist ein kluger Mann

Holder ist hier der Holunder, ein bekanntlich eben nicht nutzbares Holz, faserig, weich und durch sein schwammiges Mark um allen Kern und alles Gefüge gebracht. Abbrechen hießen früher gespaltene Hölzchen, mit denen man den aufgeschossenen Docht am Lichte, in der Absicht ihn abzuzwicken, packte und so das Licht, wie man sagt, „putzte“. Es läßt sich denken, dass es nicht leicht, oder ganz unmöglich, wenigstens unpraktisch sein mußte, aus einem Holze von der Art wie Holunder (Holder) ein solches Instrument zu schnitzen. Wer nun gleichwohl das vermochte oder überhaupt etwas Schwieriges zu Stande brachte, von dem ging der Spruch:


„Der ist gar ein wiser Mann“
„So Holderabbrech machen kann“


Eiselein sagt über dieses Wort: „Es ist doppelsinnig, und gibt zu erkennen, dass ein Mann, der sich vom Liebsten, was er hat oder wünscht, mit guter Art losmachen könne; oder dass ein Mann, der einen Bruch der Liebe, eines gegebenen Versprechens, (da ist also Abbrechen in seinem eigentlichen Sinne genommen?), wenn er unvermeidlich ist, auf eine milde Art zu bewirken verstehe, eben so weise sei, als kunstreich im ironischen Sinne derjenige ist, der aus Holunder Abbrechen d. i. Lichtputzen . . .machen kann“.

Warum in ironischem Sinne? Wie ist's dann mit dem "Holdermännchen“, das man Einem nachsagt, der „geputzt, geleckt und wie aus dem Ei geschält, aber ohne Saft und Kraft ist, um auf eigenen Füßen zu stehen?“ Haben wir hierin nicht das sonst unbrauchbare Holunderholz und die Schwierigkeit vor uns, aus diesem Holze auch nur eine „Lichtputz“ zu schnitzen?

Wenn nun auch die Liebste ehedem ihren Geliebten mit „mein Holderstock“ begrüßte, so überlassen wir es jedem Manne, sich in die Situation eines solchen „Stocks“ zu versetzen und darüber nachzudenken, ob er fort und fort ein „Holder“ dieser Geliebten oder ein „wiser Mann“ sein will.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1