Es weiß Niemand, wo mich der Schuh drückt

Es weiß Niemand, wo mich der Schuh drückt

Mancher Gymnasiast dürfte den Ursprung dieser Redensart kennen. Aber da dieses Buch eben nicht allein in die Hände von Gymnasiasten kommen mag, so wird seine Erklärung nicht überflüssig sein. Der römische Senator Paulus Aemilius hatte lange mit seiner Gattin Pappria gelebt, die ihm einen Sohn, den später so berühmt gewordenen Scipio Aemilianus, gegeben, und endlich trennte er sich von ihr. Seine Freunde versuchten ihn davon abzubringen; er blieb aber fest bei seinem Vorsatze, streckte statt aller Antwort seinen Fuß aus und sagte: „Ist dieser Schuh nicht neu? Ist er nicht schön? Und doch weiß Niemand, wo er mich drückt.“


Wenn wir die Pointe dieser Geschichte betrachten, so sehen wir klar, dass man das eigentliche Sprichwort, wie es im Schwange ist, in die obige Form verballhorniert hat. Das Sprichwort lautet genau: „Jeder weiß, wo ihn der Schuh drückt“; natürlich weiß das Jeder am besten selbst, und das wollte der Senator auch sagen. Ist denn das Logik: „Der Schuh ist neu, ist schön, und doch weiß Niemand, wo mich der Schuh drückt! Nein! Der Schuh ist ganz gerecht, soll es heißen, und doch drückt er mich; das weiß aber nur ich allein! natürlich, weil ich ihn trage."

Der Engländer sagt: „A man know himself best, where his sore lies.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1