Eine Strohrede halten

Eine Strohrede halten

Dies war eine zu Freiburg im Breisgau — uns bereits aus der Redensart: „Dies hat er zu Freiburg im faulen Pelz erlernt,“ bekannt — in früheren Zeiten bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts übliche Hochzeit-Sitte. Als Strohredner ward in der Regel ein Bekannter gewählt, von dem vorauszusehen war, dass er sich der Feier des Tages und der Heiterkeit seiner Aufgabe würdig benehmen werde. Die Rede ward am Hochzeitstage selbst, und zwar während der Tafel nach der Einsegnung gehalten, und man ging in folgender Ordnung aus der Kirche: zuerst Spielleute mit Musik, dann der Strohredner, allein, im schwarzen Mantel, einen mit Stroh umwickelten, doch nicht brennenden Holzspan in der Rechten; nach ihm paarweise die sechs nächsten Verwandten der Braut in roten Mänteln, brennende Wachsfackeln, mit Blumenkränzen verziert, in der Hand; sodann die Braut, ihr zur Rechten die Brautmutter oder deren Stellvertreterin, zur Linken eine angesehene ältere Frau, die Ehrenwächterin genannt, — endlich der Bräutigam den grünen jungfräulichen Kranz tragend, ebenfalls allein, wie der Strohredner. Im Saale nahm die Braut die oberste Stelle eines langen Tisches, rechts von ihr der Strohredner, links Brautmutter und Ehrenwächterin, zu beiden Seiten nach dem Grade die sechs Verwandten, hinter dem einfachen Schemel der Braut der Bräutigam ein. Nach gebotener Stille entzündete der nächste Verwandte den Span des Strohredners, der nun seine Rede begann. Mit dem Erlöschen des Spanes mußte selbe schließen — ein leichter Überzug des Spanes mit Wachs gab der Flamme längere Nahrung — die längste dem Redner vergönnte Frist. Nach gesprochener Rede trat der Strohredner vor die Braut mit der Erlaubnis, dieselbe zu umarmen, legte der Erste seine Festgabe auf den Tisch und trat dann links hinter den Bräutigam. Nach ihm kamen die Fackelträger, berechtigt zum Kusse der Hand, sowie auch einzeln jeder der Anwesenden. Es war aber unerläßlich für Jeden, eine, wenn auch noch so geringe Gabe zu bieten; wer es unterließ, fügte eine Beleidigung zu. Die Gaben blieben drei Tage zur Beschauung ausgestellt.




Die letzte solche Strohrede ward, nach urkundlicher Bestätigung, am 13. Sept. 1769 bei der Hochzeit adeliger Brautleute gehalten *).

*) Donau-Zeitung (Wien, Folio) 1860, Nr. 162
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1