Die Nürnberger hängen Keinen, sie hätten ihn denn zuvor

Die Nürnberger hängen Keinen, sie hätten ihn denn zuvor!

Es soll damit ohne Zweifel ein lächerliches Gebrechen der Justiz der Nürnberger, wonach es ihnen nicht zu oft gelingen mochte, mit Erfolg auf einen Verbrecher zu fahnden, hervorgehoben und bespöttelt werden. Nach einer köstlichen Geschichte, die man sich darüber erzählt, nimmt der darinliegende Spott größere Dimensionen an und vergreift sich selbst an dem weiland hochlöblichen Reichskammergerichte. Das Geschichtchen wäre demnach Folgendes.


An einem schönen Morgen wurde aus den Toren Nürnbergs unter zahlreicher Begleitung des Volkes ein Dieb herausgeführt, um gehenkt zu werden. Dem Henker riß aber der Strick, der Delinquent fiel herab, heil und gesund, das Volk widersetzte sich der Widerholung der Exekution. Der Rat aber wollte es doch nicht so ganz auf sich beruhen lassen und berichtete an das Reichskammergericht. Als von diesem der Bescheid zurücklangte, war so viele Zeit inzwischen verstrichen, dass der damalige Bürgermeister und gesamte Rat von der Sache gar nichts wußte und der zu henkende Verbrecher bereits 20 Jahre tot war. Wenn sich die Sache so verhält, so wäre die Ehre der Nürnberger gerettet, wie das Gewissen ihrer damaligen Ratsherren, welche es lieber zuließen, dass zehn entspringen, als dass sie einen Unschuldigen hingen. Aber das Reichskammergericht, dem wir schon in den „historischen Wörtern“ (S. 208, Nr. 199) eine zarte Erinnerung gewidmet, kommt wieder schlecht weg. Gottlob, dass es selig im Herrn entschlafen ist, obgleich sich die Prozeduren solcher Schnelligkeit auch bei andern Gerichten wiederholen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1