Deutsch — Deutschland — Deutscher Michel
Deutsch — Deutschland — Der deutsche Michel.
Der Streit über Ursprung und Rechtschreibung dieses Wortes ward einst heftig geführt, und das Resultat desselben ist: dass die Ober- und auch viele Niederdeutschen ihr Teutsch und Teutschland gegen diejenigen hartnäckig verteidigen, welche Deutsch und Deutschland sprechen und schreiben, und dass man in unzähligen Handbüchern bald die eine bald die andere Schreibart findet. Deutsche Einigkeit!
Wenn die Ableitung der Wörter: Deutsch, Deutschland oder Teutsch Teutschland, von Theut, Theut, Thuisko, oder dem gleichbedeutenden Dis, richtig ist, so ist ebenso die Schreibart mit dem T, wie die mit dem D gerechtfertigt. Doch haben die Begriffe Deutsch und Deutschland einen anderen Ursprung, als den oben angegebenen. Alle diese Wortbegriffe stammen von dem deutschen Worte Dude oder dem entsprechenden Deuten her.
In einem der ältesten deutschen Dichter findet sich hierüber das Folgende:
Dude heit de Spraake die wie spreken,
Darom zall een Dudischer het Dudisch niet ontbreken;
d.h.: Deutsch heißt die Sprache, die wir sprechen,
Darum soll sich der Deutsche des Deutschen nicht entbrechen.
Überdies sind „deutsch“ und „deutlich“ in einer Hinsicht synonyme Ausdrücke, denn man sagt ja sprichwörtlich: „sprich deutsch“, was soviel sagen will, als „sprich deutlich“.
Auch Shakespeare sagt an einer Stelle seiner Dramen: speak german! sprich deutsch, und will damit sagen: sprich deutlich.
Die Deutschen der verschiedensten Volksstämme nannten sich trotz dieser Verschiedenheit der Abstammung unter sich die Deutsamen, die Deutschen, gleichsam die Dutzbrüder.
Die richtige Schreibart dieser zwei und aller davon abgeleiteten Worte ist Deutsch, Deutscher, Deutschland.
Woher entsprang aber das T der Oberdeutschen?
Aus der verdorbenen Aussprache des D, das man wie T lauten ließ, wie der Oberdeutsche ebenso auch das B wie P ausspricht.
Selbst im italienischen tedesco, wo ts anstatt the den Artikel bildet, ist in desoo das D wieder zu finden; denn die in Italien eingewanderten Langobarden nannten sich the dösken, woraus der Italiener sein tedesco bildete.
Die Wurzel wäre also jedenfalls Deut; und wirklich findet sich diese in den verschiedensten, zu deutschen Namen entwickelten Formen unserer Sprache, als: Diet, Düid, Düd, Thiud, Thiod, Thioda, Dheod, Theud, Theod u. Man sehe nur die Namen: Dietrich, Dietbert, Ditmar, Theodor u. s. w. Diet kommt in der Einzahl sogar für einen Einzelnen sogenannten „Mann von Stande“ vor. In Hunds Auszügen heißt es:
„Und da so mancher stolze Diet
Zu Hof dem König Engel riet.“ —
Wir haben es aber noch mit einem als Schimpf gebrauchten Ausdrucke zu tun, nämlich mit Dötsch, offenbar nichts anderes als Deutsch, das zur Bezeichnung eines stockdummen Menschen hergenommen wird. Zur Rechtfertigung der Deutschen gegen den Verdacht, als beschimpften sie sich selber, nehmen wir gerne die Erklärung an, dass die Dötschen nach alter Benennung die „Holländer“ sind, wie sie noch in England dutch heißen, und das „de dötsche Kerl“ nur eine derbe Entgegnung auf das holländische duysche muff sei, soviel als der „dumme Holländer“, wie man sich den ausgearteten Sachsen ehedem gerne vorstellte. —
Endlich haben wir hier noch zu bemerken, dass neben seinem sprachlichen Werte das Wort Deutsch auch in kulturgeschichtlichem Sinne den Begriff des Geraden, Rechtlichen, Derben in ursprünglicher Sitte und Tüchtigkeit gebe, wie z. B. in Schillers „Fiesco“: „Was gibt's?“ — „Deutsche Hiebe!“ diese Geltung dichterisch zum Ausdrucke gebracht wird *).
Von Deutschland zum deutschen Michel ist doch wohl kein logischer Sprung. Wir wollen also vom deutschen Michel sprechen, und machen, da wir uns dessen unterfangen, ihm offenbar ein Kompliment; denn wir müssen wohl annehmen, dass er nicht mehr „schläft“; glaubten wir dieß, so konnten wir ja in aller Stille an ihm vorüberschleichen und ihn schlafen lassen. Wir erzählen ihm auch eine schone Geschichte von einem braven Ahnherrn, welcher der erste Michel gewesen sein soll, was ihn bass freuen dürfte, wenn sie nur wahr wäre; aber:
„Aus is's und gar is's,
Nur Schad' dass 's nit wahr is.“
Es heißt nämlich und wurde erst in jüngster Zeit von mehreren Journalen kolportiert, der erste deutsche Michel wäre der Generallieutenant Johann Michel Obentraut, ein Deutscher, gewesen, der in den Jahren 1620—1622 in königl. dänischen Diensten stand und sich den Spaniern, gegen die er kriegte, furchtbar machte. So oft diese einen Schlag von ihm erhalten hatten, pflegten sie zu sagen: das hat uns wieder der verdammte „deutsche Michel“ getan.
Das wäre, wie gesagt, recht schön, wenn es sich nur so verhielte. Aber es findet sich da ein alter deutscher Spruch, der bei 400 Jahre älter ist, als Obentraut gelebt haben soll, und dieser sagt ganz deutlich:
„Das diutschiu Volk ist mihhil giheißan.“ Mihhil im Althochdeutschen, michel im Mittelhochdeutschen bedeutete aber so viel als groß, und es dürfte daher mit dem deutschen Michel so viel als unbeholfener, klotziger Deutscher, deutscher Großhans, das ganze schwerleibige deutsche Volk gemeint und gesagt sein. Dabei ist es immerhin möglich, dass er sich in unvordenklicher Zeit einmal ganz entsetzlich blamiert habe. Erzählt man doch von dem deutschen Michel— und eben nur von ihm und nicht von John Bull und Yankee, nicht von Jan Hagel und Uncle Sam — leider nur vom deutschen Michel folgende betrübende Geschichte. Michels Mutter habe Micheln um Pfeffer und Salz geschickt und ihm dazu einen Teller mitgegeben mit der Weisung, diese Artikel ja nicht untereinander zu mengen (die Mutter muß ihren Sohn gekannt haben), sondern abteilend den Pfeffer auf die eine, das Salz auf die andere Seite des Tellers zu legen. Sie meinte nämlich auf der einen Hälfte der oberen Tellerfläche das Salz, auf der andern den Pfeffer.
Michel merkte sich das. Als er vom Kaufmann den Pfeffer erhalten hatte, legte er ihn auf die eine, obere Fläche des Tellers. Als er das Salz empfangen, wendete er den Teller um und legte es auf die entgegengesetzte, untere Seite des Tellers. Natürlich blieb der Pfeffer beim Kaufmann auf der Erde liegen. Heimgekommen zeigte er der Mutter das Salz auf der Rückseite des Tellers. Als ihn diese fragte, wo er den Pfeffer habe, wendete er schnell den Teller um, indem er sagte: „Nun da, auf der andern Seite, wie die Frau Mutter gesagt!“ Somit lag auch das Salz auf dem Boden.
Von einem andern Michel erzählt man, dass er — und der war offenbar Nationalökonom — die Beinkleider seines Großvaters sich so zurechtgelegt habe, dass er daraus Hosen, Jacke und Bündel erhielt. Er schloff nämlich bei den Hosensäcken mit den Armen heraus, wodurch er die passende Länge, den Bauch als Jacke und das obere Ende der Hose als Kravatte erhielt.
Sind das nicht wahre Großtaten unseres Michels? Wir fürchten nur, dass der Michel mit dem Pfeffer und Salze noch immer herumgeistert, da draußen in X und in D, und dass er uns eines Tages das eine wie das andere verschütten wird.
Auch Eiselein stellt entschieden in Abrede, dass dieser Spitzname von einer Person oder Begebenheit herrühre. Es ist eben das, was Jan Hagel, John Bull, Frogeaters, Yankees, Jean Foutre usw. sind, und dürfte das mittelhochdeutsche michel oder groß (althochdeutsch mihhil) sein, soviel als: plumper Deutscher, deutscher Großhans, Schlafhaube, schwerfälliger Mensch, der, wo er niederfällt, ein Loch in die Erde schlägt. **)
*) Danziger (Zeitschrift) 1834, Nr. 110 bis 116: Etymologische Skizze von Dr. Schmitz.— Der Gesellschafter von Gubitz (Berlin 4°) 1842, Nr. 182, S. 894. — Hamburger literarische und kritische Blätter 1846, Nr. 4, S. 34.
**) Zeitung aus der Vorwelt, I. Jahrgang, 1. Quartal, S. 101. — Jurendes vaterländische Pilger 1825, S. 282; 1843, S. 188. — Lesefrüchte von Dr. J. J. Pappe (Hamburg, 8°) 1824, Band II. S. 416. — Frankfurter Conversationsblatt 1859, Nr. 207.
Der Streit über Ursprung und Rechtschreibung dieses Wortes ward einst heftig geführt, und das Resultat desselben ist: dass die Ober- und auch viele Niederdeutschen ihr Teutsch und Teutschland gegen diejenigen hartnäckig verteidigen, welche Deutsch und Deutschland sprechen und schreiben, und dass man in unzähligen Handbüchern bald die eine bald die andere Schreibart findet. Deutsche Einigkeit!
Wenn die Ableitung der Wörter: Deutsch, Deutschland oder Teutsch Teutschland, von Theut, Theut, Thuisko, oder dem gleichbedeutenden Dis, richtig ist, so ist ebenso die Schreibart mit dem T, wie die mit dem D gerechtfertigt. Doch haben die Begriffe Deutsch und Deutschland einen anderen Ursprung, als den oben angegebenen. Alle diese Wortbegriffe stammen von dem deutschen Worte Dude oder dem entsprechenden Deuten her.
In einem der ältesten deutschen Dichter findet sich hierüber das Folgende:
Dude heit de Spraake die wie spreken,
Darom zall een Dudischer het Dudisch niet ontbreken;
d.h.: Deutsch heißt die Sprache, die wir sprechen,
Darum soll sich der Deutsche des Deutschen nicht entbrechen.
Überdies sind „deutsch“ und „deutlich“ in einer Hinsicht synonyme Ausdrücke, denn man sagt ja sprichwörtlich: „sprich deutsch“, was soviel sagen will, als „sprich deutlich“.
Auch Shakespeare sagt an einer Stelle seiner Dramen: speak german! sprich deutsch, und will damit sagen: sprich deutlich.
Die Deutschen der verschiedensten Volksstämme nannten sich trotz dieser Verschiedenheit der Abstammung unter sich die Deutsamen, die Deutschen, gleichsam die Dutzbrüder.
Die richtige Schreibart dieser zwei und aller davon abgeleiteten Worte ist Deutsch, Deutscher, Deutschland.
Woher entsprang aber das T der Oberdeutschen?
Aus der verdorbenen Aussprache des D, das man wie T lauten ließ, wie der Oberdeutsche ebenso auch das B wie P ausspricht.
Selbst im italienischen tedesco, wo ts anstatt the den Artikel bildet, ist in desoo das D wieder zu finden; denn die in Italien eingewanderten Langobarden nannten sich the dösken, woraus der Italiener sein tedesco bildete.
Die Wurzel wäre also jedenfalls Deut; und wirklich findet sich diese in den verschiedensten, zu deutschen Namen entwickelten Formen unserer Sprache, als: Diet, Düid, Düd, Thiud, Thiod, Thioda, Dheod, Theud, Theod u. Man sehe nur die Namen: Dietrich, Dietbert, Ditmar, Theodor u. s. w. Diet kommt in der Einzahl sogar für einen Einzelnen sogenannten „Mann von Stande“ vor. In Hunds Auszügen heißt es:
„Und da so mancher stolze Diet
Zu Hof dem König Engel riet.“ —
Wir haben es aber noch mit einem als Schimpf gebrauchten Ausdrucke zu tun, nämlich mit Dötsch, offenbar nichts anderes als Deutsch, das zur Bezeichnung eines stockdummen Menschen hergenommen wird. Zur Rechtfertigung der Deutschen gegen den Verdacht, als beschimpften sie sich selber, nehmen wir gerne die Erklärung an, dass die Dötschen nach alter Benennung die „Holländer“ sind, wie sie noch in England dutch heißen, und das „de dötsche Kerl“ nur eine derbe Entgegnung auf das holländische duysche muff sei, soviel als der „dumme Holländer“, wie man sich den ausgearteten Sachsen ehedem gerne vorstellte. —
Endlich haben wir hier noch zu bemerken, dass neben seinem sprachlichen Werte das Wort Deutsch auch in kulturgeschichtlichem Sinne den Begriff des Geraden, Rechtlichen, Derben in ursprünglicher Sitte und Tüchtigkeit gebe, wie z. B. in Schillers „Fiesco“: „Was gibt's?“ — „Deutsche Hiebe!“ diese Geltung dichterisch zum Ausdrucke gebracht wird *).
Von Deutschland zum deutschen Michel ist doch wohl kein logischer Sprung. Wir wollen also vom deutschen Michel sprechen, und machen, da wir uns dessen unterfangen, ihm offenbar ein Kompliment; denn wir müssen wohl annehmen, dass er nicht mehr „schläft“; glaubten wir dieß, so konnten wir ja in aller Stille an ihm vorüberschleichen und ihn schlafen lassen. Wir erzählen ihm auch eine schone Geschichte von einem braven Ahnherrn, welcher der erste Michel gewesen sein soll, was ihn bass freuen dürfte, wenn sie nur wahr wäre; aber:
„Aus is's und gar is's,
Nur Schad' dass 's nit wahr is.“
Es heißt nämlich und wurde erst in jüngster Zeit von mehreren Journalen kolportiert, der erste deutsche Michel wäre der Generallieutenant Johann Michel Obentraut, ein Deutscher, gewesen, der in den Jahren 1620—1622 in königl. dänischen Diensten stand und sich den Spaniern, gegen die er kriegte, furchtbar machte. So oft diese einen Schlag von ihm erhalten hatten, pflegten sie zu sagen: das hat uns wieder der verdammte „deutsche Michel“ getan.
Das wäre, wie gesagt, recht schön, wenn es sich nur so verhielte. Aber es findet sich da ein alter deutscher Spruch, der bei 400 Jahre älter ist, als Obentraut gelebt haben soll, und dieser sagt ganz deutlich:
„Das diutschiu Volk ist mihhil giheißan.“ Mihhil im Althochdeutschen, michel im Mittelhochdeutschen bedeutete aber so viel als groß, und es dürfte daher mit dem deutschen Michel so viel als unbeholfener, klotziger Deutscher, deutscher Großhans, das ganze schwerleibige deutsche Volk gemeint und gesagt sein. Dabei ist es immerhin möglich, dass er sich in unvordenklicher Zeit einmal ganz entsetzlich blamiert habe. Erzählt man doch von dem deutschen Michel— und eben nur von ihm und nicht von John Bull und Yankee, nicht von Jan Hagel und Uncle Sam — leider nur vom deutschen Michel folgende betrübende Geschichte. Michels Mutter habe Micheln um Pfeffer und Salz geschickt und ihm dazu einen Teller mitgegeben mit der Weisung, diese Artikel ja nicht untereinander zu mengen (die Mutter muß ihren Sohn gekannt haben), sondern abteilend den Pfeffer auf die eine, das Salz auf die andere Seite des Tellers zu legen. Sie meinte nämlich auf der einen Hälfte der oberen Tellerfläche das Salz, auf der andern den Pfeffer.
Michel merkte sich das. Als er vom Kaufmann den Pfeffer erhalten hatte, legte er ihn auf die eine, obere Fläche des Tellers. Als er das Salz empfangen, wendete er den Teller um und legte es auf die entgegengesetzte, untere Seite des Tellers. Natürlich blieb der Pfeffer beim Kaufmann auf der Erde liegen. Heimgekommen zeigte er der Mutter das Salz auf der Rückseite des Tellers. Als ihn diese fragte, wo er den Pfeffer habe, wendete er schnell den Teller um, indem er sagte: „Nun da, auf der andern Seite, wie die Frau Mutter gesagt!“ Somit lag auch das Salz auf dem Boden.
Von einem andern Michel erzählt man, dass er — und der war offenbar Nationalökonom — die Beinkleider seines Großvaters sich so zurechtgelegt habe, dass er daraus Hosen, Jacke und Bündel erhielt. Er schloff nämlich bei den Hosensäcken mit den Armen heraus, wodurch er die passende Länge, den Bauch als Jacke und das obere Ende der Hose als Kravatte erhielt.
Sind das nicht wahre Großtaten unseres Michels? Wir fürchten nur, dass der Michel mit dem Pfeffer und Salze noch immer herumgeistert, da draußen in X und in D, und dass er uns eines Tages das eine wie das andere verschütten wird.
Auch Eiselein stellt entschieden in Abrede, dass dieser Spitzname von einer Person oder Begebenheit herrühre. Es ist eben das, was Jan Hagel, John Bull, Frogeaters, Yankees, Jean Foutre usw. sind, und dürfte das mittelhochdeutsche michel oder groß (althochdeutsch mihhil) sein, soviel als: plumper Deutscher, deutscher Großhans, Schlafhaube, schwerfälliger Mensch, der, wo er niederfällt, ein Loch in die Erde schlägt. **)
*) Danziger (Zeitschrift) 1834, Nr. 110 bis 116: Etymologische Skizze von Dr. Schmitz.— Der Gesellschafter von Gubitz (Berlin 4°) 1842, Nr. 182, S. 894. — Hamburger literarische und kritische Blätter 1846, Nr. 4, S. 34.
**) Zeitung aus der Vorwelt, I. Jahrgang, 1. Quartal, S. 101. — Jurendes vaterländische Pilger 1825, S. 282; 1843, S. 188. — Lesefrüchte von Dr. J. J. Pappe (Hamburg, 8°) 1824, Band II. S. 416. — Frankfurter Conversationsblatt 1859, Nr. 207.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1