Den Rosenkranz des Herrn Montmorency beten

Den Rosenkranz des Herrn von Montmorency beten

Gott behüt uns davor, setzt der französische Bauer hinzu. Wir werden weiter unten hören, warum?


Der katholische Rosenkranz, ein Surrogat des Gebetbuches, auch sehr oft „Paternoster“, von den Anfangsworten des dabei gesprochenen Vaterunsers, im gewöhnlichen Leben auch einfach „Beten“ genannt, jetzt nur mehr ein Gedächtnismittel für ältere und auf einer niedrigen Stufe der Intelligenz stehende Leute, war früher viel allgemeiner verbreitet und auch in den Händen der „großen Welt“. Seinen Namen hat er daher, weil man ursprünglich wirkliche Rosen dazu verwendete, und, nachdem man diese durch Korallen, Bernstein, Horn, selbst Holz ersetzt hatte, fortfuhr, ihn so zu bezeichnen. Fast ein Bedürfnis war er zur Zeit vor Erfindung der Buchdruckerkunst, da die geschriebenen Gebetbücher noch selten und teuer und die Kirchengebete und Bibeltexte nur in lateinischer Sprache üblich waren. Die Protestanten waren die Ersten, welche Gebete in der Landessprache hatten. Dem entgegen fuhren die Katholiken, um sich nicht verdächtig zu machen, fort, ihren Rosenkranz zu benutzen, der zur Zeit der Verfolgungen als Beweis des katholischen Glaubens und als Schutz diente. An Katharina von Medicis Hofe trugen die Damen, die andächtig und weltlich zugleich sein wollten, parfümierte Rosenkränze; man sagte daher von ihnen: sie wollten schon hier in den „Geruch der Heiligkeit“ kommen. Ein schönes Gebetbuch und ein kostbarer Rosenkranz waren lange die Aussteuer einer wohlhabenden Braut.

Es gibt auch historische Rosenkränze, wie z.B. der Rosenkranz des Herrn v. Montmorency, Connetable von Frankreich, der sich noch heut im Sprichwort erhalten hat, indem es in Frankreich heißt: il faut se garder des paternostres de M. Connestable, und die Paternoster der Bauern eines Dorfes in Württemberg, dessen Namen zu erfahren uns aber leider nicht möglich gewesen. Was den Rosenkranz des Herrn von Montmorency betrifft, so hat es damit folgendes Bewandtnis: Der edle Connetable war ein sehr gottesfürchtiger Mann, täglich betete er eine ansehnliche Zahl Rosenkränze und immer, wenn er zu Felde zog und bei allen Anlässen war der Rosenkranz zur Hand. So zum Beispiel, wenn es im Lande Unruhen gab und er zu Rosse stieg, um sich von der Sachlage zu überzeugen, so rief er: „Da nehmt den und henkt ihn auf! dort auf jenen Baum!“ — „Die Schelme drüben, welche die Glocke zum Aufruhr gegen den König gezogen, haut sie in Stücke!“ — „Das Dorf zündet an!“ usw. und während er solche Richtersprüche tat, Polizeimaßregeln ergriff, ließ er die Kügelchen seines Paternosters, den er immer in den Händen hatte, niedergleiten, denn seine humanen Akte der Verwaltung begleitete er ununterbrochen mit Gebeten, die nur für Augenblicke von seinen Anordnungen obbemeldeter Art unterbrochen wurden.

Über die Rosenkränze der Württemberger Bauern verdanken wir dem alten Hämmerlein Näheres. Dieser erzählt uns nämlich, wie vor hundert und auch mehr Jahren die Bauern auf die Kirchweihe ebenso zu gehen pflegten, als zögen sie in den Krieg, mit Spießen, Lanzen und anderem Mordgewehr. Wie jetzt noch, so ging es auch damals auf den Kirmessen lustig zu. Jeder brachte den vollen Säckel und sorgte fleißig, dass er leer wurde. Hatten die Bauern tüchtig gezecht und drehte sich schon um sie die Welt herum, dann fehlte es nie an Zank und Hader, flugs gings an die Spieße und Lanzen, und den nächsten Morgen fand man neben gebrochenen Kannen auch gebrochene Schädel und Hiebe im Kopfe, woher auch die Redensart stammt „einen Hieb haben“. Dem Fürsten ward Kunde von diesen Schlachten in den Schänken, und in seiner Fürsorge erließ er den Befehl: „dass Niemand auf Kirmessen und ähnlichen Zusammenkünften mit einer Waffe erscheinen dürfe. Nur, so ein Bauer über Feld ging, sei es ihm gestattet, gegen Räuber, Wölfe, böse Hunde und anderes reißendes Wild ein Gewehr zu führen.“

Das verdarb den Bauern ihre Hetze und unmutig fügten sie sich solchem Geheiß. Es ließ sie nicht ruhen, sie sannen und sannen, wie sie solch ein Gebot umgehen könnten, und bald hatte es Einer, der alle andern im Schlechten übertraf, ersonnen. Sie ließen sich große Paternoster mit gewaltigen lotschweren Körnern und eisernen Ringen anfertigen, zogen durch selbe starke Seile und hingen sie sich wie fromme Wallfahrer um den Hals. Und so geschah es denn, dass ohngeachtet die widerhaarigen Schelme ohne Wehr auf den Kirmessen erschienen, sie nun mit ihren Paternostern mehr Hirnschalen und Augen ausschlugen, als je vorher mit Lanzen, Spießen und anderer Wehr.

Nicht in der Form der Waffe, in der Hand,
Die jede Waffe schwingt, ruht das Verderben;
Gesetze, die der Geist besorgt erfand,
Vermögen für die Tugend nicht zu werben,
Und soll nicht des Gesetzes Wirkung scheitern,
Dann heißt es, Herz und Sinn vor Allem läutern.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1