Busserl

Busserl

Von dem zärtlichen Liebeswort Augapfel dürfte der Weg zum „Busserl“ kaum weiter sein, als jener von A zum B im Alphabet. Das Busserl ist kein hochdeutsches Wort, ist aber, wenn es Liebe gibt und nimmt, nichts desto weniger ein Hochgenuss. Die Sprachforscher nennen— ungerecht genug — das Busserl sogar (Pusserl) „ein pöbelhaftes Wort für küssen“. Wir glauben das ganze schöne Geschlecht und auch das nicht schöne auf unsere Seite zu bekommen, wenn wir gegen die Pöbelhaftigkeit des Wortes Busserl ein Veto erheben. Busserl ist entschieden lateinischen Ursprungs. Basium hieß bei den Römern, neben osculum und suavium, der Kuss. Daraus das lateinische basiare, das italienische basiare, das französische baiser, das persische buss, das schwedische puss. Wo eigentümliche Anschauung und nationale Sitte an der Wortbildung teilgenommen, da freilich verwischte sich die Bedeutung der Wurzel, und wir hören, wie die Osnabrücker das Küssen „piepen“; die Schweizer hie und da „schmuzeln“; die Hannoveraner „schnütjen“, von Schnute, Schnauze nennen; wir hören auch noch das Busserl zum Schmatz, Mäulchen degradiert.


Ein Anklang an das andere lateinische suavium scheint sich in der Bezeichnung gewisser Backwerke in den Zuckerbäckereien als Mandelbusserl, Eisbusserl u. d. m. und auch in jener eines Lebkuchenartikels, der sogenannten „Busserln“, kleiner runder süßer Scheiben (in Österreich) erhalten zu haben. Überdies ist die Bezeichnung dieser Süßigkeiten mit Busserl leicht erklärt. Diese gezuckerten Näschereien sind mehr — wie das Busserl der Liebenden — ein Spielwerk des Mundes, als eine Nahrung des Magens; oder weil den Genuß von derlei Süßigkeiten ein ähnliches Geschmatze der Lippen begleitet, wie beim „Busserl“, so hat ihnen der Volkswitz diesen Glimpf angetan und sie „Busserl“ genannt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1