Augapfel

Augapfel

Bevor wir zur Hochzeit, den Flitterwochen und hochzeitlichen Gebräuchen kommen und dann einiges damit Verwandte erörtern, wollen wir den Reigen des Glimpfs und Schimpfs auf die Frauen und die Liebe mit einigen Zärtlichkeiten und Schelmereien der Liebe eröffnen. Eines der schönsten Liebesworte ist wohl der Augapfel.


Wie soll ich dich Mädchen nennen,
Mit einem Worte recht zart?
Mein Augapfel? Ja du bist auch
Solch' Kleinod köstlichster Art.


Woher mag wohl dieses Liebeswort stammen? Wie mag es entstanden sein? Wie oft hört man: „Dieses Kind ist mein Augapfel, es ist mir wert“. Man muß es wie einen Augapfel hüten, wert halten; ja das lateinische „justitiae oculus“, womit man einen unbestechlichen Richter ehrt, hat man zu deutsch mit dem „Augapfel der Gerechtigkeit“ übersetzt. Woher kam diese Metapher? Offenbar ist das Grundwort dieses Namens von der äußern Form des Auges hergenommen. Seine Bedeutung als Liebeswort erklärt sich nicht historisch, sondern aus dem Bewußtsein von der Wichtigkeit und Zartheit dieses Körperteiles, den man ganz besonders zu hüten und mit der zärtlichsten Sorgfalt zu umgeben hat. Der geliebte Gegenstand wird also ganz folgerichtig und sinnig mit dem verglichen, was uns im Leben als so wertvoll, so künstlich und so schön gebaut erscheint.

Übrigens ließe sich auch für das Wort Apfel die Liebesbezeichnung in Anspruch nehmen; gebraucht man es doch häufig, um die Wangen blühender Kinder damit zu vergleichen, wobei man die liebliche Rundung dieser Frucht und die farbigen Spuren der Sonnenküsse vor Augen hat. Hier klingen auch die Vergleiche mit dem Ei an, sowohl was die schöne Form als auch die Reinheit betrifft.

Interessant ist's, wie verschiedene Sprachen das: „Augapfel“ verschieden bezeichnen. Im Persischen heißt es: merdümi tscheschm, d. i. der Augenmensch, gleichsam als ob im Auge der ganze Mensch sich darstelle. Der persische Dichter Hafis singt daher: [i]„Laß das Vergangene, komm zurück, mein Auge hat die alten Kleider ausgezogen und verbrannt", so viel als: ich habe den alten Menschen ausgezogen. Die Griechen und Spanier sehen im Auge ein Mädchen (Koren-niña); der Engländer nichts als eine Kugel (eye-ball); der Franzose eine Pflaume (prunelle), daher auch „conserver quelque chose comme la prunelle de l'oeil“; der Deutsche einen Apfel.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 1