Gigantische Pläne - Ein Schifffahrtskanal durch das nordamerikanische Festland / Die Wiedererschließung der Euphrat- und-Tigris-Länder / Die Bändigung des Blauen Nils / Die Bewässerung von Südwestafrika

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 14. 1926
Autor: Dr. A. Berger, Erscheinungsjahr: 1926

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Staudamm, Stromsperren, Schleusen, Trockenheit, Wasserkraft, Stausee, Energie, Wasser, Engländer, Russland, Amerika, Baumwolle, Assuan, Nil,
Seit sieben Jahren ist der Weltkrieg angeblich beendet, doch glimmen noch immer die Funken unter der Asche, springen da und dort von neuem auf zur zündenden Flamme. Keinem Land der Welt hat der Ausgang des gigantischen Ringens einen vollen Vorteil für die Allgemeinheit seines Volkes gebracht. Wohl schwimmt Amerika im Golde, wohl herrscht dort ein beispielloser Luxus, von dem wir hier in unserem armgewordenen Vaterlande kaum eine Ahnung haben, aber auch dort drüben liegt die Industrie darnieder, das Gold lässt sich nicht entsprechend nutzbringend verwenden, weil es im Überfluss vorhanden ist. Allenthalben in der Welt sind die Arbeitslöhne und im Zusammenhang hiermit die Lebenshaltungsziffern gewaltig emporgeschnellt. Dabei sind die meisten Länder verarmt, und die Last der Steuern, die aufgebracht werden müssen, ist ungeheuer. So ist es kein Wunder, dass jeder Staat seine Einnahmequellen bei möglichst geringen Arbeitsunkosten zu steigern versucht. Die Schätze der Länder sollen gehoben, ausgebeutet, brachliegende, schlummernde Kräfte geweckt und ausgenutzt werden.

**********************************************************
Das gilt vor allem von den „weißen Kohlen“, der Wasserkraft. Glücklich das Land, das davon genug hat. Wir in Deutschland haben uns schon während und nach dem Krieg mit Hochdruck an das Problem gemacht, durch Anlage von Kraftwerken billigere Energie zu erzeugen. Billige Arbeit, billige Verkehrswege sind das A und O eines auf gesunde Basis gestellten Wirtschaftslebens. Das haben natürlich auch die Amerikaner erkannt, und da bei ihnen genügend Geld vorhanden ist, das von den Besitzern gern in einer Nutzen versprechenden Sache angelegt wird, so ist Aussicht vorhanden, dass das geradezu gigantische Projekt eines Kanals verwirklicht wird, das nichts weniger bezweckt, als den Atlantischen Ozean in der Nähe von New York, unter Benutzung des Hudsonflusses, mit dem gewaltigen Ontario- und Eriesee und somit dem inneren Teil der Vereinigten Staaten durch einen den höchsten Anforderungen entsprechenden Schifffahrtskanal von hundert Meter Breite und zehn Meter Tiefe zu verbinden. Damit würde Schiffen bis zu fünfzehntausend Tonnen Ladeinhalt die Möglichkeit gegeben, bis nach Erie und nach allen anderen großen Städten an den beiden Seen zu fahren. Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Unternehmens ist natürlich ungeheuer. Dabei handelt es sich um ein Projekt, das wirklich durchführbar ist. Es unterscheidet sich in jeder Hinsicht zum Beispiel von dem Plan Lesseps, des Erbauers des Suezkanals, dessen Name mit dem Panamaskandal verbunden ist. Er wollte nichts weniger, als die Sahara unter Wasser setzen, und bald gründeten sich Gesellschaften zur Ausbeutung. Da war es ein deutscher Gelehrter, der bewies, dass die Sahara überhaupt nur an zwei kleinen Stellen, dem Chott-Melghir und Chott-el-Charsa in Algerien, tiefer liegt als das Mittelländische Meer, aus dem das nötige Wasser herbeigeleitet werden sollte. So zersprang diese Seifenblase.

Aber andere Gebiete sind es, die, durch Wasser erschlossen, nutzbar gemacht werden können, beide in der Hand der – Engländer, die weitblickend sich längst diese Länderstrecken gesichert haben: es sind dies einerseits die Euphrat-und-Tigris-Länder, deren Bewässerung ungeheuren Gewinn bringen würde, doch sind die geometrischen Arbeiten hierfür noch nicht abgeschlossen; anderseits haben die Briten aber ein Gebiet in der Hand, aus dem sie weitgehendsten Nutzen ziehen können, durch dessen Ausbeutung sie sich unabhängig machen können und werden von der Baumwolleinfuhr aus Amerika. Das wird ein schwerer Schlag für die dortigen Farmer werden, die seit Jahrzehnten gewohnt sind, die Baumwollpreise vorzuschreiben, und die, wenn die Ausbeute zu groß war, sich nicht scheuten, einen Teil zu vernichten, nur um das Angebot nicht zu groß werden zu lassen.

Am 2. September 1898 zerschmetterte Kitchener in der Schlacht von Omdurman das Reich der Mahdisten, entriss ihnen mit einem Schlage den gewaltigen Sudan, warf die Franzosen aus Faschoda, wo sie sich „hintenherum“ eingenistet hatten, und verleibte so das weite Land vom Nilzusammenfluss bis zum Albertsee dem britischen Weltreich ein. Damit schloss er die Kette der Länder, die sich vom Kap bis Kairo dem englischen Löwen beugen mussten. Der Gedanke einer wirtschaftlichen Verbindung Kap-Kairo erschien damals recht vielen Menschen nichts weiter als eine Spielerei. Doch wussten die Engländer ganz genau, was sie wollten; schon damals lagen die Pläne fest, die heute zur Verwirklichung kommen.

Der Suezkanal ist eng, im Kriegsfall kann er leicht gesperrt werden, aber die Verbindung nach Ostindien, ihrer reichsten Kolonie, müssen die Engländer unter allen Umständen in der Hand behalten. Dazu dienen der Nil- und die Ugandabahn, durch Autostraßen miteinanderverbunden. So sind Indischer Ozean und Mittelmeer nicht mehr getrennt. Das ist die strategische Seite, um die es sich bei dem Besitz des Sudans handelt.

Aber die Engländer haben noch ganz andere Gedanken gehabt, als sie ihre Heere soweit nach Süden in die Wüste |sandten, sie allen Entbehrungen und Nöten eines solchen Feldzuges aussetzten. Es galt, das Baumwolland der Zukunft in die Hand zu bekommen. Doch davon sprach öffentlich kein Mensch, im Gegenteil wurde es von den englischen Zeitungen so hingestellt, als ob der Feldzug lediglich unternommen worden sei, um das durch die Ermordung Gordons verlorene englische Prestige wiederherzustellen, die bedrohte Christenheit vor der heranrollenden Flutwelle des Mohammedanismus zu schützen. Aber einmal im Lande, gingen sie nicht mehr heraus. Neben dem türkischen Halbmond wehte immer der Union Jack. Und die Engländer erschlossen das Land, bauten die Bahn von Chartum bis Senga am Blauen Nil, geradeaus auf die abessinische Grenze zu, von dort in westlicher Richtung durch die Wüste, auf gewaltiger Brücke über den Weißen Nil weiter nach El Obeid. Nicht billig war der Bau, und unverständlich erschien die Straßenführung durch dieses unfruchtbare Land, unfruchtbar, solange nicht der Zauberstab gehoben, mit dem aus der Wüste ein Paradies, das fruchtbarste Garten- und Baumwollland geschaffen worden ist.

Hierzu soll der Nil verhelfen. Schon zur Zeit der alten Ägypter wurden durch ein wunderbares Kanal- und Bewässerungssystem die fruchtbaren Gefilde des Fachum in Unterägypten ganz bedeutend erweitert. Später verfielen die Anlagen wieder. Im neunzehnten Jahrhundert wurde in dieser Hinsicht einiges getan, bis dann endlich um die Jahrhundertwende der gewaltige Staudamm von Assuan errichtet wurde, durch den die Wassermassen des hochgehenden Nils abgefangen, aufgespeichert wurden, um zu gegebener Zeit über die zu bewässernden Felder geleitet zu werden, je nach Bedarf. Skeptiker befürchteten, dass durch die Stagnierung des Wasers sich aller befruchtender Schlamm, der nach allgemeiner Ansicht vom Wasser mitgeführt wurde, in den Staubecken senken und dass so das heilige Nilwasser seine segenspendende Zauberkraft verlieren würde - denn der ägyptische Boden wird seit Jahrtausenden nie gedüngt, liefert aber immer gleich reiche Erträge. Es ist dies eines der großen Naturrätsel; Sonne, Tropenklima und Erdbatterien spielen hier offenbar eine ausschlaggebende Rolle. Doch die Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Bei den Vorarbeiten für diesen Staudamm wurde von den englischen Zeitungen die Frage der Nilschwelle auch gründlich beleuchtet. Allenthalben stand zu lesen, dass es der Weiße Fluss sei, der die gewaltigen Wassermassen brachte, obgleich ältere Forscher längst bewiesen hatten, dass der Blaue Nil und seine Nebenflüsse die Hauptwassermassen lieferten. Auch hierin lag eine Absicht: die Ägypter sollten, falls sie in Sorge um ihr Nilwasser gerieten und Einspruch gegen einen Staudamm am Blauen Nil erheben würden, beruhigt werden. Jetzt gehen die Engländer, nachdem Sie still und im geheimen alles vorbereitet haben, daran, die Früchte ihrer Arbeit zu ernten, das für ihre Zwecke erforderliche Wasser abzuleiten.

Zwischen den beiden sich bei Chartum vereinigenden Nilarmen liegt ein weites, ödes, unbewohntes Land; nur dürre Akazien und Mimosen wachsen hier. Ehe die Bahn dieses trostlose Land durchmaß, führte ein schmaler wasserloser Pfad hindurch, auf dem vom Weißen zum Blauen Nil Ziegenherden getrieben wurden; ein großer Teil der armen Tiere blieb gewöhnlich verdurstet unterwegs liegen.

Nun fangen die Engländer den Blauen Nil ab, dessen Wasserspiegel zur Regenzeit um vier Meter und mehr steigt, legen ein gewaltiges Staubecken, Kanäle an, die es ihnen ermöglichen, je nach Belieben diese gewaltigen Ländereien oder Teile davon unter Wasser zu setzen. Glatt wie ein Tisch, steinlos ist der Boden, leicht zu bestellen, ein ideales Land für Baumwolle. Und die soll hier gedeihen. Sie wird es auch Grund jahrzehntelanger sorgsamer Arbeit- und Forschung wurden die richtigen Sorten ausgewählt, die hier guten Ertrag liefern. Ein paar Jahre, und England ist einen großen Schritt weiter, die riesigen heimischen Baumwollspinnereien werden dann nur noch englische Rohstoffe verarbeiten; auch die Kolonien werden in dieser Warengattung unabhängig vom amerikanischen Markt.

Noch ein anderes gewaltiges Projekt wird erwogen; ob es allerdings schon greifbare Formen angenommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Mit Schrecken haben wir als die Herren Deutschsüdwestafrikas wahrgenommen, wie von Jahr zu Jahr das Land mehr austrocknete. Durch Vergleich mit früheren Berichten wissen wir, dass der Regenfall ganz bedeutend nachgelassen hat. Somit ist mit Sicherheit anzunehmen, dass weitaus der größte Teil des Landes sich langsam, aber sicher in eine wasserlose Wüste verwandelt. Heute schon trocknen die Etoschapfanne und der Ngamisee in Britisch-Betchuanaland unheimlich schnell aus. Im ersteren Fall ist der Kunene, der Grenzfluss gegen Angola, die Veranlassung hierzu. Er hat sein Strombett vertieft beziehungsweise Stromhindernisse im Laufe der Zeit weggeräumt. Dadurch können seine Wassermassen schnell abfließen, statt wie früher ihren Überschuss nach der Etoschapfanne abzugeben. Wäre hier rechtzeitig - allerdings vor deutscher Zeit – ein Staudamm angelegt, das Wasser hinübergedrängt worden, so würde recht fruchtbares Weideland, das heute verloren ist, erhalten worden sein. Ob eine Erfolg versprechende Sperre heute noch denkbar ist, ist schwer zu sagen; vermutlich ist das alte Verbindungsstrombett inzwischen versandet.

Der zweite Fall betrifft den erwähnten Ngamisee; auch er wird übermäßig entwässert als Folge der eigentümlichen Verbindung, die zwischen dem Okavango, durch den der Ngami früher gespeist wurde, und dem Sambesi besteht und sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr ausgebildet hat, so dass durch sie alles Wasser vorzeitig wegläuft.

Große Ländereien sind es, die hier auf dem Spiele stehen; unendlich viel wertvolle Zeit ist durch die lange Dauer des Weltkrieges verloren. Ob sie wieder eingeholt werden kann, muss die Zukunft erweisen.

Der große Staudamm bei Assuan, eine der größten Stromsperren der Welt, über zwei Kilometer lang, mit hundertachtzig Schleusen. Nach seinem Vorbild wird am Blauen Nil eine neue große Nilsperre erbaut. (Phot. Dittrich)

Die Bändigung des Blauen Nils: Blick auf das im Entstehen begriffene gewaltige Staubecken, dass die zur Regenzeit um vier Meter steigenden Wasserfluten des Nils sammeln soll. Mit Hilfe der Wassermengen wird die Wüste weithin in Baumwollland umgewandelt werden

Assuan, Staudamm, eine der größten Stromsperren der Welt

Assuan, Staudamm, eine der größten Stromsperren der Welt

Die Bändigung des Blauen Nils

Die Bändigung des Blauen Nils