Zur Sanierung der Bäckereien

Im Anschluss an die in Nr. 18 (S. 188 ff.) der „Gesundheit“ von Adolf Hopp u. a. mitgeteilten, im Staate New-York bestehenden sanitären Vorschriften für Bäckereien und Konditoreien, möchten wir heute darauf hinweisen, dass die großen sanitären Missstände, welche in vielen Bäckereien unzweifelhaft herrschen, auch in Preußen die Frage in Fluss gebracht haben, durch entsprechende Vorschriften eine Besserung der Verhältnisse anzustreben. Es geht dies aus folgendem Erlass des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe, Herrn Brefeld, hervor :

„Nach den aus verschiedenen Bezirken vorliegenden amtlichen Ermittlungen, die neuerdings durch gerichtliche Feststellungen bestätigt worden sind, kann nicht wohl bezweifelt werden, dass in vielen Bäckereien erhebliche Missstände hinsichtlich der Einrichtung und Beschaffenheit der Arbeits- und Betriebsräume herrschen. Die Arbeitsräume liegen vielfach im Keller und gewähren zu wenig Licht und Luft, die Temperatur in ihnen ist häufig zu hoch, die Sauberkeit in den Backräumen, die Wasch- und Sitzgelegenheit für die Arbeiter lassen vielfach zu wünschen übrig. Daneben bestehen auch hinsichtlich der Unterbringung der Gehilfen und Lehrlinge bei den Arbeitgebern nach den vorliegenden Ermittelungen an zahlreichen Orten äußerst bedenkliche Missstände in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung. Um dem gegenüber den Anforderungen, die im Interesse der Gesundheit der Arbeiter an die Einrichtung und den Betrieb der Bäckereien gestellt werden müssen, die erforderliche Beachtung zu sichern, wird auf den Erlass weiterer reichsgesetzlicher Bestimmungen neben den Vorschriften der Verordnung des Bundesrats, betreffend den Betrieb von Bäckereien und Konditoreien, vom 4. März 1896 Bedacht zu nehmen sein. Diese Bestimmungen würden für alle Betriebe in Aussicht zu nehmen sein, worin Arbeiter beschäftigt werden.


Die zuständigen Aufsichtsbehörden sind daher vom Minister ersucht worden, sich darüber zu äußern, ob diese Vorschriften ungeachtet der Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen Betrieben und an den einzelnen Orten allgemein durchführbar erscheinen. Im einzelnen wird folgendes bemerkt:

1. Dafür, dass ähnliche Missstände wie in den Bäckereien auch in den Konditoreien bestehen, in denen neben den Konditorwaren auch Bäckerwaren hergestellt werden, bieten die bisherigen Elf Mittlungen nur vereinzelte Anhaltspunkte. Indessen erscheint es mit Rücksicht darauf, dass auch in diesen Betrieben die Öfen vielfach im Keller liegen und dass die Betriebsverhältnisse der „gemischten“ Konditoreien denjenigen der reinen Bäckereien sehr ähnlich sind, vorläufig ratsam, die Bestimmungen auch für diejenigen Konditoreien zu erlassen, welche Konditorwaren und Bäckerwaren herstellen. Für eine solche gleichmäßige Behandlung beider Arten von Betrieben spricht zudem auch die Rücksicht auf die Konkurrenz, die hinsichtlich mancher Waren zwischen den Bäckern und Konditoren besteht

2. Es ist davon abzusehen, über das Mindestmaß der Breite und Höhe der Fenster und der öffnungsfähigen Fensterfläche Bestimmung zu treffen oder die Festsetzung solcher Maße durch die höheren Verwaltungsbehörden ausdrücklich vorzuschreiben. Nach der Absicht des Entwurfs sollen die in dieser Beziehung in den einzelnen Bezirken etwa bestehenden Vorschriften nicht berührt werden. Ebenso soll auch für die Zukunft das Recht der zuständigen Behörden, die Frage im polizeilichen Wege zu regeln, unberührt bleiben.

3. Die Bestimmungen über die Beschaffenheit und Einrichtung der den Gehilfen und Lehrlingen vom Arbeitgeber zugewiesenen Schlafräume werden im Wege einer auf Grund des § 120e, Abs. 1, der Gewerbeordnung zu erlassenden Verordnung des Bundesrats nur getroffen werden können, wenn diese Räume nach den eigenartigen Verhältnissen im Bäcker- und Konditorgewerbe als Arbeitsräume im Sinne des § 120a des Gesetzes angesprochen werden können. Indem in dieser Beziehung auf das Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts vom 15. November v. J. und die vielfach — so insbesondere auch gelegentlich der letzten Ausstandsbewegung der Berliner Bäckergesellen — von den Unternehmern aufgestellte Behauptung verwiesen wird, dass die Unterbringung der Gehilfen und Lehrlinge beim Meister mit Rücksicht auf die Eigenart des Bäckereibetriebs zur ordnungsmäßigen Durchführung des Betriebes unerlässlich sei, bedarf es der Erörterung, ob es nach den Verhältnissen der einzelnen Bezirke geboten erscheint, die vom Meister gewährten Schlafräume der Gehilfen und Lehrlinge als Arbeitsräume im Sinne des § 120a der G.-O. anzusehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit 26. Jahrgang 1901