Wasserversorgung von Riga

In Riga wird das Wasser für die Wasserleitung der Düna, wie es scheint, ohne besondere Filtration entnommen. Im Sommer 1900 ist nun die Stadt von einer Typhus-Epidemie betroffen worden. Aus Anlass der Berichtes der Sanitätskommission über diese Epidemie hat die Stadtbehörde nunmehr die Erklärung abgegeben, dass die Flusswasserversorgung verlassen und ein fertig gestelltes Detailprojekt der Grundwasserversorgung zur Zeit vom Stadtamt geprüft werde, das in nächster Zeit der Stadtverordnetenversammlung zur Begutachtung vorgelegt werden würde. Es ist begründete Hoffnung vorhanden, dass das Projekt durch die Stadtverordnetenversammlung eine schnelle Förderung erfahren wird. Diese Meldung nahm von dem größten Teil der Bürgerschaft von Riga eine große Sorge, denn endlich ist die für Riga so brennende Frage aus dem Stadium der Voruntersuchungen und Kommissionsberatungen heraus und es darf gehofft werden, dass in absehbarer Zeit die große und schöne Stadt Riga, die rapid sich nach allen Seiten ausdehnt, eine Wasserversorgung erhalten wird, die der Gesundheit der Bevölkerung mehr entspricht, als die jetzige, welche zu einer ernsten Gefahr für das Leben der Rigenser geworden ist. Es herrscht heute kein Zweifel mehr und ist durch den offiziellen Bericht unumwunden zugegeben worden, dass lediglich der heutigen Wasserentnahme aus der Düna die schwere Unterleibstyphusepidemie zu verdanken ist, die Riga etwa vom 20. Mai v. J. heimgesucht und so viel Sorge und Krankheit, so viel Not und Tod in die Familien Riga getragen hat. Wer sich ausmalt, was es zu bedeuten hat, dass im Zeitraum von 3 Monaten ca. 1.900 Erkrankungen konstatiert worden sind, dass am 1. Juni, also an einem Tage, 86 Krankheitsfälle angemeldet wurden, wer gar selbst als Arzt oder direkt Beteiligter die Konsequenzen der Epidemie verfolgt hat, der wird nach den Vorkommnissen dieses Sommers darauf dringen, dass die Neuregulierung der Wasserversorgung im vitalen Interesse Aller ungesäumt durchgeführt werden muss. Denn der Bericht der Sanitätskommission erklärt die Ansicht für hinfällig, dass nur durch die zeitweilige Benutzung des Deltawassers für die Leitung die Epidemie zu erklären sei, konstatiert vielmehr, dass das Wasser in gleicher Weise im Delta wie im Strome selbst infiziert gewesen ist und leitet in überzeugender Weise den Ausbruch der Epidemie aus den Flößungsverhältnissen her, infolge deren viele Tausende Personen wochenlang auf dem Strome leben und durch die Verunreinigung des Wassers die Krankheitskeime weiter verbreiten. Der offizielle Bericht kommt zu folgender besorgniserregender Schlussfolgerung: „Die traurige Erfahrung dieses Jahres lehrt somit, dass die Entnahme des Wassers für die Wasserleitung aus dem Strome selbst die Gefahr eines Hineingelangens von Krankheitskeimen in die Leitung keineswegs ausschließt und dass die Bewohner Rigas somit beständig, besonders im Frühjahr zur Flößungszeit, dieser Gefahr ausgesetzt sind. Wenn nicht schon in früheren Jahren solche Epidemien erlebt wurden, so muss das ganz besonders glücklichen Umständen zugeschrieben werden.“ Für Riga droht nach dem offiziellen Rapport somit in jedem Jahre dieselbe entsetzliche Gefahr, wie im vorigen Jahre, wenn nicht mit dem bisherigen Wasserversorgungsmodus gebrochen wird, da eine Unterbindung der Flößerei natürlich weder möglich, noch wünschenswert ist. Die Stadtverordnetenversammlung hat denn auch die vom Stadtamt proponierte einzig mögliche Maßnahme einstimmig gebilligt, dass nämlich eine Versorgung der Stadt mit reinem, keimfreiem Wasser und eine möglichst rasche und unschädliche Beseitigung der die Infektionskeime enthaltenden menschlichen Fäkalien unaufschiebbar ist. Was bis zur Durchführung dieser fundamentalen Reformen geschehen soll und muss, trägt natürlich lediglich den Charakter von nur relativ wertvollen Palliativmitteln.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit 26. Jahrgang 1901