Behandlung der Angesteckten

Da die Heilung von großem Werte für die Allgemeinheit ist, muss die Hospitalbehandlung erleichtert werden. Dabei muss das Erniedrigende oder Gefängnisartige vermieden werden. Doch ist es noch so in Frankreich, auch in Deutschland, wo manchmal den Venerischen der Empfang von Besuch und das Spazierengehen im Garten verboten ist, und wo die Bezahlung von Krankenkassen oder Gemeinden eingefordert, die Krankheit also publique wird.

In den nicht geregelten Ländern fehlt es an Hospitalbehandlung, So existiert in ganz Holland kein spezifisches Hospital, außer einigen Betten in Amsterdam. In Belgien sind diese Hospitäler vernachlässigt. In ganz England erreicht die Zahl der Betten für Venerische nicht diejenigen von Paris.


Wo die Hospitalisierung nicht möglich ist, da ist ambulante Behandlung einzurichten. Diese muss aber nach Fournier in folgender Weise geregelt werden: reichliche Polikliniken, gratis, verstreut über die ganze Stadt, mit freier Wahl der Tage und der Zeit, um Zeitverluste zu vermeiden.

Die betreffenden Ärzte bedürfen aber besonderer Kenntnisse, worauf in Paris (Saint-Lazare, Polizei-Armenapotheke) gehalten wird.

Allgemein sind die Ärzte in der Syphilidologie besser vorzubilden, die Studenten sollten hierüber einen Nachweis beizubringen haben. So ist in Stockholm jeder Student gezwungen, einen 2monatichen Kursus durchzumachen. In Dänemark müssen die Kandidaten fürs medizinische Doktorexamen den Nachweis über einen 6monatigen Kursus in der Syphilidologie und Dermatologie erbringen. Ebenso ist ein fononatiger Kursus in der Dermatologie für den Schweizer Studenten erforderlich.

Die Krankenkassen dürfen übrigens die Venerischen nicht von der Behandlung ausschließen. Wie derartige Kassen in Deutschland Sanatorien für Tuberkulöse geschaffen haben, so sollten sie auch solche für Syphilitische bauen. Augenblicklich geben die Krankenkassen in Deutschland zwar freie ärztliche und medikamentöse Behandlung gesetzmässig, den durch sexuelle Exzesse Erkrankten aber kein Krankengeld. Auf der anderen Seite bedroht das Strafgesetz den Arzt, welcher nicht das Geheimnis seines Patienten bewahrt.

Jedenfalls sollte jeder Unterschied zwischen syphilitisch Kranken und anders Kranken, auch bei den Krankenkassen, fortfallen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit 26. Jahrgang 1901