Fischbestand und gesunde Wasserqualität

Der Fisch ist bei der biologischen Selbstreinigung, wie sie die organischen Abwässer verlangen, unentbehrlich. In reinem Wasser befinden sich zwar, wie die Hygieniker und Bakteriologen uns lehren, auch Bakterien, aber sie vermehren sich der wenigen Nahrung entsprechend nur recht massig. Bringen wir nun aber organische, lösliche oder aufgeschwemmte Bestandteile in das Gewässer, dann werden die Bakterien zu einem ungeheuerlichen Wachstum angeregt und da die Natur für jeden Überfluss an Nahrung auch geeignete Verzehrer zur Verfügung hat, so stellten sich nun auch hier wieder diejenigen Lebewesen ein, welche von diesem Überfluss zu leben gewöhnt sind. Unter der Kleintierwelt unserer Gewässer haben wir Bakterienfresser. Wenn nun, dank der Abgänge unserer Fabriken, das Wachstum der Bakterien unnatürlich gehoben wird, kommen die Bakterienfresser und sagen: Hier ist gut sein und die Schöpfung gab auch ihnen eine ungeheure Vermehrungsfähigkeit mit auf den Weg. Wir werden also hier auch die mikroskopisch kleinen Lebewesen sich sehr stark vermehren sehen, diese sind aber die Nahrung für die kleinen Kerbtiere, die wiederum die Nahrung für die Fische bilden. Die Fischzüchter wissen, wie sehr sich der Fisch strecken lässt, wenn er viel zu fressen hat. Wenn wir also im Wasser sehr viele Futtertiere haben, können wir auch auf sehr starken Zuwachs rechnen.

Unseren Fischbestand schädigen die Raubfische und bei der Überhandnahme derselben könnten wir dahin kommen, dass die Friedfische aufgefressen werden. Dann würden wir den Fisch als Vertilger der Kerbtiere nicht mehr in Anspruch nehmen können, es bliebe unter Umständen in dem betreffenden Gewässer nur noch ein starker alter Hecht übrig, alle anderen Fische wären aufgezehrt. Der Mensch mit Fischfleischbedürfnis verzehrt den Hecht, hindert damit die Vertilgung der Friedfische und darum können wir sagen: Die Selbstreinigung fängt an mit den Bakterien und hört auf mit dem Menschen.


Der Fisch ist also ein notwendiges Glied in der Reihe, folglich müssen wir, wenn wir gesundes Wasser behalten wollen, auch den Fisch behalten und es gelingt nur, wenn wir unsere Gewässer gesund erhalten und die Industrie verhindern, sie über Gebühr zu verunreinigen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit 26. Jahrgang 1901