Die Wasserversorgung in Marburg, Steiermark

Nachdem sich die Stadtgemeinde mit der Wasserleitungsfrage schon durch mehr als 20 Jahre beschäftigt und viele Tausende von Gulden für verschiedene Vorschläge, Entwürfe und Untersuchungen geopfert hatte, da eine Hochquellenleitung vom Bacher nach fachmännischem Gutachten nicht die gehörige Menge von Wasser liefern könnte, so machte sich der Gemeinderat mit dem Gedanken an eine Tiefquellenleitung vertraut. Es wurden auf der Thesen Versuchsbrunnen gegraben und Tiefquellen entdeckt und nachdem auch das nötige Baugeld — 800.000 Kronen — beschafft worden war, wurde der Wasserleitungsbau der Firma Rumpl & Waldek in Wien übertragen, die im vorigen Herbste mit dem Bau der Maschinenhäuser und der Legung der Rohre in den Gassen und Straßen der Stadt begann und, wenn nicht besondere Hindernisse eintreten, im Sommer dieses Jahres die Leitung fertiggestellt haben wird. Die Güte des Wassers steht dem des Wiener Hochquellenwassers nicht nach, sie hat nach übereinstimmendem Gutachten dreier chemischer Versuchsstationen nur einen Härtegrad mehr. Die Wasserleitung wird den Aufschwung Marburgs gewiss noch beschleunigen, wenn sie auch manchem alten Hausherrn, welcher nur mit dem früher Hergebrachten rechnet, nicht in den Kram passt. Auch solche Leute werden sich bald und mit der Zeit gerne an die Wohltaten der Wasserleitung gewöhnen. In der Gemeinderatssitzung vom 24. Oktober 1900 wurde nun ein für Marburg gültiger Wassergesetzentwurf beraten und angenommen, der in nächster Zeit wohl auch Gesetzeskraft erhalten wird. Um die Kosten hereinzubringen, welche der Bau und der Betrieb der Wasserleitung verursachen, sollen verschiedene Umlagen und Gebühren eingehoben werden. Zur Aufklärung lassen wir einen Auszug aus dem Gesetzentwurf folgen. Derselbe bestimmt: Sobald in Marburg die Wasserleitung gelegt ist und die Stadtgemeinde Marburg aus dem Wasserwerke Wasser zu liefern beginnt, ist jeder Eigentümer eines Hauses oder einer Realität in der Stadtgemeinde Marburg, mit Einschluss der Wohngebäude in den Fabriken und Bahnhöfen, verpflichtet, der Stadtgemeinde Marburg vier Prozent des jährlichen Mietzinses, ohne Rücksicht darauf, ob das Wasser eingeleitet ist oder nicht, als Wasserumlage zu zahlen. Der Eigentümer des Hauses ist berechtigt, die Wassergebühren für den Fall, dass er das Wasser aus der Wasserleitung in sein Haus einleitet, auf seine Mieter zu überwälzen und von diesen einzufordern. Die verbrauchte Wassermenge wird im Wege von Wassermessern ermittelt. Sollte der so ermittelte Wasserzins mehr betragen, als die vorgenannte Wasserumlage, so ist der Unterschied zwischen Wasserzins und Wasserumlage noch besonders zu bezahlen. Das Recht zur Erhebung der vorgeschriebenen Umlagen erlischt mit Ende des Jahres 1950. Der Stadtrat kann in dem Falle, dass ungeachtet der Verhängung von Strafen die auf die Benützung der Wasserleitung bezüglichen Vorschriften nicht befolgt werden, die Wasserleitung vorübergehend oder auch dauernd sperren. Den Bestimmungen über die Wasser abgäbe an Private entnehmen wir, dass die Wassermesser von der Gemeinde angeschafft, auf deren Kosten aufgestellt und dem Eigentümer der Privatleitung gegen Bezahlung der tarifmäßigen Leihgebühr zur Benützung übergeben werden. Diese Wassermesser bleiben Eigentum der Gemeinde und werden auf deren Kosten in gutem Zustand erhalten. Die Zuleitung wird von der Gemeinde auf deren Kosten hergestellt. Die Hausleitung soll auf Kosten des Besitzers entweder durch die Gemeinde oder durch die hierzu in Marburg konzessionierten Installateure nach den diesbezüglichen technischen Bestimmungen ausgeführt werden. Jeder Besitzer einer Hausleitung ist verpflichtet, sie auf seine Kosten in gutem Zustande zu erhalten. Die Benützung bereits bestehender Hausleitungen ist nur dann zulässig, wenn sie entsprechend befunden wird. Der Umstand, dass eine Privatleitung längere oder kürzere Zeit nicht benützt gewesen ist oder dass die Wasserlieferung eine teil- oder zeitweise Unterbrechung bis zu einem Monat erlitten hat, berechtigen den Besitzer der Leitung nicht, einen Anspruch auf einen Nachlass zu erheben. Zu Feuerlösch- und Straßenbesprengungszwecken werden Hydranten aufgestellt, welche nur durch die Feuerwehr oder Organe der Gemeinde in Verwendung genommen werden dürfen. Die unmittelbare Verbindung der Zuleitungsrohre mit Dampfkesseln wird in gar keinem Falle gestattet. Die Einrichtung von Hydranten zu Feuerlösch- und Besprengungszwecken innerhalb des Privatbesitzes wird gestattet Die Anbringung von sogenannten Hausreservoirs wird zwar nicht verboten, ist aber tunlichst zu vermeiden. Wo solche in Verwendung kommen sollen, muss hierzu die Bewilligung des Stadtrates eingeholt werden. Der wirkliche Wasserverbrauch wird halbjährig auf Grund der Ablesungen am Wassermesser erhoben und der Wasserzins nach dem festgesetzten Preise von 20 Heller berechnet. Hierbei wird die bereits geleistete Wasserumlage als Anzahlung betrachtet, so dass nur noch die etwa zwischen Wasserzins und Wasserumlage entstehende Differenz besonders zu bezahlen sein wird. J. Z.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit 26. Jahrgang 1901