Landschaftliche Schilderung. Zur Naturkunde Pommerns.

Die Vorstellungen, welche Ober- und West-Deutsche von den Flächen Brandenburgs, Mecklenburgs, Pommerns und Preußens zu haben pflegen; welchen unkundige oder unaufmerksame Eingeborne selbst beipflichten, „als sei der Nordosten unsers Vaterlandes eine unabsehbare Ebene, mit nie merklich unterbrochenem Gesichtskreise, sand- und moorbedeckt, mit Kiefern bewachsen, ohne Senkungen, als wo Sümpfe und Seen sich gebildet haben; gegen das Meer gegürtet durch eine Reihe von niedrigen Dünen, kurz ein trauriges Einerlei dem Auge bietend, eine einförmige, von den Wogen überwaschene Tafel, welche keine Mannigfaltigkeit geognostischer Betrachtung, keinen Gegensatz der Höhe und Tiefe zulasse," sind so grundfalsch, zumal auf Pommern bezogen, dass es dem Verfasser einer neuen Geschichte des Landes und Volkes unerlässlich scheint, solche Unwahrheit der allgemeinen Auffassung zunächst durch ein ausgeführtes, landschaftliches Bild bei seinen Lesern zu berichtigen. Ob überhaupt ein Teil unserer alten, seit Jahrtausenden nach natürlichen Gesetzen durchgebildeten, Erdoberfläche den Charakter gänzlicher Einförmigkeit an sich tragen könne; ob er selbst für die sandigen gedehnten Hochebenen Mittelasiens und für das neue Festland im Süden gültig sei, das der Forschergeist des Menschen gleichsam als ein noch Unfertiges, für ihn noch nicht Bestimmtes, in Besitz nahm, mögen wir nicht untersuchen; wir begnügen uns durch genauere Angaben für Pommern eine andere Ansicht zu verbreiten, wie eine solche der gelehrten Welt schon in Beziehung auf die Mark Brandenburg durch Klödens verdienstliche Arbeiten vorliegt.

Wir verstehen aber hier unter Pommern nicht den am frühesten geschichtlich so genannten Landstrich; auch nicht das durch spätere politische Ereignisse enger begrenzte Herzogtum, sondern den ausgedehnten Gürtel des baltischen Gestades, welcher durch natürliche Marken abgesondert und durch gleichartige physische Bedingungen als der Schauplatz der Lebenstätigkeit eines großen, nahe verwandten Volksstammes hervortretend, von den Niederungen der Weichsel im Osten bis in die Nähe der Warnow im Westen reicht, das Tal der Tollense umfasst, bis wo südwestlich die Havelseen beginnen; im Süden durch die Senkung des Bodens seewärts von der Finow, durch das Odertal, wo der bis dahin schneller fallende Strom fast das Niveau des Meeres erreicht, sich fortsetzt; dann durch die Höhenstriche der Neumark, welche am Nordabhang ihre Bäche zur Nieder-Oder, südlich zur Warthe sendet; durch jenes merkliche Hochland begrenzt, welches das Talbett der Netze von dem der ostpommerschen Küstenflüsse scheidet und durch ganz Westpreußen in nordöstlicher Richtung sich erstreckt, mit den bedeutenden Höhen, von denen die Drage, Küddow, Brahe, das Schmelzwasser, die Ferse südlich in die Netze oder in die Weichsel abfließen, zwischen Neuenburg und Preußisch-Stargard gegen das Weichseldelta abfällt. Dieses weite Land, in ausgebogenen Grenzen sich zwischen dem 36° westlicher Länge bis über den 36° hinausziehend; das südlich bis zum 53° nördlicher Breite und in seiner nördlichsten Ausdehnung bis etwa 54° 50’ sich erstreckt, nennen wir nach uralter Volksanschauung: Deutschlands Pommern, die deutsche baltische Küste, die deutsche baltische Maritima, die deutsche Aremorica, seine baltische Maremma. Es gehört von Natur zusammen, ungeachtet politischer Lostrennung und Zersplitterung, und ist darum auch wieder größtenteils, zusammengekommen; wir schildern es, abgesehen von provinzialer Abteilung, in seiner Gesamtheit, mit dem Rechte Strabos, des klarsten der alten Geographen.


Die erste Grundeigentümlichkeit unseres Pommernlandes, durch welche es sich von allen Teilen Deutschlands unterscheidet, ist seine über 60 Meilen lang gestreckte Lage am Meer, ein Naturverhältnis, welches die Entwicklung des Volkes, seine Geschichte entschieden bedingt hat. Wie auf der Insel Rügen kein Punkt über eine Meile von der See entfernt ist, so beträgt die weiteste Entlegenheit vom Meere für keinen Punkt Pommerns mehr als 20 deutsche Meilen; zu dieser örtlichen Beziehung zum Gestade kommt noch, dass eine Reihe von Küstenflüssen und größeren Strömen das Inland mit der See in Verbindung setzen; dass das große und kleine Haf mit dem Dammschen See, über zwei Drittel der nördlichen Breite des Landes durchschneidend, rechts und links schiffbare Gewässer aufnehmen, und so die Tätigkeit der Bevölkerung fast ausschließlich auf das Element des Wassers richten. Die pommersche See selbst kann man von der Spitze Hela in Osten, wo der Golf der Weichselmündung beginnt, bis an das Vorgebirge Arkona auf der Insel Rügen, welche in vorgeschichtlicher Zeit mit dem Festlande zusammenhing, als einen gewaltigen Busen des baltischen Meeres betrachten, dessen südlichste Bucht die Mündung der Swine, überhaupt der deltaförmige Ausfluss der Oder bildet. Ungefähr der Mitte des gekrümmten Gestades liegt die Insel Bornholm gegenüber, so dass der Schiffer auf der See bei Hellem Wetter etwa 7 Meilen nordwestlich von Kolberg zugleich das Leuchtfeuer von Arkona, die Küste von Bornholm und den Turm der Domkirche von Kolberg erblickt.

Die Ansicht der Küste von der See*) aus ist nun zwar nirgend ausgezeichnet großartig, aber doch mannigfaltig durch relativ bedeutende Hebungen der Dünen und durch das Hervortreten von Bergen aus dem Inland. Von Osten schiffend erblickt man zuerst das hohe Land von Reeserhövt mit einem Leuchtturm, an welches sich westlich einzelne niedrige Sanddünen reihen, mit dem Namen der großen Wollsäcke von den Schiffern bezeichnet; jenseits der niedrigen Gestade der Leba beginnen die kleinen Wollsäcke, über denen sich waldbewachsen mächtig der Revkohl oder Revkold erhebt, 6 bis 7 Meilen weit in die See sichtbar.

*) S. Pommersche Provinzial-Blätter für Stadt und Land. Herausgegeben von J. C. L, Haken. B. V. (1823) S. 41. mit einem Profil der Küste von Pommern.

Von dieser bedeutenden Höhe, welche der Küste nicht eigentlich angehört, werden wir weiter unten sprechen. Hohe Ufer sind bei Gardshövt und Rowe sichtbar, jetzt durch ein Leuchtfeuer bezeichnet; Stolpmünde liegt, als Ausfluss eines Stromes, tief; dagegen erblickt der Seemann, über die Niederung des Stolpethals schauend, die vereinzelte Höhe zwischen Muttrin und Kottow mit einer freistehenden hohen Linde, die er als Landmarke, unmittelbar unter dem 35" W. L., freudig begrüßt. Gegen Rügenwalde zu werden die Dünen flacher; dagegen steigt östlich von Köslin zu mächtiger Höhe, über das Vorland und den Jasmundschen See fortblickend, der Gollenberg auf, breit und waldbewachsen, lange Zeit der Berg Pommern im allgemeinen nach slawischer Mundart, und für den höchsten geltend, bis neuere Messungen ihn tief unter die Höhen landeinwärts gestellt haben. Zwischen Kolberg und Kammin ist das Gestade mit ziemlich gradlinigen Dünen bezeichnet, weil das Land überhaupt sich gegen das Odergebiet senkt; je zwei Türme, von Kolberg und Treptow, oder von Treptow und Kammin, umfasst das Auge gleichzeitig; hart an der Küste, auf seit Jahrhunderten abschüssiger Stelle, steht die uralte Kirche von Hoff zwischen Treptow und Kammin, wohl bald eine Beute der unterwühlenden See. Westlich dagegen öffnet sich mit malerisch hervortretenden Waldbergen und kahlen Häuptern mannigfach und schnell wechselnd, der Küstenkranz, welcher den Golf von Pommern im Westen umschließt. Erst Swanthövt auf Wollin, ansehnlich, hoch und dunkel bewaldet; dann ihm ähnlich Swinerhövt, über mannigfach ausgerissenen Dünen und Lehmwänden, die zumal vom Abend her in der Beleuchtung der Nachmittagssonne höchst pittoresk ins Auge fallen; über dem niedrigen Swinemünde ein zweiter Sollen oder Golmberg. Immer großartiger und vielfachgestalteter tut sich die Umschließung des Golfs nach Nordwesten auf; hinter den, nahe 200 Fuß hohen Strandbergen des teilweise so reizenden Eilands Usedom, mit hohen Buchen bekleidet, seewärts der Streckelberg (Witteberg,) eine dünnbewaldete, steilabfallende Sanddüne, die wir wegen ihrer Aussicht auf Meer, Haf und Land noch erwähnen werden; dann taucht aus dem Spiegel der See, vor der dämmernden Küste des südlichen Rügens und Neuvorpommerns, die Greifswalder Oe, mit Wäldchen gekrönt, auf; dann das nacktere Thiessow auf der Halbinsel Mönchgut; das Perd (Pferd) in wunderlichen Umrissen, bis mit dem Granitzer Ort, einem steilabfallenden Vorgebirge, die Prorer Wick sich öffnet; das hohe Jasmund, breit gelagert als eine Bergkuppe, auf seiner östlichen Seite mit schimmernden Kreideufern unter dem Kranz des Laubwaldes, sich gegen 500 Fuß erhebt, und Arakonas sturmtrotzender Leuchtturm, am schroffen, kahlen Ufer erbaut, den Golf von Pommern würdig schließend, auf die dänische Insel Moen und den Belt hinweiset.

So drängt sich hier auf dem Westende das Malerische wie geognostisch Bedeutsame zusammen; denn nur Jasmunds Küste bietet anstehendes Gestein; Anschwemmung von Lehm und Seesand bilden die Gestade Pommerns nach Osten zu. Auf der Westseite von Rügen, nach dem südlich abfallenden Golf von Mecklenburg und Holstein zu, der mit der Insel Femern schließt, schwindet der Reiz der Küste. Der nordwestliche Anblick oberhalb Rügen zeigt, über das flache Wittow hinweg, den hohen Rücken von Jasmund, den kahlen Dornbusch auf Hiddensee mit drei merklichen Kuppen; Barhövt auf dem festen Lande von Pommern, nördlich von Stralsund, und das flache Ländchen Zingst, welches, wie die preußische Nehrung, vor dem Meerbusen Grabow und dem Barther Bodden gelagert ist; die Halbinsel Darß, flach und dem Andränge der Wogen ausgesetzt, mit dichter Waldung, fällt von ihrer nördlichen Spitze, dem Darßer Ort, gradlinig gegen Süden ab, und hängt durch das schmale Fischland mit Mecklenburg zusammen, den Saal er Bodden nördlich und westlich umschließend.

Ungeachtet der Ausdehnung dieses Küstenstrichs und einer ziemlich überall bis auf eine halbe Meile gleichen Tiefe von 8 bis 45 Faden mit Sandboden fehlt es doch an sicheren Häfen und ist das südbaltische Gestade gefährlich zu beschiffen. Leba hat nur eine offene Reede, und die Mündung der Stolpe ist nur 4 Fuß, so wie die Einfahrt des Hafens von Rügenwalde nur 8 Fuß tief, weshalb vor beiden die offene Reede gesucht werden muss. Das Fahrwasser vor Kolberg misst nur 7 bis 8 Fuß, und die Rega, obgleich bei Robe unterhalb Treptow in einen Hafen ausmündend, versandete in den letzten Jahrhunderten in dem Grade, dass Treptow als Hafenort nicht in Erwähnung kommt. Im vierzehnten Jahrhundert*) lag zwischen dem jetzigen und dem alten Ausfluss der Rega ein namhafter Hafenort Regamünde, dessen Kirchturm, nachdem im fünfzehnten Jahrhunderte die Stürme die Mündung versandet, noch im Jahre 1597 als Landmark von den Schiffern benutzt, und durch die Landesherren erhalten wurde. Die Mündung der Divenow ist seit geschichtlich beglaubigter Zeit so schmal und seicht, dass nur kleine Fahrzeuge 6 bis 7 Fuß tief den Durchgang finden.

*) Dähnerts pommersche Bibliothek IV. S. 1.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte von Rügen und Pommern. Band 1 und 2