I. Geschichtliche Beschreibung des Ortes und der Seebadeanstalten. Entfernungen zu Wismar, Güstrow, Schwerin, Hamburg, Rostock, Warnemünde, Berlin, Lübeck, Stralsund. Legebeschreibung. Heiliger Damm, Friedrich Franz I., Badeschiffe, Logierhaus, Logierzimmer, Theater, Palais, Severin, Posthaus.

Geschichtliche Beschreibung des Ortes und der Seebadeanstalten …


Doberan, ein Badeort und Marktflecken im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin, 2 kleine Meilen von Rostock und Warnemünde, 5 Meilen von Wismar und Güstrow 9 von Schwerin, 11 von Stralsund, 13 von Lübeck, 19 von Hamburg, 24 von Berlin, und nur eine halbe Meile von der Ostsee entfernt, hat eine höchst anmutige Lage, und ist an mehreren Seiten von Anhöhen umgeben, deren einige mit Korn bebauet, oder von Viehherden belebt andere mit Fichten oder hohen Buchen bekränzt sind. Die eigentümliche Lage des Ortes, und die liebliche Mischung der umliegenden Hügel und Täler, Holzungen und Wiesen, verbunden mit dem Anblicke des entfernten, mehrenteils von Schiffen belebten Meeres, geben dem Ganzen ein ungemein heiteres, fast romantisches Ansehen.


Die umliegenden Hügel und Waldungen haben, außer den angenehmen Spaziergängen und schönen Aussichten, die sie gewähren, auch noch das Gute, dass sie den Ort vor der rauen Seeluft und vor den empfindlicheren Winden schützen, so dass es hier um ein Beträchtliches wärmer ist, als in den unmittelbar an der See oder höher gelegenen Ortschaften.

Wenn die Natur selbst einen Ort vorzüglich begünstigt hat, dann kann er nicht leicht so gänzlich in Verfall geraten, als wenn er seine Reize allein der Kunst und anderen zufälligen Umständen verdankte. Doberan ging deshalb auch, mit der Auflösung des Klosters 1552, noch nicht zu Grunde; es ward eine Zeit lang die Residenz einiger Herzoge von Mecklenburg, und blieb späterhin, da es auch dieses Vorzuges beraubt, und an die neuen Seebadeanstalten überall noch nicht gedacht war, immer noch ein sehr beliebter und besuchter Ort. Die Schönheit der Gegend, die Nähe des Heiligen Dammes, und die Kirche mit ihren Merkwürdigkeiten, lockten noch immer einige Fremde dahin, und von Zeit zu Zeit fanden sich auch einzelne Personen und Familien hier an, die, der schönen Gegend wegen, lieber hier, als an jedem andern Orte, ihr Leben zubringen wollten.

Seit dem Jahre 1793 aber ist Doberan aus seinen alten Ruinen mit neuer Pracht und Herrlichkeit hervorgegangen, und, seit der Zeit, mit jedem Jahre, immer schöner und blühender geworden, und es leidet keinen Zweifel mehr, dass sein jetziger Glanz, der sich auf wesentliche, nicht auf eingebildete Vorzüge gründet, eben darum auch nie so völlig, wie der ehemalige, erlöschen werde.

Wenn vormals fromme Pilger aus weiter Ferne nach Doberan hin wallfahrteten, um hier leichter und sicherer von ihren Sünden gereinigt zu werden, und an den, in der Kirche noch aufbewahrten, schönen Heiligtümern sich zu erbauen; dann sieht man jetzt, zwar nicht so fromme, aber noch zahlreichere und glänzendere Gesellschaften von Ein- und Ausländern, während der Sommermonate in Menge herströmen, um hier die Krankheiten und Gebrechen des Leibes abzuwaschen, und sie in der Tiefe des Meeres zu ersäufen, nebenbei auch sich an der schönen Natur sowie an den Vergnügungen der Badezeit zu ergötzen.

Die Ärzte waren von jeher über die große, durch nichts zu ersetzende Heilkraft des Seebades einig gewesen. In England hatte man schon, seit vielen Jahren, mehrere Seebäder angelegt, und mit ganz vorzüglichem Erfolge gebraucht; auch in Deutschland war man längst vom Nutzen des Seebades allgemein und vollkommen überzeugt, allein ohne an die Anlegung desselben auch nur zu denken. Wir Deutsche sind so außerordentlich uneigennützig, dass wir uns gewöhnlich mit der bloßen Theorie der Dinge begnügen, und die Vorteile der Anwendung großmütig andern überlassen. Endlich fand sich doch jemand, der im Hannoverischen Magazin die Anlegung eines öffentlichen Seebades in Deutschland zur Sprache brachte. Herr Hofrath Lichtenberg in Göttingen suchte, durch einen Aufsatz im göttingischen Taschenkalender, die gute Sache zu unterstützen, schlug zu dem Ende die Gegend von Cuxhaven vor, und forderte Herrn Woltmann auf, sein Gutachten darüber abzugeben. Herr Woltmann fand aber an jenem Orte zu viele Schwierigkeiten, und bemerkte zugleich, dass die Ostsee zur Anlegung eines großen öffentlichen Seebades weit bequemer und passender sei, weil sie den Abwechselungen der Ebbe und Flut nicht unterworfen ist, deshalb immer gleich - salziges und frisches, auch wärmeres Wasser, ohne Triebsand, nebst manchen andern Annehmlichkeiten und Vorzügen habe, die den Ufern der Nordsee fehlen. Indessen ward die Sache, durch die wiederholte und ernstliche Aufforderung unserer ersten und berühmtesten Ärzte immer dringender empfohlen. Herr Hofrath Metzger in Königsberg ließ deshalb 1793 einen Aufruf an seine preußischen Mitbürger ergehen; allein auch hier blieb es anfangs dabei, und ein späterer, auf Befehl des Königs von Preußen, im Jahr 1803 wirklich unternommener Versuch, zu Kolberg eine öffentliche Badeanstalt einzurichten, scheiterte aus mehreren Gründen. Auch wäre diese Gegend für die meisten Deutschen wohl zu abgelegen, und die Reise dahin mit zu vielen Unbequemlichkeiten verbunden gewesen.

Ungleich gelegener und schöner war die Gegend bei Doberan in Mecklenburg, wo alle Umstände, die man bei einer solchen Anstalt nur wünschen kann, sich so glücklich vereinigten. Von dieser vorzüglich günstigen Lage durch höchsteigene Ansicht überzeugt, gab Se. Durchl. der jetztregierende Herzog von Mecklenburg-Schwerin, Friederich Franz, dessen Scharfblick nichts entgeht, was seiner landesväterlichen Aufmerksamkeit wert ist, im Sommer 1793 dem Hofrat, Professor, auch wirklichen Leibmedikus Vogel zu Rostock, den Auftrag, wegen Anlegung eines öffentlichen Seebades bei Doberan die nötigen Untersuchungen anzustellen, und zugleich einen Plan zur bequemen und zweckmäßigen Einrichtung desselben zu überreichen. Die Sache ward sogleich mit der größten Tätigkeit betrieben, und schon im folgenden Jahre waren zwei Badeschiffe erbauet, und zum Gebrauche eingerichtet. Das Bad ward gleich in diesem Jahre, sowie in allen folgenden von dem Durchl. Stifter desselben, nebst mehreren Fremden und Kurgästen besucht, und im Sommer 1796 war in dem neuen Badehause an der See, auch die Einrichtung zu warmen Bädern schon zustande gebracht.

Bei Doberan ist also das erste, und wenngleich - seit den Badeeinrichtungen auf der Insel Norderney und zu Travemünde - nicht mehr das einzige, doch bei weitem das vorzüglichste Seebad im nördlichen Deutschland, und die ganze Anstalt ist, durch die fortgesetzte großmütige Fürsorge und Freigebigkeit des Durchl. Herzogs jetzt schon zu einer Vollkommenheit gediehen, die wenig mehr zu wünschen übrig lässt.

Die Badegelegenheiten am Heiligen Damme sind, seit ihrer ersten Begründung, fast mit jedem Jahre erweitert und vervollkommnet, und in Doberan, außer dem Posthause und Landkruge, welche vormals hier die einzigen öffentlichen Gasthöfe waren, mehrere öffentliche Gebäude aufgeführt worden.

Das Logierhaus, ein eigens zur Aufnahme der Badegäste und Fremden bestimmtes, sehr geräumiges, 166 Fuß langes und 2 Stock hohes Gebäude, nebst zwei zu gleichem Zwecke dienenden Nebengebäuden, und einem großen Pferdestalle, war im Jahre 1796 vollendet. Im ersten Stock dieses Hauses ist eingangs rechter Hand ein 58 Fuß langes und 22 Fuß tiefes Zimmer, welches anfangs zum Speisesaale diente, sowie auch noch im Anfange und gegen Ende der Badezeit, wenn die Tischgesellschaft noch nicht über 100 Personen stark ist, in der Folge aber, wenn die Gesellschaft mehr anwächst, gewöhnlich vom ersten Julius an, ausschließlich für die Goldbank bestimmt ist. Das große, 42 Fuß lange, und 22 Fuß tiefe Zimmer eingangs linker Hand ist zur Konversation, zu Kommerzspielen, und zum Tabakrauchen bestimmt. Außerdem beenden sich hier nach hinten zu noch zwei große Zimmer zu verschiedenen Zwecken. In dem einen Nebengebäude sind unten die Wagenremisen, im anderen Waschhaus und die Wirtschaftsgelegenheiten. Im Souterrain des großen Hauses sind Küche und Keller angebracht. In der zweiten Etage sind, in allen 3 Gebäuden, an 40 Zimmer zum Logieren eingerichtet. Es ist sehr zu bedauern, dass diese Gebäude nicht massiv, und überhaupt zu leicht gebaut sind.

Das Kaufhaus mit dem Speisesaale war im Jahre 1802 vollendet. Es steht neben dem Logierhause, ist ganz massiv, 177 Fuß lang, und 64 Fuß breit. Nach der Straße zu sind im ersten Stock 8 Kaufmannsgewölbe, jedes mit 2 Fenstertüren, und im zweiten Stocke sind ebenso viele Wohnzimmer für die Inhaber der Läden. Außerdem ist hier, eingangs linker Hand noch ein Zimmer zum Ablegen der Hüte, Mäntel und Regenschirme, und hinten, der durch beide Geschosse durchgehende und gewölbte, 90 Fuß lange, 38 Fuß tiefe, und 36 Fuß hohe Salon, mit einem daran stoßenden, 38 Fuß breiten, 26 Fuß langen, und 22 Fuß hohen Konversationszimmer. An der andern Seite des Salons sind die Schenke und 2 Zimmer zum Absetzen der Speisen. Unter dem Salon im Souterrain sind Küche und Keller. Das Gebäude ist ebenso geschmackvoll, als bequem eingerichtet, und eine wahre Zierde für Doberan.

Das Schauspielhaus an der andern Seite des Logierhauses war im Jahre 1806 so weit gediehen, dass den 2ten Julius schon die erste Vorstellung darin gegeben werden konnte. Es ist gleichfalls ganz massiv, 138 Fuß lang, 62 Fuß tief, und bis zum Dache 34 Fuß hoch. Es fasst im Ganzen an 300 Personen, die überall, alles was auf dem Theater vorgeht, sehr wohl sehen und hören können. Um alle Rangstreitigkeiten zu vermeiden, sind, außer der fürstlichen, der gräflich Hahnschen und der Theater-Loge, weiter keine Logen angebracht, sondern bloß Parkett, Parterre und die Galerie. Auch verdient es noch bemerkt zu werden, dass man hier vor der schädlichen Zugluft völlig gesichert ist, ohne doch, wegen der Höhe und der im Plafond angebrachten Öffnungen, so sehr von der heißen Stickluft zu leiden, als bei einem ganz vollen Hause sonst gewöhnlich der Fall zu sein pflegt. Die Dekorationen sowohl, als die Garderobe sind, durch die liberale Teilname des Herrn Erblandmarschalls, Grafen von Hahne, sehr vollständig und prachtvoll geworden.

Das Palais. Schon im Sommer 1806 war der Anfang mit dem Fundamente gemacht, durch die unglücklichen Zeitumstände aber die Fortsetzung des Baues unterbrochen, und konnte erst im Herbste 1807 wieder angefangen werden. Jetzt ist das Fundament mit den Souterrains vollendet. Es hat 170 Fuß Länge, und 54 Fuß Tiefe, nebst 2 Flügeln von 60 Fuß Länge, und 21 Fuß Tiefe. Das Hauptgebäude wird, zufolge des von dem Herrn Bauconducteur Severin entworfenen Risses, zwei Etagen, und in der Mitte eine Rücklage bekommen, die mit vier 30 1 / 2 Fuß hohen ionischen Säulen verziert werden soll. Die hintere Fassade hat in der Mitte eine ovalförmige Vorlage, mit ionischen Pilastern. Das ganze Gebäude wird mit ionischem Gebälke, woran sich Sparrenköpfe befinden, gekrönt; das Dach übrigens ein flaches deutsches, und hinter einer Art von Attika versteckt werden. In der ersten Etage geht man über den Flur in einen ovalen Speisesaal, und nach vorne hin sind die herzoglichen Wohnzimmer. Zu der 2ten Etage führen Treppen hinauf, zuvörderst auf einen großen Vorsaal, von wo man in einen ovalen Salon gelangt. Die übrigen Zimmer in dieser Etage sind teils für Fremde, teils für die Suite bestimmt. Die beiden Flügel werden nur eine bekommen, um die Aussicht aus dem Speisesaale nicht zu hindern, und die Zimmer derselben bloß zu wirtschaftlichem Gebrauche dienen.

Das Posthaus stand zwar schon vormals da, ist aber durch einen langen Flügel, mehrere Stallgebäude und Wagenremisen vergrößert, und außerdem sind überall, vorzüglich an der Promenade, eine Menge neuer Häuser erbaut, andere in der Höhe und Tiefe vergrößert, und fast alle zur Aufnahme der Fremden eingerichtet. Ganz Doberan ist seit der Badeanstalt so völlig umgestaltet, und auf so mannigfaltige Art verschönert worden, dass man es kaum noch wieder erkennen kann.

Vor der Anlegung des Bades im Jahre 1793 waren in Doberan 85 Häuser, fast alle nur klein und schlecht, und ungefähr 900 Menschenseelen. Geboren wurden jährlich zwischen 24 und 30 Kinder. Jetzt sind hier, alle, auch die großen, zwei verschiedenen Herren gehörigen und mit zwei Haustüren versehenen, aber unter einem Dache stehenden, Häuser nur einfach, dahingegen aber auch die kleinen für voll gerechnet, im Ganzen 127 Häuser; geboren werden schon immer über 50 Kinder, und Menschenseelen sind Martini 1807 aufgezählt 1349, darunter: 1 Apotheker, 1 Chirurgus, 1 Konditor, 1 Mahler, 1 Müller, 1 Drechsler, 1 Stuhlmacher, 1 Tapezierer, 1 Musikant, 1 Nagelschmied, 1 Pfeifenmacher, 1 Pantoffelmacher, 1 Glaser, 2 Maurer, 2 Radmacher, 2 Perückenmacher, 2 Raschmacher, 2 Böttcher, 2 Schutzjuden, 3 Schmiede und Schlösser, 3 Schlächter, 3 Töpfer, 3 Riemer und Sattler, 3 Bäcker, 4 Zimmermeister, 4 Gastwirte, 6 Fuhrleute, 8 Tischler, 8 Krämer, 12 Schneider, 19 Weber, 20 Schuster.

Außerdem ist noch eine sehr gute Brauerei in dem alten Kloster eingerichtet, die einem geschickten und tätigen Manne in Pacht überlassen worden, der schon jetzt sehr gutes Bier brauet, und in der Folge, wenn er alle nötigen Vorkehrungen hat treffen können, gewiss ganz vorzügliche Biersorten liefern wird, um so mehr, da, nach der Untersuchung eines Engländers, das doberanische Wasser besonders gut zu diesem Zwecke, und die Quelle bei dem Forstgebäude zu dem besten englischen Porter und Ale vollkommen geeignet ist.

Auch werden alle Sorten feine Liköre von dem einen Kaufmanne, Herrn Mühlenbruch selbst bereitet, und von Kennern, ihrer Güte wegen, gerühmt.

Während der Badezeit finden sich, außer den fremden Kaufleuten, immer auch einige fremde Frisöre und Raseurs, ein Zahnarzt, ein Petschierstecher oder Steinschneider, ein Scherenschleifer, ein Uhrmacher, oft auch Portraitmaler und dergleichen Künstler hier ein, die zugleich mit den Kurgästen und Fremden Doberan wieder verlassen.

Überhaupt ist in Doberan jetzt fast alles auf die Badezeit berechnet, die Häuser sind alle zur Aufnahme der Fremden eingerichtet, die neuen bloß dazu gebaut, die Zimmer deshalb meistenteils ohne Öfen, und die Häuserbesitzer zum Teil sehr dürftig, weil sie ihre Häuser oft bloß mit fremdem Gelde gebaut haben, durch die Lustbarkeiten der Sommermonate zum Müßiggang und zur Üppigkeit verleitet werden, und aus ihrer guten Ordnung kommen. Gleichwohl ist es unleugbar, dass im Ganzen der Ort sehr an Wohlstand gewonnen hat, aber nicht an Moralität und guten Sitten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte und Anekdoten von Doberan in Mecklenburg