Die Araber

Die größten Feinde des Weinstocks sind nicht die Tiergeschlechter, wie Dachse, Ratten, Mäuse, Krammetsvögel, Stare, Sperlinge, Eidechsen, Rüsselkäfer, Raupen und Wespen, nicht die Naturphänomene, wie Winde, Fröste, Hagelschauer und Platzregen, nicht die Krankheiten, wie Gelbsucht, Auszehrung, Brand, Wassersucht, Grind und Sauerfäule, nicht der verhängnisvolle Pilz Oidium Tuckeri, nicht unsinnige Gesetze endlich, wie diejenigen des römischen Kaisers Domitian und des französischen Königs Karl IX: den größten Schaden hat der Weinkultur die mohammedanische Religion zugefügt. Es ist eine interessante Erscheinung in der Geschichte des Weinstocks, daß dessen Kultur, während sie im Abendland zunimmt und sich zu immer höherer Blüte entfaltet, im Morgenland plötzlich abnimmt und von den Menschen selbst gewaltsam vernichtet wird, gerade in jenen Gegenden, wo die Wiege der Rebe fein sollte, wo ihr Gedeihen von einem himmlischen Klima begünstigt ward, und wo sie seit undenklichen Zeiten mit Liebe gepflegt und als ein göttliches Geschenk betrachtet worden war. Ja es ist sogar gewiß, daß jene beiden Erscheinungen im Osten und Westen teilweise in kausalem Zusammenhang stehen: die Beschränkung des Weinbaus in Asien und Afrika trug wesentlich zu seiner Verbreitung und Blüte in Europa bei, namentlich in Frankreich und Deutschland. Bevor hier die Herrschaft der Karolinger begann, ward im Orient jene Umwälzung hervorgerufen, die auch auf den Okzident ihre gewaltigen Wirkungen äußerte. Muhamed erhob wie durch Zaubergewalt das intelligente arabische Volk, welches durch Handel, Ackerbau und Industrie, durch Ordnung aller staatlichen Einrichtungen und sozialen Verhältnisse, durch Pflege der Wissenschaften und feinen Sinn für die edlen Genüsse des Lebens, durch reiche Phantasie in Märchen und Gesängen alle damals lebenden Völker weit überstrahlte. Allein so sehr auch die Araber, seit Jahrtausenden im Besitz des ostindischen Handels, alle Kulturgewächse schätzten, so wollte Muhamed doch nicht, daß das edelste derselben, die Rebe, von seinem Volk gepflegt werde, weil er die geistigen Wirkungen des Weins sehr wohl kannte und fürchtete. Der Koran verbietet daher seinen Bekennern streng das Trinken des Weins, freilich nicht das Essen der Trauben.



Der Islam datiert seine Zeitrechnung von 622, in welchem Jahre die Hedschra, d. h. die Flucht des Muhamed von Mekka nach Medina, stattfand. Mit reißender Schnelligkeit verbreitete sich die Lehre von Arabien aus über ganz Nordafrika bis zum atlantischen Meere, über die griechische Halbinsel bis an die Donau und March, über Kleinasien, die Länder am schwarzen Meer, über Persien nach Indien, immer getragen durch die Gewalt des Schwertes: und heute noch rufen 120 bis 140 Millionen Menschen auf der Erde Allah an und verehren Muhamed als dessen dritten und größten Propheten. Es waren also gerade die echten Weinländer, deren Bewohner die Lehre Muhameds annahmen und wo die kostbarsten Weingärten zum Teil mit fanatischer Wut von den Muselmännern ausgerottet wurden; kaum daß den Griechen, Armeniern, Juden, Guebern und deren Religionsverwandten das Anpflanzen der Rebe gestattet ward. So hörten Millionen Menschen auf Wein zu trinken, und die herrlichsten Weinberge, welche zur Zeit der Griechen und Römer gepflanzt waren, hatten keinen Nutzen mehr für ihre Besitzer. Wo aber der Weinstock erhalten blieb, wurden nicht nur feine Früchte gegessen oder getrocknet, sondern auch Wein heimlich bereitet und getrunken. In manchen Gegenden des muhamedanischen Reichs wuchs ein so vorzüglicher Wein, daß selbst ein despotisches Religionsgesetz hier nicht im Stande war, diese Gabe der Natur völlig zu vernichten. In Arabien selbst wird der Weinstock heutzutage allenthalben, wo Boden und Klima seinem Gedeihen günstig sind, mit großer Sorgfalt gebaut. Die meisten Einwohner begnügen sich wohl damit, die Frucht zu essen; einige aber lieben die berauschenden Getränke leidenschaftlich und befriedigen heimlich diese Neigung. Bei Sana im Lande Jemen finden sich mehr als zwanzig verschiedene Spezies der Rebe; und da nicht alle Trauben zu gleicher Zeit reifen, kann man mehrere Monate davon essen. In Jemen wird auch viel Palmwein, Toddy, bereitet, mit dem die Juden von Mocha an der Meerenge Bab el Mandeb bedeutenden Handel treiben. Der Palmwein ist schon seit uralten Zeiten bekannt und vielleicht nicht jüngern Datums als der Traubenwein.








Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Weins und der Trinkgelage