14. Das Trinken des weiblichen Geschlechts

Das Trinken des weiblichen Geschlechts.



Die deutschen Frauen waren schon in frühster Zeit dem Genuß stark gewürzter Weine keineswegs abhold, ja es gab selbst tapfre Trinkschwestern unter ihnen; das beweist schon die Größe und Pracht von Theudelindens Pokal, der zwei Fäuste dick war und aus einem einzigen Stück Saphir bestand. (Keyssler, Reisen durch Deutsch!, p. 84 und 293.) Je niedriger die Kulturstufe ist, auf der ein Volk steht, um so mehr nehmen die Weiber an den Sitten ihrer Männer Teil und gleichen ihnen in ihrer Lebensweise. Die Weiber der alten Teutonen waren alle Mannweiber und konnten wohl einen guten Trunk vertragen. Es gibt keine Periode, in der eine unsrer Urahnen so diffizil im Weintrinken gewesen wäre, als es eine edle Griechin oder Römerin war, und es gibt kein einziges Gesetz im Mittelalter, welches dem weiblichen Geschlecht den Weingenuss überhaupt verboten hätte, wie dies in alter Zeit geschah. Wenn die Männer aus dem Krieg oder von der Jagd heimkehrten oder wenn sie in Gastlichkeit oder Festesfeier beisammen saßen, kredenzten ihnen die Frauen den Becher. Als der Langobardenkönig Authari, der um des dänischen Herzogs Garibald Tochter, die ebengenannte Theudelinde, freite, seine Zukünftige zum ersten Mal an ihres Vaters Hof erblickte, blieb er eine Weile stumm, entzückt von ihrer Schönheit, und brach dann in die Worte an Garibald aus: „Weil wir eure Tochter so wunderschön finden, daß wir den Weinbecher ans ihrer Hand empfangen, sowie sie es in Zukunft uns thun soll.“ — Es war also das Oberschenkenamt so ehrenvoll, daß selbst Königinnen sich nicht schämten, es zu verwalten. (Paul. Diacon. De gest. Long. Lib. 3. e. 29.)




Bei der ausgedehnten Trinklust der Männer dürfen wir uns nicht wundern, wenn man auch dem schönen Geschlecht einen kleinen Rausch gar nicht hoch anrechnete, wenn Nonnen Wein- und Liebeslieder dichteten und Blaustrümpfe, zu noch höherem Fluge sich aufschwingend als ihre Schwester Sappho, den Bacchus in lateinischen Hexametern lobpriesen, wenn endlich selbst deutsche Prinzessinnen im Ruf standen, ihr Gläschen recht tapfer führen zu können. Heinrich IV. von Frankreich wollte keine deutsche Fürstentochter zur Frau, sondern sagte: „Ich würde immer glauben, eine Weinkanne um mich zu haben.“ Die Trinkstuben und Ratskeller wurden an vielen Orten nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen besucht. Als 1478 der Markgraf von Meißen zum Besuch in Lübeck war, nahm er so großen Anstoß an dieser Sitte, daß er den Ehrbaren Rat überredete, ein Verbot gegen dieselbe zu erlassen, welches jedoch nicht lange befolgt ward. Es ist uns sogar urkundlich bezeugt, daß um jene Zeit zu Lübeck vornehme Bürgerinnen, das Antlitz unter dichtem Schleier bergend, Abends in die Weinstuben gingen, um hier unerkannt messalinischen Lüsten zu frönen.

Nach einer alten Chronik tranken 1532 in einem Wirtshaus zu Münkheim drei Schwestern 32 halbe Maß des besten Weins. In einem Ratsdekret von Heilbronn steht: „Den Weibern, so dem Trunk ergeben, sollen vom Stadtknecht Zettel an den Kopf geheftet werden, mit den Worten: Versoffene Krugsurschel“. (Jäger, Geschichte von Heilbronn IV. p. 260); und ein Ratsprotokoll von Hall sagt 1640: „Erhard Geyers filia,, die sich mit dem Trunk überladen und in der Kirchen evomiret, ward ins Hetzennest condemniret zur Abscheu, und dazu um 3 ft. gestraft.“ (Volz, Würt. Jahrbüch. 18S2.) In einigen Orten Württembergs bestanden eigne Stiftungen, aus denen die Weiber jährlich eine sog. Weiberzeche halten durften, ein höchst merkwürdiger Gebrauch, der bis ans Ende des 18. Jahrhunderts fortdauerte. So war in Ochsenbach jährlich am Sonntag Invocavit eine Weiberzeche, welche man mit dem aus dem lateinischen bona, dea verstümmelten Namen Bonede nannte, wie denn überhaupt Zeit, Einrichtung und Statuten dieses Festes offenbar denen des heidnischen Bacchusfestes nachgebildet waren; auch die Exzesse dabei unterschieden sich nicht von denen, die beim Feste der bona dea in Rom vorkamen, an dem keine Männer Teil nehmen durften, außer denen nämlich, die sich, wie der bekannte Patrizier Clodius, in Weiberkleidung einschlichen. Die gute Göttin der Alten war eine Art wohltätige Fee, die über die Fruchtbarkeit der Erde und der Frauen wachte. (Ausführlich beschreibt die Ochsenbacher Weiberzeche Volz in Württemb. Jahrbüch. 1852.)



Noch im vorigen Jahrhundert hatten die Frauen nur die Wahl, entweder die Gesellschaften der Männer zu fliehen oder an ihrer Unmäßigkeit Teil zu nehmen.

So saßen sie oft zurückgezogen in ihren Häusern mit weiblicher Arbeit beschäftigt, während die Männer in den öffentlichen Schenken zusammen zechten, spielten und politisierten. Selbst den bestempfohlnen Fremden machte man nicht mit der Frau und den Töchtern des Hauses bekannt, sondern traktierte ihn lieber im Wirtshaus und ehrte ihn wo möglich mit einem Rausche. Oder aber die Weiber teilten die Sitten ihrer Männer und überschritten dann oft weiter als diese die Gesetze der Mäßigkeit und des Anstandes. Ähnlich verhält es sich noch heute. Während der Mann der Schoppenstecherei im Wirtshaus obliegt und sich hier seine aparte Häuslichkeit aufbaut, sitzen die Frauen in ihrer Kaffe- und Teegesellschaft und bilden durch solche Isolierung den eigentlichen Herd des weiblichen Philistertums. Beide Geschlechter gehen gesondert ihren geselligen Freuden nach; es ist diese Unsitte aus der Fremde in die deutscheu Gauen, besonders aus Frankreich in die Rheingegenden gedrungen, wo es geradezu als Barbarei gelten würde, wollte eine feine Dame, wie es in Süddeutschland allgemeine Sitte ist, ihren Mann in den Biergarten oder ins Kaffeehaus begleiten.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Weins und der Trinkgelage