Abschnitt 2

Uebergangszeit 1758-1803.

Die Oberleitung des Schulwesens.


Es ist begreiflich, daß bei einer solchen Behandlung der Schulsachen die Superintendenten sich nicht aufgefordert fühlten, sich um dieselben mit Eifer zu bemühen. Was die Pastoren betrifft, welchen noch die Inspection verblieben war, so ist mir ebenfalls sehr glaublich, daß sie noch weniger inspiciert haben als früher, wie ich denn selbst von öffentlichen Schulprüfungen während dieses Zeitraums nichts mehr finde. Der Unterricht des Küsters war bei Errichtung der Küsterschule der Aufsicht des Rektors unterstellt; und über den Rektor Controle zu üben, mußte um so mehr als überflüssig erscheinen, da die Pastoren nicht mehr in der Lage waren, auch nicht durch Vermittlung der Superintendenten, auf die Besetzung der Lehrerstellen irgend welchen Einfluß zu üben, und auch als unthunlich, da es keine anerkannte Norm des Unterrichts mehr gab. Vielleicht der größere Theil der Schuljugend besuchte die Nebenschulen, welche der Einwirkung der Pastoren entzogen waren. Zur Verbesserung des Schulwesens gehörten vor allem Geldmittel, welche nicht vorhanden waren; denn die pia corpora waren dem völligen Ruin nahe. Und schließlich: was war zu machen, wenn die Jugend theils gar nicht, theils mit äußerster Unregelmäßigkeit die Schule besuchte! Der Ursache aber des miserablen Schulbesuches, nämlich der Nothlage der „blutarmen und ausgemergelten“ Bevölkerung standen die Pastoren ohnmächtig gegenüber.


Als Herzog Friedrich 1771 daran ging, wie für die Landschulen, so auch für die Stadtschulen ein allgemeines Regulativ abfassen zu lassen, für welches er selbst die Grundzüge entwarf, stellte er als ersten Punkt auf: „Der Stadt-Obrigkeit ist gemeßen anzutragen, die verfügung zu machen, daß alle Kinder des orts, deren Eltern sich keine Privat-Informatores halten, von ihrem vierten jahre an, bis sie confirmiret sind, bey nahmhaffter Strafe zur Schule gehalten werden.“ In der That, die Zustände waren so weit gekommen, daß nichts andres als obrigkeitlicher Schulzwang helfen zu können schien. Dennoch finde ich nicht, daß auch nur ein Versuch gemacht worden ist, diesen Schulzwang einzuführen. Zur Abfassung jenes allgemeinen Regulativs ist es gar nicht gekommen. Und in Sternberg ist während dieses Zeitraums von keiner Seite auch nur darauf hingedeutet worden, ob nicht der Magistrat zu einer solchen Verfügung schreiten solle. Es scheint, daß angesichts des Elendes der Bevölkerung jedermann von vorn herein von der Undurchführbarkeit überzeugt war.

Aus dem Jahre 1774 liegt ein Bericht vor, welchen auf Erfordern der Regierung der Magistrat über den Zustand des hiesigen Schulwesens erstattet, insbesondere über die Schullokalitäten. Es scheint, daß die Regierung plante, eventuell die Stadt zu finanzieller Beihülfe heranzuziehen. Der Bericht, anscheinend aus Besorgniß vor solcher Eventualität, bemüht sich, die Zustände als befriedigend zu schildern. In der That war auch die Cämmerei damals in so desolatem Zustande, daß es als Pflicht erscheinen konnte, jede Mehrleistung von ihr abzuwenden.

Gegen Ende des Jahrhunderts trat eine Wendung zum Bessern ein. Der allgemeine Wohlstand mehrte sich. Speciell für Sternberg eröffnete der im Jahre 1792 zwischen der Stadt und den piis corporibus geschlossene Vergleich 43) eine Periode wirtschaftlichen Aufschwunges, vornämlich für die pia corpora, insbesondere die Hospitalstiftungen, aber auch für die Bürgerschaft und die Commune. Und als nun im Jahre 1803 der langjährige Rektor der Schule, Bürger, zum Bürgermeister der Stadt ernannt wurde, schien der rechte Zeitpunkt gekommen, welchen denn auch der Superintendent Passow sofort benutzte, um die dringend nöthige und allseitig ersehnte Verbesserung des Schulwesens herbeizuführen.




43) vgl. m. Gesch. der Sternberger Hospitalien, Jahrb. LV, S. 187 ff.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens