Abschnitt 1

Uebergangszeit 1758-1803.

Die Oberleitung des Schulwesens.


Wir haben oben (S. 18 f.) verfolgt, wie in der vorigen Periode die Einwirkung der Prediger auf Besetzung der Lehrerstellen allmählich eingeschränkt worden, und das Besetzungsrecht auf die Superintendenten übergegangen ist. Wir fanden aber auch schon Anzeichen einer Richtung, welche dahin zielte, die Mitwirkung wie der Prediger so auch der Superintendenten zu beseitigen und die Stellenbesetzung lediglich der Regierung bezw. dem Herzog vorzubehalten. Diese Richtung ist in vorliegendem Zeitraum unter der Regierung Herzog Friedrichs herrschend geworden. Ueberhaupt ist zu bemerken, wie unter dessen Regierung der Einfluß der Superintendenten auf die Schulangelegenheiten zurückgedrängt worden ist.


Es ist schon erwähnt (S. 81), wie rücksichtslos nach der Erledigung des Cantorates die schließlich doch allein annehmbaren Vorschläge des Superintendenten Hartmann von Herzog Friedrich behandelt wurden. Und im Gegensatz gegen jenen kam noch einmal das alte Vorschlagsrecht der Ortsprediger zur Geltung. Doch zwangen die Verhältnisse schließlich, jene Vorschläge, auch bezüglich der Person des zu Berufenden, zu genehmigen. Weiterhin aber ist von einer Initiative des Superintendenten nichts weiter zu finden, als daß derselbe vorkommenden Falls die Erledigung der Stelle anzeigt und auf Wiederbesetzung anträgt; er wird auch nicht zu Vorschlägen erfordert. Der Herzog von sich aus ersieht eine ihm geeignet erscheinende Persönlichkeit. Allerdings wird der Betreffende zur Prüfung an den Superintendenten gewiesen; aber ehe er noch geprüft ist, hat er seine Berufung erhalten; und dem Superintendenten bleibt nur übrig, gleichzeitig über den Ausfall der Prüfung und über die geschehene Einführung zu berichten.

Aehnlich erfolgt die Besetzung der Küsterschullehrerstelle. Die Berufung des Küsters Rehm 1731 war noch in der Weise erfolgt, daß die Prediger wie von Alters her den geeignet Erscheinenden annahmen und ihn dem Superintendenten zur Prüfung und Bestätigung zusandten. Aber schon als es sich 1772 um Bestellung eines Adjunkten für ihn handelte, geschah dieselbe so, daß nur auf Anregung der Prediger der Superintendent eine solche vorschlug, die zu bestellende Persönlichkeit aber vom Herzog berufen und zur Einweisung in das Amt überwiesen wurde. Ebenso wurde Küster Biermann 1775 dem Superintendenten zur Prüfung und Einführung zugesandt.

Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß die Superintendenten kaum noch wagten, irgend etwas in Schulsachen zu ordnen, oder auch nur zu vermitteln. Als Cantor Nusbaum 1758 beim Superintendenten Hartmann um seine Entlassung bat, wies ihn derselbe an, das Gesuch selbst an den Herzog zu richten. Als bei eben demselben 1759 Rektor Plötz, der Vater, beantragte, was von Hartmann durchaus billig befunden ward, daß ihm für Mitverwaltung des Cantorates das Salär des Cantors aus der Oekonomie ausgezahlt werde, wies Hartmann ihn an, zuvor die herzogliche Concession beizubringen. Als 1771 der neuernannte Rektor Günther beim Superintendenten Menkel zu Schwerin anfragte, ob er wegen Uebernahme des Singens mit dem Küster accordieren dürfe, erwiderte derselbe, er wisse nicht, wie der Herzog darüber denke, und gab ihm anheim, des Herzogs Entscheidung einzuholen.

In allen Stücken hatte der Herzog die Initiative und die unmittelbare Entscheidung. Und wie sehr derselbe selbständig, auch ohne Zuziehung der Regierung, verfuhr, erhellt z. B. daraus, daß 1771, als das Rektorat erledigt war, die Regierung angewiesen wurde, zum Zweck der Wiederbesetzung die behufige Ausfertigung aufzusetzen und einzusenden, aber den Raum für den Namen des Candidaten zur Ausfüllung durch den Herzog frei zu lassen.

Es ist ja nun bekannt, daß Herzog Friedrich im Allgemeinen von dem ernsten Willen beseelt war, das Schulwesen zu bessern. Aber es läßt sich, wenigstens was Sternberg betrifft, nicht leugnen, daß diese Weise des unmittelbaren Selbstregierens zu schwerer Schädigung des Schulwesens geführt hat. Es ist auffallend, wie lange es fast jedesmal dauerte, bis nach Erledigung des Rektorates wieder ein Nachfolger kam; während doch, da nur noch ein Lehrer für die größeren Knaben vorhanden war, eine schleunige Wiederbesetzung dringend erforderlich war und auch von den Superintendenten erbeten wurde. Halbjährige Vakanzen sind die Regel, während welcher denn die am meisten schulbedürftige Jugend verwahrlost verwilderte. Ferner ist im höchsten Grade auffallend, daß die Rektoren berufen wurden ohne jede Rücksichtnahme darauf, ob sie für die zu den Obliegenheiten ihres Amtes gehörende Gesangleitung qualificiert wären.

Zur Illustration des Gesagten möge noch ein Vorgang aus den Jahren 1774-1776 erwähnt sein. 1774 war Hofprediger Friedrich als erster Superintendent der neu errichteten Sternberger Superintendentur berufen. Er war im weitestgehenden Maße mit Pfarramtsgeschäften belastet worden, aber mit der Zusicherung, daß der nächst zu berufende Rektor zur Aushülfe beim Predigen herangezogen werden solle. Bald nach seinem Antritt wurde das Rektorat vakant, und Friedrich erbat unter dem 8. Dezember 1774 baldige Wiederbesetzung, auch mit Hinweis darauf, daß er die Lasten des Predigtamtes nicht lange so wie bisher tragen könne. Es erfolgte nichts. 1775, Februar 28.:

Friedrich maturiert. Keine Antwort. April 7.: der Magistrat bittet inständig um schleunige Besetzung, da die Verwilderung der Jugend bedenklich zunehme. Keine Antwort. Juli 15.: der Stadtsprecher, als Vater eines begabten Knaben, stellt flehentlich vor, welch unersetzlicher Schade der Jugend erwachse. Keine Antwort. August 24.: Friedrich macht noch einen Versuch, das Herz des Herzogs zu bewegen; nun sei auch der Küster Rehm gestorben, also überhaupt kein Lehrer mehr vorhanden; wiederholt legt er dar, daß er außer Stande sei, noch länger ohne eine Predigthülfe auszudauern. Da endlich im Oktober, also nach zehn Monaten, erhielt er die Mittheilung, daß der Candidat Sickel zum Rektor ernannt sei. Aber - da derselbe schwächlich sei und mit seiner Schularbeit genug zu thun habe, so müsse er von Pflichtpredigten befreit bleiben; wenn er, der Superintendent, meine, einer Hülfe zu bedürfen, so solle ihm gestattet sein, „als einem außer seinen reichlichen Pfarreinkünften vermögenden Manne“, auf eigene Kosten einen Collaborator zu halten. Friedrich remonstriert: er könne umnöglich annehmen, daß die bei seiner Vokation ihm gewordene Zusicherung ungültig sein solle; daher habe er die Einführung des neuen Rektors, der in der That so schwächlich sei, daß er nicht bloß nicht predigen, sondern auch kaum Schule halten könne, suspendiert und erwarte einen gnädigen Bescheid, daß ein andrer zum Rektor berufen werden solle. Die Antwort des Herzogs, 1775, December 7., lautet dahin: er habe den Rektor Sickel sofort einzuführen, die Einrichtung der Predigten aber dem Herzog zu überlassen. Bis auf Weiteres könne es hiemit gehalten werden, wie während der Vakanz. Friedrich hatte sich nämlich zuletzt genöthigt gesehen, einfach Predigten ausfallen zu lassen. Den Schluß macht 1776, Mai 2., ein Rescript des Herzogs: nachdem er vernommen habe, daß wegen Schwächlichkeit des Rektors Sickel alle 14 Tage die Nachmittagspredigten ausfielen, solle hiemit verfügt sein, daß statt dessen lieber alle 14 Tage die Frühpredigten wegfallen mögen. Die Einführung des Rektors Sickel hatte am Anfang Januar 1776 stattgefunden; die Vakanz aber hatte länger als ein Jahr gedauert.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens