Abschnitt 3

Die vorreformatorische Zeit.


Die erste Nachricht über die Schule aus der reformatorischen Zeit haben wir vom Jahre 1541, nämlich in dem Visitationsbericht des Superintendenten Riebling an Herzog Heinrich, in welchem es über Faustinus Labes u. a. heißt:


Bittet vmb einen gnedigen vrlaub: erstlich das er so ein geringe besoldung, zum andern das er niemands in der Kirchen hat, der ihm helffe singen, den der Schulmeister ist noch ein grosser papist.

Und weiter enthält das Protokoll unter der Ueberschrift:

Schulmeister zum Sternebergk.


den oben S. 4 mitgetheilten Passus, welcher hier zu vergleichen ist.

Wir ersehen hieraus zunächst, daß die Schule bis dahin gegen das Evangelium noch völlig verschlossen geblieben war. Obwohl Faustinus Labes nun doch schon acht Jahre lang hier gewirkt hatte, so hatte er sich doch bisher in seinen Predigtgottesdiensten beim Singen ohne einen Cantor behelfen müssen, weil der Schulmeister, welchem also als solchem an sich die Funktion des Cantors zugestanden haben muß, als Anhänger des alten Kirchenwesens beim evangelischen Gottesdienst nicht mitwirkte. Offenbar war die Schule noch ganz von dem Kirchherrn abhängig gewesen, und es war auch von oben her noch kein Versuch gemacht worden, auf dieselbe in reformatorischem Sinne einzuwirken: die Visitation von 1535 hat sich mit der Schule noch gar nicht befaßt.

Andrerseits sehen wir, daß der Rath schon mit voller Entschiedenheit auf reformatorischer Seite stand und dringend eine Aenderung der Schulleitung wünschte. Aus andern von Lisch (a. a. O. S. 282 ff.) mitgetheilten Aktenstücken ergiebt sich, daß schon von Anbeginn der Wirksamkeit des Faustinus Labes die Majorität der Bürgerschaft ihm zugefallen war. Bei einem so großen inneren Gegensatz zwischen der Schulleitung und der Stadteinwohnerschaft kann die naturgemäße Folge nur die gewesen sein, daß der Schulbesuch ein sehr schwacher war und demnach auch die Einkünfte des Schulmeisters erheblich sich verringerten, und es ist nicht zu verwundern, daß nunmehr kein anderer als nur ein „Ungelehrter“ sich zu diesem Posten fand.

Daß in der That in jenen Jahrzehnten der innern Gährung und beä religiösen Zwiespalts das Streben nach höherer Bildung auch hier in Sternberg tief gesunken war, finden wir bei Durchsicht der Rostocker Universitätsmatrikel in bedauerlicher Weise bestätigt. 9) Diese Thatsache, die man rückhaltlos anerkennen und sich vergegenwärtigen muß, daß die ersten Jahrzehnte nach Beginn der Reformation einen so tiefen Verfall des Schulwesens aufweisen, weit entfernt, einen Grund der Anklage gegen die Reformation zu bieten, kann nur bestätigen, daß das äußerlich stattliche Gebäude des mittelalterlichen Kirchenwesens auf einem morschen Fundamente ruhte. Die Reformation hat auch auf dem Gebiete des Schulwesens nur an den Tag gebracht, wie gar nicht die mittelalterliche Kirche im Stande gewesen war, das Volksleben mit dem Geiste des echten Idealismus zu erfüllen.

Der Reformation erwuchs nun die Aufgabe, auf einer besseren Grundlage das Schulwesen aus dem Verfall wieder aufzurichten. Dazu bedurfte es langwieriger, unverdrossener Arbeit, die aber mit gutem Erfolge gekrönt worden ist.




9) Die Uebergangszeit bis zur erfolgten Reorganisation der Schule umfaßt etwa die 40 Jahre von 1524 bis 1564; während dieser ganzen Zeit sind in Rostock nur fünf Sternberger immatriculiert worden, nämlich: 1532/33 Joachim Appelbom, 1537/38 Georgius Preen, 1547/48 Johannes Labesse, 1552/53 Thomas Kremon nobilis Sternbergensis, 1561/62 Heinricus Reich,

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens