Abschnitt 1

Die vorreformatorische Zeit.


Für Rehna weist Frahm mit größter Wahrscheinlichkeit nach, daß dort vor der Reformation (und noch bis gegen 1570) überhaupt keine Schule bestanden hat; und es kann auch nach andern Anzeichen nicht bezweifelt werden, so unglaublich es uns erscheinen mag, daß es im Mittelalter manche kleinen Städte ohne Schulen gegeben hat. Was Sternberg betrifft, so hat es nachweislich, auch damals schon seine Schule gehabt, wie es denn auch bei einer Stadt von solcher Wohlhabenheit und Bedeutung, wie sie Sternberg im Mittelalter besaß, von vornherein anzunehmen ist. Die früheste Erwähnung der hiesigen Schule finde ich in einer von Franck überlieferten, noch ungedruckten Urkunde aus dem Jahre 1503, betreffend die Aufrichtung der „Zeit Unserer lieben Frauen“ in hiesiger Kirche. Indem da die zur Unterhaltung derselben bestimmten Pächte und Zinse aufgeführt werden, heißt es:


„Dit nascreven is Pacht: darsülves de Rad thom Sternebergh hundert gude marck, Bernhard van der Lühe vefftig marck - - - -, dat Huf by der Schole vefftein marck.“

Es bestand also ein eigenes Schulhaus, und zwar offenbar schon längere Zeit, da es dazu diente, die Lage anderer Häuser zu bezeichnen. 1) Wenig später, in Urkunden vom Jahre 1514, erscheint ein Schulmeister Andreas Widenbek, auch genannt Andreas Libory de Gardeleue, clericus Haluerstadensis diöcesis, rector scolarum in Sterneberg, welcher in den Streitigkeiten zwischen der Sternberger Geistlichkeit und dem neugegründeten Augustinerkloster eine traurige Rolle gespielt hat. 2) Wahrscheinlich ist mir, daß Sternberg von seiner Gründung her, zum mindesten seit der Zeit seines Aufblühens im Anfang des 14. Jahrhunderts, diese Schule gehabt hat. Doch fehlt es an bestimmten Anhaltspunkten. Erst für das 15. Jahrhundert finde ich einen solchen in der Rostocker Universitätsmatrikel. Dieselbe weist eine nicht ganz geringe Zahl von gebürtigen Sternbergern auf. Im Laufe der circa 100 Jahre 1419-1524 4) sind nicht weniger als 38 immatriculirt, welche ausdrücklich als „de Sterneberch“ bezeichnet sind; 5) außerdem findet sich noch mancher Name ohne Herkunftsbezeichnung, der nach Sternberg zu gehören scheint; und manche von diesen haben akademische Grade, einer auch, Johannes Milcke, 1482 als decretorum doctor das Rectorat erlangt. Ein solches Streben nach akademischer Bildung setzt nothwendig voraus, daß in der Stadt selbst eine vorbereitende Bildungsanstalt bestand, deren Leistungen und Erfolge nicht ganz gering gewesen sein können.

Allerdings läßt sich nicht nachweisen, daß dieselbe mehr als Einen ständigen Lehrer, den Rector, gehabt hat. Vielmehr scheint dies dadurch geradezu ausgeschlossen, daß, wie weiter unten darzulegen ist, bei den 1540 beginnenden Verhandlungen über eine Reorganisation der Schule immer nur von Einem Lehrer, „dem Schulmeister“, die Rede ist. Andrerseits finden wir, daß das erwähnte Schulhaus, welches schon vor der Reformation stand, in nachreformatorischer Zeit außer dem Schulzimmer noch ausreichende Wohnräume für die beiden Schulcollegen gewährte. Es steht also zu vermuthen, daß, wie es überall an einigermaßen besuchten Schulen der Fall war, neben dem Rector noch ein von ihm angenommener und unterhaltener „Geselle“ (socius, locatus) thätig gewesen ist.

Die Frage, ob die Schule eine vom Magistrat begründete und unter seinem Patronat stehende Stadtschule gewesen ist, oder eine Pfarrschule, ist mit Wahrscheinlichkeit zu Gunsten der letzteren Annahme zu beantworten. Dafür spricht, daß im Jahre 1514 der Augustiner-Klosterconvent, als er sich über die Feindseligkeiten des Schulmeisters Andreas Widenbek beschwerte, sich nicht an den Rath sondern an die kirchlichen Behörden wendete, welche ihm auch einen Verweis ertheilten; sowie daß in dem Streit wider das Kloster dieser Rector durchaus als das ausführende Organ der oppositionellen Stadtgeistlichkeit erscheint, und daß, als das Kloster wider den Rector Gewalt brauchte, der Bischof von Schwerin sich des letzteren annahm und zur Strafe über das Kloster den Kirchenbann verhängte. Ich nehme darnach an, daß die Schule aus kirchlichen Mitteln begründet war und erhalten wurde, und der Rektor, durch den Kirchherrn berufen und angestellt, unter der Aufsicht des Kirchherrn und vielleicht der Oberaufsicht des Schweriner Domscholastikus gestanden hat.

Was die Besoldung des Rektors betrifft, so dürfte ein Passus aus dem Protokoll der Kirchenvisitation von 1541 (siehe bei Lisch, Jahrb. XII, S. 292) Aufschluß gewähren. Er lautet folgendermaßen:

Schulmeister zum Sternebergk.


Die Schule ist mit einem ungelerten Schulemeister versehen, der auch noch ein Papist ist. Es zeiget ein Rath, das E. F. G. gnedige vertrostungen gegeben, das sie jerlich aus gnaden wolle X fl geben dem Schulemeister zu hulffe, so wolte der Rath auch X fl darzu geben, damit er XX fl jerlich zu besoldung habe. Daruff kunte man wol einen gelerten gesellen uberkomen, der die jugent in guten kunsten, ehrlichen sitten und gotselickeit underweysen moge. Der Rath bittet undertheniglich, E. F. G. wollen Derselben Ihrer gnedigen vertrostunge gnediglich eingedenck. E. F. G. hat solche gnedige Zusage gethan zum Sterneberge am Freytage nach Letare nechst uerschienen.

Hieraus scheint hervorzugehen, daß bisher der Schulmeister eine feste Besoldung oder ein festes Einkommen aus einer besondern Schulstiftung nicht genossen hatte, sondern daß derselbe, wie es ja auch an andern Orten im Mittelalter nicht selten der Fall gewesen ist, für seinen Lebensunterhalt, abgesehen von der Wohnung, angewiesen gewesen ist theils auf das Schulgeld, theils wohl auch auf die private Wohlthätigkeit durch Freitische, theils aber und gewiß nicht am wenigsten auf solche Einkünfte, welche ihm als Kleriker aus kirchlichen Funktionen erwuchsen. So lange nun der vorreformatorische Cultus in solcher Blüthe stand, wie es zu Sternberg durch das ganze Mittelalter hindurch und namentlich gegen Ende desselben der Fall war, hat der hiesige Rektor ohne Zweifel keine Noth gelitten, zumal wenn er es verstand, Schüler in größerer Zahl um sich zu sammeln.




1) Nach dem Visitationsprotokoll von 1572 lag das Schulhaus neben der Stätte, wo früher das Elendenhospital gestanden hatte, also in der „Rydrerstrahte“ (jetzt Rittersitzstraße), ganz nahe der Kirche und wahrscheinlich vis-à-vis dem Augustinerkloster. Dasselbe Gebäude hat auch weiter noch als Schulhaus gedient, bis es im Stadtbrande von 1659 mit zerstört wurde.
2) Das Nähere siehe bei Lisch, Jahrbuch XII, S. 232 f., wozu nur auf Grund einer Mittheilung des Herrn Archivrath Dr. Grotefend zu berichtigen ist, daß der Name nicht „Windbek“ sondern „Widenbek“ lautet.
4) Das Jahr 1524 nehme ich hier als Grenze, weil dasselbe den Abschluß der Zeit bezeichnet, während welcher das mittelalterliche Kirchenwesen in Sternberg in völlig ungestörter Herrschaft bestand.
5) Die Namen sind folgende: 1426/27 Jacobus Pentzin und Tidericus Mechow, 1428/29 Johannes de Sternebergh, 1436 Bertoldus Lindewold, 1449/50 Hermanus Blucher, 1458 Johannes Stennauen und Michael Goltberch (letzterer consanguineus doctoris Bekelin), 1462/63 Joachim Haker, 1463/64 Nicolaus Scroder und Johannes Scroder, 1464 Everhardus Stolp, 1469 Johannes Milcke (welcher 1482 als decretorum doctor zum Rektor erwählt wurde) und Johannes Betcke, 1470 Johannes Willem, 1471 Vycko Smylow, 1474 Hinricus Stolp, 1475 Nicolaua Krogher, 1476/77 Marquardus Hane, 1480 Petrus Demelow, 1483 Hinricus Parsow, 1490 Gregorius Kellil, 1490/91 Petrus Scroder, 1491 Johannes Vusserin, 1492/93 Johannes Willem, 1493 Hinricus Wittenborch, 1493/94 Joachim Tengel, 1494 Johannes Bardewik, 1494/95 Theodericus Pil, 1498 Symon Jorden, 1498/99 Joachim Schunemann, 1501 Johannes Gornouw, 1505/6 Bernhardus Westuall, 1507 Joachim Voghe, 1509 Johannes Sartoris, 1517 Hinricus Pyll, 1519 Sebastianus Gildehoff, 1524 Jacobus Pijll und Johannes Diuac.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens