Abschnitt 4

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Schullokal, Wohnung und Besoldung.


Was bisher Etlichen als Gegenleistung für besondre von ihnen beanspruchte Unterweisung obgelegen hatte, wurde hiemit auf sämmtliche Bürger vertheilt, und so eine Schulsteuer eingeführt, in welcher das bisher nicht gekannte Princip zum Ausdruck kam, daß, abgesehen vom Schulgelde, jedes zahlungsfähige Glied der Gemeinde zur Erhaltung des Schulwesens beizutragen verpflichtet sei. Nur zu begründet war die in den bezüglichen herzoglichen Erlassen durchklingende Befürchtung, daß es schwer halten werde, diese Maßregel durchzuführen. Schon 1699, als der Superintendent Grünenberg zur Visitation anwesend war, beschwerte sich der Cantor, „daß das Speise-Geld unrichtig einkäme.“ Darauf kam eine Abmachung zu Stande dahin, daß einerseits das Speisegeld auf den ermäßigten Betrag von 20 Thlr. jährlich für jeden fixirt wurde, andrerseits „E. E. Raht und Viertelsmänner sich verbindlich machten, daß Sie es alle halbe Jahr, als 8 Tage nach Ostern und 8 Tage nach Miehaelis, richtig schaffen wolten.“ Allein die Bürgerschaft gab die Versuche nicht auf, die Last wieder abzuwerfen. Auf ihr Drängen hatte sich der gemüthsschwache, unverheirathete Rektor Wendeker schon bereit finden lassen, auf das Speisegeld seinerseits zu verzichten und wieder herumzuspeisen; und bei Gelegenheit der Visitation 1705/6 „brachten die Viertels-Männer aus der Bürgerschafft - - vor, daß das Speise-Geld der Schul-Collegen, als wovon nichts in der Kirchen-Ordnung, - - mögte wieder abgestellet werden.“ „Hierauf ward Ihnen von den Visitatoribus zur Antwort ertheilet: was das Herümspeifen betreffe, so wäre solches dem alten Transact zuwieder. Rector habe sich zwar gefallen lassen, solange herüm zu speisen, als Ers außhalten könnte; jedoch daß Er seine Freyheit dabey behielte, und wenn Ers nicht länger außhalten könnte, Ihm hinwieder, mit Nachdruck, zum Speise-Gelde verholffen würde. Als welches Er sich, wie Er in die Ümspeisung gewilliget, außdrücklich vorbehalten, Ihm auch verheissen worden. Da nun der Cantor, gleich dem Rectori herümzuspeisen, nicht willens wäre, (als welcher damahls schon Frau und Kinder hatte) so könnte man Ihm sein Recht nicht kräncken; zumahlen Er nun schon der Sechste sey, so Speise-Gelder, seit Sartorii Zeiten, gehoben; zudem so wäre der Vergleich, so deßwegen Ao. 1699 getroffen, zu Raht-Hause; wolte man von demselben in einem Stücke abschreiten, so würde er auch in andern, worinn er der Bürgerschafft vortheilhafftig wäre, ungültig werden. So berieff sich auch der Cantor darauf, daß Ihm, bey seinem Antritt, von E. E. Raht und Bürgerschafft freywillig versprochen worden, Ihm das Speise-Geld zu reichen, hab es auch biß hieher erhalten. Worauf endlich gesprochen ward: _Es müsse insonderheit Cantor (ohngeachtet der Rector ad tempus in die Speisung gewilliget) bey den Speise-Geldern nothwendig geschützet werden.’ Dabey denn auch Deputati der Bürgerschafft schlechterdings acquiesciret, wie davon die eigentlichen Worte im Protocollo lauten.“ Seitdem ist es bei dem Speisegeld von 20 Thlr. geblieben; ich finde auch nicht, daß nach Wendeker noch ein Lehrer sich zur mensa cursoria verstanden hätte. - Uebrigens erwuchs hieraus den Collegen ein Zuwachs ihres Einkommens. Denn nachdem so dies Herumspeisen, welches ursprünglich die Vergütung für Privatunterricht war, in eine von der ganzen Gemeinde aufgebrachte Geldzahlung umgewandelt war, kam es sehr bald dahin, daß - der Privatunterricht anderweitig mit Geld vergütet wurde. Schon 1705 war dies üblich, wurde auch in der Bürgerschaft als selbstverständlich angesehen, nur begehrte sie: „daß für die privat-Stunde ein gewisses und billiges pretium möge gesetzt werden.“ Die Resolution lautete: „Soll was gewisses gesetzet und an BurgerM. Raht und Bürgerschafft davon Nachricht ertheilet werden.“ Franck bemerkt dazu: „Ist nicht geschehen.“ Doch ist durch Herkommen, wie aus einer oben (S. 51) mitgetheilten Bemerkung zum J. 1741 erhellt, die Vergütung auf 2 ß. wöchentlich fixirt worden.


5) Aus dem Klingebeutel. Gleichzeitig mit der Verdoppelung des Schulgeldes 1654 bewilligte die Gemeinde, den Collegen „den Halbscheid aus dem Klingebeutel für die Armen angedeyen zu lassen.“ Der Klingebeutel wurde zweimal während des Gottesdienstes umhergetragen, das erste Mal für die Armen, das zweite Mal für die Kirche; aus ersterem nun also sollten die beiden Lehrer die Hälfte des jährlichen Ertrages erhalten. Etwas Anstößiges in dieser Gleichstellung mit den Armen wurde auf keiner Seite gefunden. Wie hoch etwa der Ertrag war, weiß ich nicht; doch kann er nicht ganz gering gewesen sein. Als nach dem Brande von 1741 der Gottesdienst interimistisch in der kleinen Georgskirche gehalten wurde, die verhältnißmäßig wenige Kirchgänger faßte, brachte doch der Klingebeutel für die Armen in der kurzen Zeit von Johannis bis Galli (16. Oktober) 1745 nicht weniger als 14 Mk., für die Lehrer also 7 Mk. Ich möchte glauben, daß in gewöhnlichen Zeiten der Jahresertrag für letztere kaum unter 50 Mk. gewesen sein dürfte. Jedenfalls erschien die Sache der Bürgerschaft erheblich genug, um bei der Visitation 1705 zu beantragen: „Daß das Armen-Geld, so mit dem ersten Beutel gesamlet wird, denen Armen möge zu Gute kommen“; worauf jedoch die Resolution erfolgte: „bleibet bey der Ao. 1653 den Schul-Collegis zu Gute gemachten Verordnung auff die Helffte. In der andern Helffte werden Sie billig geschützet.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens