Abschnitt 1

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Mädchen- und Nebenschulen.


Die schon im 16. Jahrhundert durch die Pastoren begründete Mädchenschule, für welche anfangs ein eigener Lehrer engagirt war, fanden wir bei der Visitation von 1623 unter die Leitung des Organisten gestellt (S. 15). Diese von dem damaligen Brauch abweichende Einrichtung, welche anscheinend aus dem Grunde getroffen war, um das an sich unzureichende Organisten-Einkommen aufzubessern, wurde zwar von den Visitatoren gemißbilligt; da aber seitens des Herzogs ein Visitationsabschied nicht erfolgte, so blieb sie bei Bestand und hat während dieser Periode im Princip in Geltung gestanden: der jedesmalige Organist sollte als solcher zugleich auch Mädchen-Schullehrer sein, und das auf Kosten der Kirche gebaute und unterhaltene Organistenhaus sollte zugleich das Lokal für die Mädchenschule sein. Auch hierin bekundet sich die organisatorische Begabung des Pastors Michael Gutzmer (1606-1638). Der Organist bezog für diesen seinen Schuldienst:


1) Holzgeld aus der Oekonomie 5 Mk.

2) Schulgeld, für jedes Mädchen anfangs nur quartaliter 3 ß., seit 1653 oder auf Verordnung der Visitatoren wöchentlich 1 ß. Dabei wurde bestimmt: „Die gantz Armen sollen sich bey den Predigern angeben, daß sie einen Zettul bringen, da soll ihnen vom Armen Gelde (aus dem Armenkasten) das Schul-Geld gegeben werden.“ Bei etwa 50 Schülerinnen konnte also das Schulgeld günstigenfalls etwa 40 Thlr. ertragen; doch dürfte in Wirklichkeit diese Summe selten erreicht worden sein, da der Organistenposten, auch bei Einrechnung des Schuleinkommens, die ganze Zeit hindurch als eine schlechte Stelle gegolten hat.

Ueberhaupt entsprach hinsichtlich der Entwicklung der Mädchen-Schule die Wirklichkeit sehr wenig dem wohl ersonnenen Plan. Die Existenz der Mädchenschule war beständig bedroht theils durch Nebenschulen, theils dadurch, daß die Organisten nicht zum Unterrichten Lust hatten, theils endlich dadurch, daß während längerer Zeiten der Organistenposten unbesetzt bleiben mußte.

Der Organist, welchen die Visitation 1623 vorfand, Nathan Wegener, ging 1625 nach Wismar in der Hoffnung, den Organistendienst an der dortigen St. Marienkirche zu erhalten. An seiner Statt wurde sein Bruder, Daniel Wegener, berufen, mit welchem die Prediger „wohl zufrieden“ waren. Da aber Nathan in Wismar in seiner Erwartung sich getäuscht sah, kehrte er binnen Kurzem nach Sternberg zurück und machte seinem Bruder Concurrenz. „Er hatte hier noch seine alte Bekannten, und die Bürger, wie Gutzmer schreibt, waren der Neulicheit begierig. Der Bürge-Meister, Johann Pölchow, räumete Ihm eins von seinen Häusern ein, und Nathan fing also eine Neben-Schule von Mädgens an, hatte auch mehren Zugang als sein Bruder Daniel, dessen Mädgen-Schule darüber fast gar einging. - - Die Prediger liessen Nathan fodern, stelleten Ihm vor, was Er für Unordnung anrichte, und wie unbillig er seinen Bruder beeinträchtige. Doch Nathan berieff sich auf den Stadt-Magistrat, als hätte derselbe Ihm erlaubet, solche Schule anzulegen. Nun wolte zwar der Magistrat solches nicht an sich kommen lassen, als der Pastor Gutzmer sich auf die Ao. 1614 ergangene Verordnung bezog, als worinn Hertzog Hans Albrecht dem Rahte bey 100 Thlr. Strafe verboten hatte, sich keiner Kirchen- und Schul-Sachen weiter anzumaßen. Indessen war doch Nathan immerhin mit seiner Neben-Schule fortgefahren; deßwegen die Pastores nöhtig erachteten, hievon zu referiren; welches aber vergeblich war, indem die Wallensteinische Zeiten hierauf einfielen. Es scheinet auch wohl, daß Daniel Wegener dieses Dienstes gleichfals bald müde geworden sey, anerwogen schon 1632 denselben Josua Gutzmer gehabt. Dieser war des Pastoris Michael Gutzmer Sohn.“

Das Schreckensjahr 1638 machte vorläufig allem ein Ende; wahrscheinlich ist Josua Gutzmer mit seinem Vater der Pest erlegen. Die Orgel war unbrauchbar geworden. 1653 war sie wiederhergestellt; und die Prediger waren willens, nun wieder einen Organisten anzunehmen, wie denn mit Rücksicht darauf die Erhöhung des Schulgeldes beschlossen wurde. Aber es scheint, daß die Wiederbesetzung der Stelle noch nicht erfolgt war, als in dem Brande von 1659 die eben reparierte Orgel vollständig zu Grunde ging, und auch das Organistenhaus niederbrannte.

„Nach diesem Brande dauerte es 24 Jahre, ehe wieder auf die Herstellung der Orgel konnte gedacht werden.“ Natürlich blieb auch der Organistenposten unbesetzt. 1683 griff der Senior Sukow das Werk an und förderte es mit unermüdlicher Energie, sodaß 1687 die neue Orgel geweiht, und wieder ein Organist, Selschop, berufen werden konnte. Derselbe ging aber nach kurzem wieder fort, und ebenso sein Nachfolger, „wegen des schlechten Gehalts, und da sie sich mit der Mädgens-Schule nicht befassen wollten.“ Es scheint, daß sie die Mädchen-Unterweisung unter ihrer Würde hielten. Um nun dauernd einen Organisten zu haben, wurde 1690 der Dienst mit dem Cantorat verbunden, womit also die Mädchenschule preisgegeben war. Freilich hörte jene Verbindung 1694 wieder auf, da der Cantor Vorast „in der Instrumental Music nicht erfahren war.“ Es wurde auch 1695, „weil das alte Organisten Hauß, so zur Mädgen Schule nach dem Brande hingeschafft war, bereits den täglichen Einfall drohete, ein neues und dauerhafftes Hauß für den Organisten gebauet“ (für 200 Thlr.). Die Visitation von 1705 bestimmte von neuem bezüglich der Mädchenschule: „Soll der Organist halten.“ Und nun fand sich auch ein Organist, Nicolaus Krebs, bisher zu Russow, welcher sich nicht für zu gut dafür hielt: „Die Mädgens-Schule hielte er beständig; empfing auch auf arme Kinder aus dem Kirchen-Kasten; es war aber seine Schule nur selten über 20 starck.“ Er starb 1729. Nun wurde der Organistenposten dem Cantor Kapherr übertragen, welcher ihn auch behielt, als er 1737 Bürgermeister wurde, welcher aber natürlich weder als Cantor noch als Bürgermeister weder in der Lage noch geneigt war, Mädchenschule zu halten. Im Brande von 1741 wurde wieder die Orgel zerstört. Kapherr behielt sein Organistengehalt noch bis an seinen Tod 1751. Dann aber wurde, um Geld zu sparen, die Wiederbesetzung des Postens verschoben, bis wieder eine Orgel gebaut sein würde, und letzteres verzögerte sich - bis 1823!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens