Abschnitt 4

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Die Schulcollegen

B. Cantoren


18) Friederich Carl Maculehn 1737-1750, Sohn eines früheren Schnellläufers, derzeitigen Schloßvogts zu Güstrow. Er hatte bisher als Notar in Güstrow eine kärgliche Existenz gehabt. Protection verschaffte ihm dies Canterat. Bei der Einführung „hielte der Praepositus (Franck) eine Rede von der harmonia praestabilita und applicirte solche auf die beyden Schul-Collegen. Der gewesene Cantor nahm seinen rühmlichen Abschied in einer beweglichen Rede von dem Unterschied der Töne in der Music; der neue aber trat sein Ambt an mit einer lateinischen Oration von Erziehung der Jugend. Die Rede war recht wohl gemacht; Er verrieht aber dabey, daß Er nicht Verfasser derselben; indem Er sie nicht einmahl recht lesen konnte, sondern vielfältig in den Accenten und sonst verstieß. Die Prediger glaubten, daß der Superintendens Ihn nicht müsse examiniret haben. Der Praepositus ermahnete Ihn darauf in seinem Hause, daß Er möglichsten Fleiß anwenden mögte, die Jugend im Catechismo wohl zu unterweisen, auch Schreiben und Rechnen, nach allem Vermögen, wohl zu treiben; als worauf es bey dieser Schule, sonderlich in des Cantoris Stunden, hauptsächlich ankomme.“ Aber weder die harmonia praestabilita noch der Fleiß in der Unterweisung der Jugend wollte sich zeigen. Vielmehr gefiel sich der Cantor in einem unsäglich ärgerlichen Lebenswandel. Den Unterricht versah mit rühmlichem Eifer an Stelle des Cantors seine Frau, welche von Anfang auch eine Mädchenschule unterhalten hatte. Der Cantor trieb lieber seine frühere Notariatsbeschäftigung, die er benutzte, um Unfrieden in der Bürgerschaft zu säen und sie gegen den Magistrat aufzuhetzen. Nachts trieb er sich in den Schenkwirthschaften umher. Auch gegen ihn, wie gegen seinen Collegen Rektor Plötz, erhoben sich viele Klagen, aber ebenfalls ohne wesentlichen Erfolg. Auf eine im Jahr 1740 beim Consistorium eingereichte Klage des Magistrates erfolgte nichts weiter, als daß die Prediger beauftragt wurden sub poena Remotionis ab officio ihm anzubefehlen, „daß Er nach diesem die Ihm anvertraute Jugend fideliter, im Lesen, Schreiben, Rechnen, und in der Latinitaet, wie es gewöhnlich und gebräuchlich ist, informiren, die Schul-Stunden ordentlich abwarten, unter denselben nicht aliena vomehmen, auch sein Leben und Wandel also anstellen solle, damit weder die Jugend, noch die Gemeine, ein Aergerniß daran nehmen könne.“ Aber die Aergernisse wurden zahlreicher und schlimmer. Und als es ruchbar wurde, daß er mit den Kindern der von seiner Frau unterhaltenen Mädchenschule Unzucht getrieben, wurde auch gegen ihn, wie gegen den Rektor, im Jahre 1744 der Proceß beim Consistorium anhängig. Aber derselbe dauerte ebenfalls 6 Jahre, und als endlich das Urtheil, welches auf Landesverweisung lautete, im Begriff stand, rechtskräftig zu werden, starb der Cantor am 6. Januar 1750, nachdem er zuvor sich bußfertig bezeigt und das hl. Abendmahl, nach sechsjähriger suspensio a sacris, empfangen hatte. Am folgenden Sonntage „that der Praepositus, anstat der Danksagung, eine Vorstellung an die Gemeine, berührte seinen unordentlichen Wandel und grobe Aergerniß, auch Versäumung der Jugend; zeigete seine gespürte Buße an, preisete Gott für seine Langmuht, womit Er diesen groben Sünder getragen, bat die Gemeine, solcher Aergernisse nunmehro zu vergessen, und wünschte der Wittwe göttlichen Trost. Am selbigen Abend geschahe die Beerdigung desselben in aller Stille, an dem Tropfenfall gegen Osten (also außerhalb der Kirche an der Ostwand). Es hätte dieselbe, nach Verordnung des Superintendenten nahe an der Kirchhofs-Maur geschehen sollen. Aber diese kam erst den Tag darnach an.“ - „Mit Besetzung des Cantorats verzog es sich eine geraume Zeit; theils weil der erste Candidat, der sich dazu meldte, und vom Ministerio an den Superintendenten recommandiret ward, wenige Lust hatte solchen schlechten Dienst anzunehmen; theils weil der andre Candidat, den der Superintendens bey der Herzogl. Regierung vorschlug, gleich nach außgestandenem Examine krank ward, auch in der Cantzeley die Relation des Superintendentis von solchem Examine verleget war. Daher die Jugend ein halb Jahr lang in der Irre ging.“


19) Carl Leopold Nusbaum 1750-1758, aus Teterow gebürtig. Er wurde durch den Superintendenten eingeführt und zwar in der Kirche, weil (nach dem Brande) noch keine Schule wieder erbauet war. „Derselbe hielte eine Rede über Jes. 61, 3 von den Bäumen der Gerechtigkeit und Pflantzen des Herrn zum Preise; der Cantor handelte darauf in der seinigen vom Nutzen der Schulen. Von den Schul-Kindern waren nur 20 zugegen.“ Zur Verbesserung seines Einkommens war ihm das Provisorat des hl. Geistes übertragen. 1758 wurde er „als Collega an das Lyceum in Wismar berufen“ und erhielt vom Superintendenten das Zeugniß, „treu, unverdrossen und unsträflich.“ Er ist der letzte studierte Cantor gewesen. Nach seinem Abgange wurde die Cantorstelle aufgehoben. Anlaß war die wachsende Mittellosigkeit. Man verwendete nun die Einkünfte des Cantors zur Aufbesserung des Rektorates. Zur Hülfe aber beim Unterricht wurde nunmehr der Küster berufen. Diese Aenderung markiert einen völligen Umschwung der ganzen Schuleinrichtung, worüber weiterhin zu berichten sein wird.

Ueberblicken wir nun dies über anderthalb Jahrhunderte sich erstreckende Verzeichniß der Lehrer an hiesiger Schule, so ergeben sich einige allgemeine Bemerkungen.

Was die Tüchtigkeit der Männer betrifft, so wird - abgesehen von den letzten Zeiten - der Eindruck im allgemeinen ein befriedigender sein. Nur ausnahmsweise sind schlechte Lehrer zur Anstellung gelangt und fast nur dann, wenn der geordnete Proceß der Berufung durch fremde Einflüsse durchkreuzt war. Es kann hiernach den Pastoren, welche in erster Linie für die Besetzung der Lehrerstellen maßgebend waren, die Anerkennung nicht versagt werden, daß sie dabei sorgfältig verfahren sind. Außerdem ziehen wir den Schluß, daß die Einkommensverhältnisse als nicht ungünstig gegolten haben müssen; erst gegen Ende der Periode erfahren wir, daß das Einkommen der Cantoratsstelle für schlecht angesehen wurde. - Auch insofern ist der Eindruck ein befriedigender, als der Lehrerwechsel ein verhältnißmäßig nicht häufiger war. Die Rektoren sind durchschnittlich fast 14 Jahre, die Cantoren durchschnittlich 7 Jahre im Amte gewesen. - Der Herkunft nach waren - bis auf etwa sechs - alle Mecklenburger. Auffallend ist, daß, während in der Zeit vor dem 30jährigen Kriege die Lehrer der Mehrzahl nach gebürtige Sternberger waren, in späterer Zeit der Fall überhaupt nicht mehr vorkommt, daß ein Sternberger hieher in’s Schulamt berufen wird. Eine Erklärung hierfür finde ich nicht. - Was das Vorleben der Berufenen betrifft, soweit wir davon Kenntniß haben, so wurden die meisten, namentlich unter den Cantoren, unmittelbar vom Universitätsstudium in’s Schulamt berufen; etliche waren schon eine Zeitlang Hauslehrer gewesen. Der Fall, daß einer aus auswärtigem Schuldienst hierhergekommen, findet sich nicht. Ausnahmsfälle sind, daß einer vom Bürgermeisteramt oder aus einer Notariatsbeschäftigung zum Schuldienst gelangt. Ebenso nur ausnahmsweise findet einer Anstellung, dessen Vorleben im schlechten Sinne ein abenteuerliches gewesen. - Blicken wir nun auf das Ausscheiden aus dem Amte und auf dessen Ursachen, so finden sich auch hier nicht viele Fälle, welche als abnorm zu bezeichnen wären. Etwa die Hälfte sind durch Berufung in’s Pfarramt oder in anderweitigen Schuldienst ausgeschieden, nämlich unter den Rektoren 6, unter den Cantoren 9, verhältnißmäßig nicht wenige durch vorzeitigen Tod, nämlich unter den Rektoren 1, unter den Cantoren 4. Unter den Rektoren sind 3 nach längerer Dienstzeit im Alter hierselbst verstorben. Emeritierung ist in einem Falle erfolgt, Absetzung in zwei Fällen. Bemerkenswerth erscheint, daß dreimal der Fall vorkam, daß der Cantor in ein städtisches Communalamt als Rathsherr oder Bürgermeister überging; und daß nur in einem einzigen Falle ein Aufrücken vom Cantorat zum Rektorat stattgefunden hat - Endlich sei erwähnt, daß unter den Rektoren nachweislich 6, möglicherweise noch mehr, im hiesigen Schuldienst verheirathet gewesen sind; und während bei den Cantoren in früherer Zeit das Ledigsein durchaus die Regel war, finden wir etwa seit 1700, daß auch die Cantoren durchweg verheirathet waren. Letzteres ist wohl dadurch bedingt, daß die Cantoren, weil ihr eigentliches Einkommen nicht mehr ausreichend war, darauf bedacht sein mußten, bürgerlichen Nebenerwerb, etwa durch Ackerwirthschaft, zu suchen, zu welchem Zwecke sie einen eigenen Hausstand gründen mußten. Es führt uns dies auf die Besoldungs- und Wohnungsverhältnisse.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens