Abschnitt 3

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Die Schulcollegen

B. Cantoren


5) Daß der Cantor die Music gantz nicht verstehe, dahero die Bürger-Kinder dasjenige, was Sie bey dem vorigen Cantore gelernet, alles wieder vergessen.


6) Daß der Cantor die Rechen-Kunst nicht verstehet, da doch die Bürger an diesem Ort darauff am meisten reflectiren, daß Ihre Kinder im Rechnen und Schreiben mögen informiret werden.

7) Daß der Cantor die Schul-Knaben nicht im Catechismo unterrichte. Wie Er denn noch nicht einmahl, so lang Er Cantor gewesen, denen Kindern den Catechismum examiniret.

8) So hat der Cantor, aus der Oeconomei sowohl als von den Knaben, sein Holtz-Geld empfangen, dagegen aber die Bürger-Kinder frieren lassen, daß Sie es nicht aushalten können, ja gar den Rectorem dazu vermogt, daß Er in des Cantoris kleinen Stube, in Gegenwart der Cantoris Familie, die Knaben informiren müssen.

9) So giebet der Cantor den Schulknaben Bey- oder Oekel-Nahmen, daraus denn die Jugend böse Exempel fasset.

10) Wil der Cantor die Bürger-Kinder nicht zur publiquen Schule admittiren, wo nicht die Knaben bey dem Cantore beständig privatim gehen wollen.

11) Beschweren sich die Bürger, daß ihrer Kinder Schreib-Bücher nicht corrigiret, so lange dieser Cantor Mund hier ist.

12) Bezeigete der Cantor, bey seinen gesunden Tagen, wenige Luft ihre Kinder zu informiren, sondern, wenn das geringste dem Cantori fürfiele, mußten die Knaben zu Hause gehen.

13) Musten in der Woche, wenn Fastnacht ist, die Knaben 2 Tage Urlaub haben, unter dem Vorwand, es were Fastel-Abend.“

Alle Betheiligten, in erster Linie die Prediger, bestürmten die Regierung in immer wiederholten und immer dringlicheren Gesuchen, dem unleidlichen Zustande ein Ende zu machen, den Rektor zu emeritiren und den Cantor zu versetzen. Aber da nach dem Tode des Superintendenten Grünenberg 29) (4. Januar 1712) die Superintendentur längere Zeit unbesetzt war, in der Regierung aber Mundt Gönner hatte, so war alles vergeblich. Endlich, nachdem von Krakewitz Trinitatis 1713 Superintendent geworden, kam die Sache in Fluß und führte dahin, daß Mundt am 19. December 1713 durch den Präpositus in der Schule in Gegenwart etlicher Zeugen „pro remoto erklärt“ wurde. Derselbe wandte sich nach Wismar, von da nach Kopenhagen, wo er bald darauf starb.

16) Franz Heinrich Röhl 1713-1716, aus Neubrandenburg. „Er hatte daselbst, unter dem Magister Stricker, so hernach daselbst Rector ward, einen guten Grund in humanioribus geleget, und dabei die Vocal-Music wohl excoliret, womit Er sich aber auch, vielleicht schon in der Jugend, Schaden an der Lunge gethan, daher Er bereits einen Anstoß von der Schwindsucht hatte, welche mit der Zeit immer mehr und mehr überhand nahm; da Er viel Singen mußte, und dabey den Frantz-Branntwein, wiewohl nur mäßig, beliebte. War sonst von gutem Fleiß, bescheidenem Wesen, verträglichem Gemühte und aufrichtiger Gottes-Furcht. Er verheyrathete sich mit des seel. Pastoris Frick hinterlassenen Tochter, und gab ihr Stieff-Vater, der Pastor Susemihl, Ihnen die Hochzeit. Er zeugete auch zwey Söhne, die aber sehr zärtlich waren, und bald sturben.“ Er selbst „nahm im Weynachten 1716 ein sehr vernünfftiges und Christliches Ende, in Gegenwart des Rectoris, der seinen Tod schmertzlich empfand, indem Er jederzeit mit Ihm in gutem Vertrauen gelebt hatte.“ - Wieder Vakanz von einem halben Jahre. Einer, der sich gemeldet hatte, mußte „die Probe singen.“ „Da Er aber in der Music nicht gründlich erfahren war, und zum Choral, in dieser sehr großen Kirche, eine gar zu schwache Stimme hatte: so baten die Prediger den Superintendenten, einen andern in Vorschlag zu bringen.“

17) Johann Christian Kapherr 1717-1737, Predigersohn aus Remkersleben bei Magdeburg, „ein geborener Musicus,“ frequentirte zu Oschersleben und Halberstadt, ward „Praefectus im Chor zu Malchin,“ studierte von 1715 an zu Rostock unter Arnd, Engelke, Fecht, Aepinus. Als der Superintendent ihn zum Cantorat ausersehen, „hatte er anfänglich nicht große Lust zu diesem Dienst, weil dabey ein schlechtes Einkommen. Der Superintendens aber machte Ihm Hoffnung, daß, wenn der Organist zu Sternberg stürbe, Ihm auch dieser Dienst solte beygeleget werden.“ Bei seiner Introduction hielt er „eine lateinische Rede von der Music als einem Theil der mathematischen Wissenschafften.“ Bald darauf heirathete er, verlor ober seine Frau schon 1718. „Die Music trieb dieser Cantor so fleißig; daß auch die Sternbergische Schule, auf etliche Meilen hingehohlet ward, um bey Adelichen Leichen zu musiciren; wofür manch guteß Accidens erfolgte.“ Mit Franck lebte er im besten Einvernehmen und gedeihlichen Zusammenwirken. Aber dessen Nachfolger Plötz machte ihm das Leben sehr sauer, und als er nun auch die Schule unter dessen Rektorat mehr und mehr verfallen sah, ließ er sich 1737 zum Bürgermeister wählen und wurde zugleich Stadtsecretär. Den Organistendienst hatte er 1729 überkommen und behielt ihn auch als Bürgermeister, bis im Brande von 1741 die Orgel zu Grunde ging und vorläufig nicht wieder erbaut wurde. Ein Sohn von ihm, Hartwig Stephanus Kapherr, welcher Cantor in Friedland war, wurde 1749 zum Substituten des Präpositus Franck berufen und heirathete dessen Tochter.




29) Ueber ihn bemerkt Franck: „Ein Mann, in welchen Gott alle Gaben, die zu so wichtigem Ambte gehören, reichlich geleget hatte; von unermüdetem Fleiß, Klugheit und Hertzhafftigkeit; der hiesiger Schule gern wieder aufgeholffen hätte, wenn es bey Ihm gestanden. Denn so ließ Er sich des Schulwesens sonderlich angelegen seyn; verstand es auch aus dem Grunde, indem Er selbst anfänglich zu Ottersen, im Lande Hadeln, und darnach zu Stade Rector gewesen war“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens