Abschnitt 3

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Die Schulcollegen

A. Rektoren (seit 1610)


Die Arbeitslast war um so größer, als der Cantor Mundt wegen der gegen ihn schwebenden Disciplinaruntersuchung nicht mehr fungirte, und also Franck ein halbes Jahr lang die Schule allein verwaltete. Er griff die Arbeit mit großem Eifer an, und der Erfolg zeigte sich schon nach einem halben Jahre, als der Superintendent herüber kam, um den neuen Cantor Röhl zu introdudren. „Die Schul-Jugend hatte sich nun solchergestalt vermehret, daß nicht Raum genug auf der Schule war, den Cantorem ansehnlich zu introduciren. Auf Veranlassung des Superintendenten muste also der Rector Frank, mit seinen Schülern, in die Kirche kommen; woselbst sich auch die Prediger sammt dem Magistrat versamleten. Der Superintendens trat in die Schrancken des Altars; der Rector gegen Ihm über, mit seinen ordentlich gestelleten Schülern; die Prediger in ihre, und der Magistrat in die Communicanten-Stühle. Der Superintendens hielte eine erbauliche Rede von der Nothwendigkeit und Nutzbarkeit guter Schulen; bezeugte seine Freude über die gegenwertige, als von welcher Er sagte, daß es vordem die schlechteste, nun aber die beste in seiner gantzen Superintendentur sey. So sehr Ihn für diese Schule gegrauet, da Er die Superintendentur angetreten, so hertzlich freue Er sich, da Er sie nun so vorzüglich finde. Erinnerte die Prediger Ihrer Inspection, und ermahnete den Raht und anwesende von der Bürgerschafft zur Wohlthätigkeit gegen treue Schul-Lehrer. Er hatte die Bibel beständig in der Hand, und laß, zu mehrer Ueberzeugung, daraus die angezogene Sprüche her; wobey sich mancher über seine Fertigkeit im Aufschlagen verwunderte. Hierauf gingen alle ordentlich nach der Schule, worauf der Superintendens d. 13. Apr. den Cantorem gewöhnlichermaßen an sein Ambt wieß.“ „Als hierauf den 28. Apr. Schul-Examen gehalten ward, so exhibirten 9 Schüler Ihre, in Gegenwart der Inspectorum, gefertigte Exercitia styli, welche noch vorhanden, und theils absque vitiis geschrieben sind. So viel hatten diese Schüler, welche vor anderthalb Jahren kaum fertig lesen können, bereits profitiret. - - Als auch nur in den ersten Monahten die vorher Verwilderten durch scharffe disciplin wieder in Respect und Ordnung gesetzet waren: so brauchte es weiter keiner rigueur, sondern die Lehrer waren so bescheiden und freundlich, als die Schüler ehrerbietig und willig; also daß dadurch sehr viele Bürger-Kinder gereitzet wurden zu studiren.“ Franck bezog, nachdem er sich den 16. Februar 1714 mit der ältesten Tochter des Präpositus Sukow verheirathet hatte, ein eignes Haus, welches ihm Raum bot, 10 Schüler von auswärts in Pension zu nehmen. „Der Ruf von dieser Schule kam auch dergestalt aus, daß einige Schüler Swerin und Wismar verliessen und nach Sternberg gingen. Die Ambt-Männer von Rhena und Neuen-Calden, das ist von einem Ende Mecklenburgs biß zum andern, schickten ihre Söhne hieher. Es sind noch die Registere über das eingehobene Schul-Geld vorhanden, daraus zu ersehen, daß sich der Schüler Anzahl biß 87 erstrecket, da man vordem - - nicht vier paar (zur Leichenbegleitung) zusammen bringen können. Unter solchen waren auch ettiche vom Adel, als Claus von Lützow, des damahligen Land-Marschalls Sohn, Johann Christopher von Nolk, eines Schwedischen Obristen Sohn, aus der Insul Oesel bey Lieffland, Lorentz Friedrich von Endten, aus der Graffschafft Oldenburg, und Friederich Poltzin aus der Provintz Schonen in Schweden. Deßgleichen noch an Edelleuten aus Mecklenburg, einer von Oldenburg und der von Ehrenstein, so jetzo Herr auf Großen Görnow, der doch nur allein, um der frantzösischen Sprache willen, beym Rectore im Hause war, und nicht in die öffentliche Schule ging. Die sich unter den Schülern auf die Theologie legen wolten, wurden so weit gebracht, daß Sie die Bibel in beyden Grund-Sprachen verstehen konnten; die Theologia Catechetica ward Ihnen aus Grunebergs Catechismo beygebracht; auch mit einigen Auserlesenen die Theologia Thetica und Polemica getrieben. Daher es denn kam, daß viele von hier, mit gutem Nutzen, ad altiora schreiten konnten; wie denn Ao. 1719 auf Ostern, mit einmahl, fünfe von hier nach Universitaeten gingen, - - - deren zu geschweigen, welche zur andern Zeit von hier nach Universitaeten gegangen, und nun in Ehren-Aembtern sitzen.“ Ende 1716 starb der Cantor Röhl, und da es sich mit der Wiederbesetzung des Cantorates verzog, so übernahm Franck noch einmal auf ein halbes Jahr die Schularbeit allein. 1717 erfolgte die Substitution in’s Pfarramt; 1721, nach Sukows Tode, wurde ihm für die Zeit des Gnadenjahres dessen gesammte Pfarramtsthätigkeit neben dem Rektorat übertragen. „Er wartete auch diese beyde Dienste, deßgleichen die Oeconomie, bey gesundem Leibe, mit vergnügtem Gemühte, ab. Es fing aber auch die Schule an, nun wieder dünner zu werden; nachdem keine frembde weiter herzukamen; indem Jedermann gedachte, der Rector würde doch nun nicht lange mehr bey der Schule bleiben; wiewohl, wenn es bey Ihm zugekommen wäre, Er sobald noch nicht würde abgedanckt haben, indem das Informiren jederzeit seine vergnüglichste Arbeit gewesen war.“


Nach Ablauf des Gnadenjahres, 1722, wurde er nun zum wirklichen Pastor berufen und legte das Rektorat nieder.

11) Johannes Christophorus Plötzius 1722-1760, „ein bejahrter Studiosus aus Güstrow, woselbst Er auch und zu Prentzlow frequentiret. Da Er denn die Schul-Studia, sonderlich die Poesie, sehr wohl begriffen, und darauf zu Rostock die Theologie studiret. Nachdem Er weitläufftig herum conditioniret, hielte Er sich nun in Dömitz auf; woselbst Er einiger Herren Rähte Kinder informirte, die Ihm auch zu diesem Dienst nach Sternberg verholffen.“ Die Introduction vollzog im Auftrage des Superintendenten der Präpositus Susemihl. „Der Präpositus hielt dabey eine Rede von der Beschwerlichkeit des Schul-Ambtes. Der Pastor (Franck) handelte in seiner Abschieds-Rede von Mecklenburgs Bekehrung zum Christenthum, wie dieselbe so schwer gehalten, weil man keine Schulen angelegt, zuletzt aber doch durch zwey vormahlige Schul-Lehrer, als Bischof Otto von Bamberg und Vicelino beschaffet worden. Darauf Er auch erzählte, was Ihm von der Sternbergischen Schule bekannt war, und wie es Ihm dabey ergangen; rühmte in Gegenwart des Rahts und einiger Bürger die sonderbare Güte und Liebe, welche Sie Ihm bey seinem fast neunjährigen Rectorat genießen lassen; worüber manchem die Thränen in die Augen kamen. Der Praepositus danckte Ihm darauf sowohl für seine bißherige, als auch für diese letzte Schul-Arbeit. Als nun die Reihe an den neuen Rector kam, so hielte Er eine kurtze deutsche Rede de Jure Patronatus, darinn Er die gegenwärtige Prediger aufs höhnischste herum nahm, daß Sie sich unterstehen wollen, bey Beruffung eines Schul-Lehrers die denomination desselben zu praetendiren, als welches Er für einen unerträglichen Päbstlichen Hochmuht ausschrie. (vgl. S. 22) - - - Jedermann hörte bey diesem wunderlichen Antritt des Rectoris hoch auf, und prognosticirte daraus für unsre Schule nichts gutes.“ In der That ist die Zeit seines Rektorates, welches leider ausnehmend lange, fast 40 Jahre, dauerte, für die Schule eine beispiellos traurige gewesen, zumal seitdem 1737 an die Stelle des tüchtigen Cantors Kapherr der Cantor Makulehn getreten war, dessen ebenfalls ziemlich lange Wirksamkeit (1737-1750) eine fast ununterbrochene Reihe von Skandalen gewesen ist. Es kam dazu, daß infolge des Stadtbrandes von 1741 ein totaler Ruin aller städtischen Verhältnisse hereinbrach, aus welchem sich die Stadt lange nicht erholen konnte, und unter welchem die Schule in jeder Beziehung gelitten hat - Was den Rektor Plötz betrifft, so schreibt Franck weiter von ihm: „Es war der Rector im Anfange ziemlich fleißig, und zeigete damit, daß Er sowohl Geschicklichkeit als Wissenschafft genug besäße, um einer Schulen wohl vorzustehen. Die Biblischen Geschichten brachte Er der Jugend wohl bey; es wurden auch etliche des lateinischen Styli bey Ihm ziemlich kundig. Doch hat Er in allen Jahren, die Er hier gewesen, nur einen eintzigen, durch privat Information, soweit gebracht, daß Er von hier nach Universitaeten gehen könnte. Dagegen aber fing er auch bald an, die andern alle zu versäumen, und alle gute Ordnung übern Hauffen zu werffen.“ Die Autorität der Prediger respectirte er nicht, bereitete ihnen vielmehr bei Ausübung seiner gottesdienstlichen Funktionen die ärgerlichsten Hemmnisse. Seinem Collegen Kapherr machte er das Leben so sauer, daß derselbe schließlich resignirte. Mit dessen Nachfolger lag er ebenfalls in beständigem Streit. Den Unterricht versäumte er in dem Maße, daß die Zahl der Schüler, deren er bei seinem Antritt noch 60 vorfand, bis auf 10, ja bis auf 3 herunterging, die er nicht einmal soweit förderte, daß sie fertig lesen konnten. Fragt man, wie es möglich war, daß er im Amte bleiben konnte, wie er denn auch im Amte gestorben ist, so trägt die Hauptschuld die unendliche Schwerfälligkeit der damaligen kirchlichen Jurisdiction. An Klagen und Untersuchungen hat’s nicht gefehlt, aber sie führten nicht zum Ziel. Endlich im Jahre 1743, nach einem neuen unglaublichen Exceß in der Kirche, begann ein ernsthafter Proceß vor dem Consistorium, der sich aber durch volle 7 Jahre hinzog, und damit endete, daß der Rektor nicht etwa zur Amtsentsetzung, sondern zu einer Geldstrafe verurtheilt wurde. So konnte er sein Wesen zum unersetzlichen Schaden der Schule gegen 40 Jahre treiben. Von seinen Lebensumständen ist zu erwähnen, daß er im Jahre 1729, freilich gegen den Willen des Vaters und erst nach dessen Tode, die Tochter des 1727 verstorbenen Präpositus Susemihl heirathete und damit Schwager des Pastor Susemihl wurde, welcher nach des Vaters Tode zweiter Prediger hieselbst geworden. Franck berichtet von dieser seiner Frau: „Doch nahm sich nun (in den Jahren nach dem Brande, als die Schuljugend sich wieder zu mehren begann) auch des Rectoris Frau, wie sonst des Cantoris Frau allein gethan, der Unterweisung an. Daher man bey der Jugend so viel an Wissenschafften spürete, als diese Frauens geschickt waren Ihr beyzubringen; wenigstens konnten die Catechumeni, so auf grünen Donnerstag Ao. 1747 solten confirmiret werden, nun mehrentheils zimlich lesen, woran es sonst bey den meisten vor dem gefehlet hatte.“ Ueber das letzte Jahrzehnt seines Lebens bin ich ohne nähere Nachricht. Die Aushebung des Cantorates, mit welcher diese Periode unserer Schulgeschichte schließt, überlebte er nur noch 2 Jahre. Er starb, 75 Jahre alt, am 16. Januar 1760 und wurde „in dem Schulbegräbniß in der Kirche eingesenkt.“ seine hinterlassene Wittwe starb 1770. Ein Sohn, Conrad, wurde des Vaters Nachfolger im Rektorat.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens