Abschnitt 2

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Die Schulcollegen

A. Rektoren (seit 1610)


9) David Wendeker 1699-1713, aus Rostock, erlangte das Rektorat dadurch, daß sein Bruder, Johannes Wendeker, Prediger an St. Marien zu Wismar, ihn dem Superintendenten Joh. Peter Grünenberg empfahl. Dieser introducirte ihn auch persönlich, „wobey Er sich, nach seiner wohlbegabten Beredsamkeit, angelegen seyn liesse, Ihn alhie beliebt zu machen. Nun hatte dieser neue Rektor auch Gelehrsamkeit genug zu solchem Dienst. Er war auf den besten Schulen, unter geschickten Männern, gewesen. Als zu Rostock, unter dem Rectore M. Georg Niehenk; zu Güstrow unter dem Rectore, Licentiat Godfried Vogdt, deßgleichen auch in Wismar, worauf Er die Theologie zu Rostock, unter den Doctoribus Varenio, Cobabo (einem Sternberger) 24) und Siricio getrieben. So gut aber sein Gedächtnis, Treue und Fleiß; so schlecht war sein Verstand und die davon abhängende Aufführung. Daher Er sich bey der Schul-Jugend unmüglich bey geziemendem Respect erhalten konnte; zumahlen solches Uebel, mit den Jahren, noch immer mehr zunahm. 25) Daher auch die mit ihm arbeitende Cantores verdrossen wurden; indem Er immer wieder einriß, was sie aufbaueten. Endlich sahe Er selbst wohl, daß Er zu diesem Ambt nicht aufgeleget wäre. - - - Er begehrte also selbst, daß Er, mit Ehren, mögte dieser Last überhoben werden. Darauf Er pro emerito erklähret und Ihm, aus den piis corporibus etwas zum Unterhalt gereichet ward; nachdem Er diß Ambt 14 Jahr geführet, und sich niemals verheyrathet hatte.“ Im Jahre 1711 stellten die Prediger in einem Schreiben an den Canzler von Unverfährt vor: „daß der Schade, welchen die hiesige Jugend von dem, wegen seiner melancholischen wunderlichen Aufführung zur Schule gar untauglichen Rectore Wendeker gehabt, bereits unersetzlich sey.“ Mit allem Nachdruck betrieben sie seine Emeritirung, welche jedoch erst 1713 perfekt wurde. Wendeker lebte darnach noch 19 Jahre, „indem Er allererst Ao. 1732 starb, nachdem Er ein hohes Alter erreichet und das Gesicht zuletzt mehrentheils verlohren.“


10) David Franck 1713-1722, durch welchen die Schule binnen Kurzem aus dem tiefsten Verfall zur höchsten Blüthe geführt wurde. Die Lebensbeschreibung dieses bedeutenden Mannes, von seinem Sohne verfaßt, findet sich im Registerband seines Geschichtswerkes. Ich verweise darauf und beschränke mich hier darauf, dasjenige mitzutheilen, was er selbst über seine Jugendschicksale und sein Wirken als Rektor hiesiger Schule handschriftlich hinterlassen hat. Er schreibt von sich in dritter Person: „Zu Lychen in der Ukar-Marck ward Er Ao. 1682 den 13 ten[/H] April gebohren. SeinVater, der 48 Jahr daselbst Pastor gewesen, hatte zehn Söhne, unter welchen dieser der achte. In der Jugend informirte Ihn sein Vater selbst. Darauf sandte Er Ihn nach Prentzlow, woselbst Er, bey dem fleissigen Rectore Oesterreich, im Hause war, der sehr viel auf Ihn hielte, und ihn zu den nützlichsten Wissenschafften anführete. Er kam darauf nach Berlin ins Closter Gymnasium, an welchem damals der Rector Samuel Rodigast, der Conrector Sebastian Godfried Stark, und der Sub-Rector Johann Leonhard Frisch stunden, welche drey Männer in der gelehrten Welt genugsam bekannt seyn, und insonderheit, wegen ihrer großen Wissenschafft in Sprachen, berühmt geworden. Diese führten Ihn mit allem Fleiß und Treue an.

Von dem Con-Rectore ließ er sich noch dazu privatim und von dem Sub-Rectore, der nachdem Rector geworden, privatissime in Sprachen informiren. Ao. 1702 d. 11 ten Maji ward Er zu Rostock immatriculiret, blieb daselbst vier Jahr und hörte zuförderst die Philosophie unter dem damahligen Magistro Franc. Alb. Aepino, so nachhero Doctor und Professor Theologiae auch Consistorial-Raht daselbst ward. Deßgleichen unter M. Just. Wessel. Rumpaeo. Ferner die Theologie unter D. Johann Fecht, D. Johann Nicol. Quistorp, D. Johann Peter Grunenberg und D. Zach. Grap, deren großer Ruhm sich allenthalben genugsam ausgebreitet. Er disputirte zweymahl publice unter D. Andr. Dan. Habichhorst, welcher Ihn deswegen sonderlich liebte, weil er Rector der Schule zu Lychen Ao. 1652 gewesen war, wozu Ihn Frankens Groß-Vater, als Inspector daselbst, befodert hatte.“ Von 1705 an war Franck Hauslehrer, zuerst 3 Jahre in Stresow in Pommern, seit 1708 in Trenthorst bei Lübeck bei Herrn von Wetken, dessen Gemahlin eine Stieftochter des hiesigen Präpositus Sukow war. Dadurch vermittelte sich seine Berufung nach Sternberg im Jahre 1713. Wie oben erwähnt, meldete er sich bei den Predigern, welche ihn bei der Regierung zum Rektor denominirten. Sukow hatte ihm zugleich in Aussicht gestellt, ihn zu seinem Substituten im Pfarramt bestellen zu lassen. „Der Cantzler von Klein ließ Ihm sagen: Er sollte nur nach Rostock reisen und sich daselbst zum Examine bey dem Superintendenten von Krakewitz melden; die Hochfürstliche Verordnung deßwegen solte gleich nachkommen. Frank that auch solches und meldete sich bey seiner Ankunft zu Rostock an den Superintendenten. Aber dieser gab Ihm anfänglich schlechte Vertröstung, indem er sagte: Es wäre zu Sternberg ein Cantor (der schon genannte Mundt), welcher bey obhandener Veränderung nach der Billigkeit zum Rectorat ascendiren müßte. Denn er kannte damahls Mundten noch nicht, und war Ihm, aus angeregter Ursach, gewogen. Frank ging also zu dem Doctore Fecht, bey welchem Er vordem seine meisten Collegia in der Theologie, sowohl Examinatoria als Disputatoria, gehalten, an welchen er auch vor einiger Zeit etliche Specimina von seinem fortgesetzten Fleiß gesandt hatte, wie die Fürstliche Verordnung ergangen war, daß die Candidati Ministerii sich bey dem Superintendenten melden und von Ihnen nach Ihrer Tüchtigkeit solten classificiret werden. Solchen Catalogum schlug der Doctor Fecht auf und fand, daß Frank mit in die erste Classe der Candidaten gesetzet war. Daher Er Ihm sehr wiederrieht, Er solte sich doch nicht in eine Schule stecken lassen; Er käme nimmer wieder heraus, denn die Gemeinen wählten niemahls Schul-Bedienten, wenn Sie gleich noch so offt aufgestellet würden; indem Sie sich für den Transport ihres Hauß-Gerahts scheueten. Wie Er aber sahe, daß Frank, der von der mit obhandenen Substitution zum Pastorat Ihm noch nichts sagen durfte, dennoch bey seinem Vorsatz bliebe: so fuhr Er hin zum Herrn von Krakewitz und machte Ihm einen guten Begriff von diesem Candidaten. Als nun, nach etlichen Tagen, auch das Hochfürstl. Mandatum vom 16. Sept. bey dem Superintendenten ankam, so ließ Er denselben zu sich fodern, und examinirte Ihn aus der Theologia Catechetica bey zwey Stunden lang, bat Ihn darauf zu Gaste und gab Ihm seine gute Neigung völlig zu erkennen.“ An die Regierung berichtete er über ihn: „Ich kan bezeugen, daß derselbe so viel Capacitaet hat, daß er würdig, nicht allein diesen Dienst, sondern ein mehrers zu bekleiden. Wie Ich denn aus seiner Conversation, die Ich einige Tage mit Ihm gehabt, auch dieses schließe, daß Er von gantz guten Sitten und verträglichem Wesen, daher bey diesem Subjecto nichts auszusetzen habe.“ Die Introduction, welche der Präpositus im Auftrage des Superintendenten vollzog, geschah am 26. October in folgender Weise: „Der Praepositus Sukow und der Pastor Susemihl nahmen den Rectorem in die Mitte und führten Ihn nach der Schule, funden daselbst Burge-Meistere und Raht, auch etliche von der Bürgerschaft versammlet. Deßgleichen auch den Rectorem Wendeker mit funfzehn Schülern. So jämmerlich war die Schule verwüstet, da Sie doch vor Mundtens Ankunfft noch gegen 60 starck und unter denselben viele außwärtige gewesen waren. Der Rector Wendeker ward zuförderst, als ein Emeritus, seines Dienstes mit Ehren entlassen; wobey der Praepositus eine Rede von wohlverdienten Schul-Rectoribus hielte. - - - Der neue Rector trat sein Ambt mit einer lateinischen Rede, de Scholis Ebraeorum, an, und der Praepositus verwieß die Schul-Jugend an Ihn.“ Der Plan des Präpositus, sich Franck im Pfarramt substituiren zu lassen, in welcher Aussicht er ihm sofort von den Einkünften der seit 1712 mit Sternberg combinirten Pfarre zu Sülten die ihm zustehende Hälfte abgetreten hatte, verwirklichte sich nicht sofort; der bezügliche Antrag wurde abgelehnt unter Hinweis darauf, daß man Franck, „da er mit Einrichtung des sehr verdorbenen Schulwesens noch genug zu thun habe, nicht mit allzu vieler Last überhäuffen wolle.“




24) Michael Cobabus wurde 1626 in Rostock als unbeeidigter immatrikuliert, studierte 1631 zu Königsberg (siehe Balck, Mecklenburger auf auswärtigen Universitäten, II, Nr. 1911, Jahrb. XLIX, S. 133), 1633 wieder in Rostock. Er starb als Professor der Theologie zu Rostock 1686. Wendeker muß also, als er Rektor in Sternberg wurde, sein Studium schon längere Zeit beendet gehabt haben.
25) Das Visitationsprotokoll von 1705 sagt von ihm: „Hat gar feine studia, ist aber was schwach von Gemüthe, welches pro temporis ratione sich mehr oder weniger äussert.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens