Abschnitt 2

Die nachreformatorische Zeit bis zur Aufhebung des Cantorats 1758

Die Oberleitung der Schule.


Konnten nun die Pastoren sich nicht verbergen, daß es mit ihrer bisherigen absoluten Selbstherrlichkeit fortan aus sein werde, so suchten sie doch möglichst viel davon zu retten und eine möglichst unmittelbare Stellung unter dem Fürsten sich zu sichern. Sie stellen vor: ob das fürstliche Patronatsrecht, durch sie, die Prediger, oder durch den Superintendenten ausgeübt und gewahrt werde, bleibe sich doch im Grunde gleich. Sie bitten, die Sache dahin zu ordnen, daß jedenfalls das jus vocandi und die denominatio der Schulcollegen den Predigern verbleibe. Die confirmatio habe der Herzog entweder selbst oder - wenn es nun einmal so sein solle - durch den Superintendenten. Die introductio aber, welche für letzteren zu umständlich sein würde, möge den Predigern belassen werden. Ebenso auch das Recht der Inspection in vollem Umfange, so daß „wenn ein Lehrer untüchtig ist, und wir mit Grund bei dem Herzog oder dem Superintendenten klagen, er alsdann ab officio removiret werde“.


In der That haben diese Vorstellungen im Wesentlichen Erfolg gehabt.
Ein herzogliches Rescript vom 14. Juli 1609 sichert den Predigern zu, daß „ihre alten Rechte“ nicht gekränkt werden sollten. „Nur daß ihr nicht ohne unser als Patroni Vorwissen und Consens Lehrer ein- und absetzet.“ Sie selber hätten ja das Patronatsrecht des Herzogs anerkannt und bekannt, daß sie nur in seinem Namen gehandelt hätten.

Zur Schlichtung der vorliegenden Streitfrage bezüglich der Absetzung des Cantors Polchow wurde gleichzeitig eine Commission abgeordnet, an welcher der Superintendent Colerus, der Hauptmann Vieregge und der Hofgerichtsassessor Dr. Joachim Schönermark theilnahmen. Diese nun freilich schärfte den Predigern ein, sich hinfort solcher Eigenmächtigkeit zu enthalten, und entschied, daß Polchow, welcher nach einem scharfen Verweis Besserung gelobt hatte, vorläufig sein Amt weiter verwalten dürfe. Als aber darauf die Pastoren beim Herzog vorstellten, was denn aus dem von ihnen schon berufenen und schon zugezogenen Johann Mester, „dem armen gesellen“, werden solle, ob er nicht den andern beiden als dritter Lehrer adjungirt werden könnte, entschied der Herzog, daß Polchow zu Michaelis seines Amtes entsetzt sein und Mester introducirt werden solle.

Fortan wurde es bei Besetzung der Lehrerstellen so gehalten, wie die Prediger vorgeschlagen hatten, und zwar ohne daß der Superintendent zugezogen wurde.

Im Jahre 1610 zeigten die Prediger dem Herzog an, daß der bisherige Rektor Michael Jordan freiwillig resignirt habe. Sie denominiren zugleich zu seinem Nachfolger den Gabriel Rosenow, welchem sie das Zeugniß der Tüchtigkeit ausstellen. Sie bitten zu genehmigen, daß sie, die Prediger, jenen entlassen und diesen introduciren. Das fürstliche Rescript vom 30. April ertheilt die Genehmigung und begnügt sich, nur noch einzuschärfen, daß die Prediger solches „nur in unserm als alleinigen patroni Namen“ auszurichten hätten und sich „keiner gerechtigkeit am jure patronatus anmaßen“ sollten.

Das gleiche Verfahren finden wir im Jahre 1612 unter Herzog Adolf Friedrich bei der Neubesetzung des Cantorats.

Bezüglich der Stellung des Magistrats zur Schule wurde im Jahre 1614 - gleichzeitig mit der in meiner Geschichte der Hospitalien (Jahrb. LV, S. 155 ff.) mitgetheilten Verordnung, durch welche der Magistrat von der Mitverwaltung der Hospitäler ausgeschlossen wurde - an die Prediger die Anweisung erlassen, hinfort nicht mehr, wie es im Jahre 1609 geschehen war, Bürgermeister und Rath bei Besetzung der Lehrerstellen zuzuziehen, „damit dieselben hieraus mit der Zeit nicht ein Jus machen mögten“. -

So war denn nun dem bisherigen Zustande, wonach die Oberleitung des Schulwesens eine rein lokale war, insoweit ein Ende gemacht, als im Prinzip wenigstens festgestellt war, daß die wichtigste Funktion der Schulinspection, die Bestellung der Lehrer, nicht ohne Wissen und Zustimmung des Fürsten ausgeübt werden dürfe. Weitere Beschränkungen folgten mit der Zeit.

Als im Jahre 1621 nach dem Tode des bisherigen ersten Predigers Caloander der bisherige Cantor Georg Wolff zum Prediger berufen war, wendete sich Gutzmer - zugleich im Namen dieses seines demnächstigen Collegen - an den Herzog Adolf Friedrich und denominirte zum Cantor den Thomas Nigrinus als einen durchaus qualificirten Mann. Die Antwort vom 18. Juni lautete zustimmend, aber mit der Maßgabe, denselben zuvor durch den Superintendenten examiniren zu lassen. Dagegen remonstrirte Gutzmer in einer Eingabe vom 9. Juli mit aller Entschiedenheit. Es würde dies dahin führen, daß nicht mehr die Pastoren, sondern die Superintendenten die Bestellung der Lehrer in Händen hätten; letztere aber seien nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Schule so völlig, wie die Pastoren, beurtheilen zu können; es sei zu befürchten, daß dieselben sich durch fremde Rücksichten bestimmen lassen möchten u. s. w. 22) Wirklich hatte er mit diesem Schreiben Erfolg! Der Herzog verwies ihm seine „affektvolle“ Ausdrucksweise, concedirte aber, daß die Prüfung durch den Superintendenten unterbleibe. Bei den nächsten Berufungen in den Jahren 1622, 1626, 1628 (unter Wallenstein) war auch davon nicht die Rede: Empfehlung und Zeugniß seitens der Pastoren wurden als ausreichend angenommen, und die confirmatio erfolgte ohne Weiteres. Anders aber im Jahre 1633. Die Pastoren - noch immer war Gutzmer im Amte - denominirten zum Cantor den Sternberger Predigersohn Caspar Caloander. Der Bescheid des Herzogs Adolf Friedrich lautete dahin, derselbe solle sich zuvor beim Superintendenten in Wismar zum Examen stellen. Wieder remonstrirten die Prediger dagegen mit Nachdruck, aber diesmal vergeblich: es erfolgte die Antwort, daß es bei vorigem Bescheide zu verbleiben habe. Erst nachdem darauf der Superintendent - Wenzeslaus Ottfar - die Prüfung angestellt und das Zeugniß ausgestellt hatte, erfolgte die Bestätigung. Und nun wurde auch die Introduction nicht mehr den Pastoren überlassen, sondern der Superintendent angewiesen, dieserhalb das Erforderliche zu veranlassen.

Allerdings ist es auch nach dieser Zeit noch etliche Male vorgekommen, daß ohne Vermittlung des Superintendenten auf bloßen Vorschlag der Prediger ein Lehrer berufen wurde. Aber es waren dies durch besondere Umstände bedingte Ausnahmen. Auch die Introduction wurde fortan nur noch auf besondern Antrag und mittels ausdrücklicher Dispensation den Predigern zugestanden. Als Regel galt fortan, daß der Superintendent, nach vorgängiger Prüfung, im Namen des Fürsten den Lehrer zu vociren und zu introduciren habe.




22) Dies Schreiben Gutzmers enthält einen Passus, welcher über die damalige Einrichtung des Kirchengesanges interessante Auffschlüsse gewährt: „So befürchte ich auch zum 8., daß unsre mittbürgere, die adjuvantes chori symphoniaci, so gar gute erfahrene musici sein und biß daher unser Chor in der kirchen mitt ihren stimmen undt kegenwarth uff die hogen feste undt andere Sontagen gesterket undt gezieret undt die Musicam figuratam erhalten helffen haben, die Schulgesellen undt unsern Chor gar verlassen werden undt möchte also das studium musicum, das alhie in etzlichen Jahren wie notorium zimlich zugenommen, dadurch wiederumb in merklichen abgank gerathen, sonderlich wan durch die Herren Superintendenten, die offtmalß in Musica Figurali selbst nicht geübet, unser Schulen solte ein solcher Schulgeselle auffgedrungen werden, damit sie nicht content und zufrieden sein könten.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens