Abschnitt 4

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Stellung der Schule zur Kirche, zur Commüne und zum Staate.


„Demnach ist es allerdings ein Factum, daß die Oberaufsicht der Schule jetzt bei der obersten Staatsbehörde ist, und eben darum werden wir, obgleich wir vom kirchlichen Standpunkte aus die Entwickelungen nur beklagen können, die dies Resultat gehabt haben, nimmer sagen: die Schule ist um der alten Geschichte willen Kirchenanstalt. Aber ebensowenig darf man der Kirche, die Schulen gehabt hat, ehe der Staat daran dachte, die immer noch den meisten Stoff für die meisten Schulen hergiebt, die aus ihren Mitteln viel mehr als der Staat für Schulen thut, deren Diener ohne Ausnahme in den Schulen und für die Schulen arbeiten, die man geradezu halbiert, wenn man ihr die Schulen wegnimmt, die endlich sich selbst Schulen schaffen müßte, wenn man ihr ein theilweises Recht an diesen bestehenden Schulen nicht als Eigenthum und Recht, sondern nur als „Einräumung“ zugestehen wollte - dieser Kirche darf man nicht sagen: die Schulen sind, der allerneuesten Geschichte wegen, Staats- und Communalanstalten, auf welche der Kirche nur eine Mitwirkung aus dem geistlichen Standpunkte eingeräumt ist. Es geht beides nicht mehr, weder daß die Kirche noch daß der Staat die Schule als seine Anstalt ausschließlich in Anspruch nehme. Die Kirche würde diesen Anspruch nicht durchführen können; und selbst wenn der Staat die Schule an die Kirche überweisen wollte, so würde der Kirche die Ausübung des Schulzwanges, die executivische Beitreibung des Schulgeldes u. s. w., kurz der ganze bureaukratische Apparat, welcher der modernen Schule eben als Staatsanstalt zugefallen ist und sie so vielfach von ihrer Idee, eine Erweiterung der elterlichen Kinderpflege zu sein, abgebracht hat, nur eine störende Last sein. Andererseits würde aber auch der Staat nicht wohl thun, die Schule pure als Staatsanstalt zu behandeln, aus den vorerwähnten Gründen, und auch darum nicht, weil die realen, Schulen schaffenden Mächte nicht sowohl im Staate als in der Kirche, dem Hause, der Commüne liegen, weil diese realen Mächte die Opposition gegen solche Staatsoccupation niemals aufgeben könnten und würden, und weil solche Opposition manche Handhabe darin fände, daß die Oberaufsicht des Staates über die Schulen wohl factisch geworden, aber noch keineswegs nach allen Seiten rechtlich festgestellt ist. - - Mithin achten wir es für das allseitige Ziel, daß, nachdem alles gekommen wie es gekommen, nunmehr kein Theil darauf ausgehe, die Schule einseitig in seine Botmäßigkeit zu bringen und den andern Theil auf eine bloße Einräumung zurück zu drängen, daß vielmehr von beiden Seiten aufrichtig gestrebt werde, der Schule und den Schulen eine Stellung zu geben, welche sowohl dem Staate als der Kirche eine rechtliche Basis gewährt, auf welcher sie dieselben pflegen und für ihre Interessen nutzen können. Dies wird denn freilich nur mittels einer Reihe einzelner Feststellungen geschehen können, wie denn auch Verschiedenes schon in diesem Sinne geschehen ist; und kann daher die obige Ausführung nur das bezwecken, einmal gegen etwa aus der vorgedachten Aeußerung des hohen Ministerialrescriptes zu ziehende Consequenzen die Kirche zu verwahren, und sodann, bei dieser Gegenheit dem hohen Ministerium einmal ausführlicher die Gedanken dargelegt zu haben, welche diesseits über diese Verhältnisse bestehen.“


Es erfolgte hierauf unter dem 8. Juli ein Ministerialrescript folgenden Inhalts: „Inwieweit die Schul-Ordnung für die Stadtschule in Sternberg Veranlassung gegeben hat, allgemeine Beziehungen zwischen Oberschulbehörde und Oberkirchenbehörde zur Verhandlung zu bringen, wird anderweitig ein Austrag darüber statthaben müssen; rücksichtlich der Ergänzungen aber zu jener Schul-Ordnung dürften die auf der Anlage aufgeführten und formulierten den Forderungen des Oberkirchenraths entsprechen. Dies vorausgesetzt würde derselbe nunmehr kein Bedenken haben können, die Verfügungen zur Zahlung der aus den Mitteln der St. Georg-Stiftung verheißenen Beihülfen zur Erhaltung der Stadtschule zu erlassen.“

Die erwähnten „Ergänzungen zur Sternberger Schulordnung von 1851 (sic!)“ lauten:

„1) Zu §. 18-20. Der Prediger als Mitglied des Schulvorstandes hat die Eltern schulversäumender Kinder durch den Schulboten zur Verwarnung und Vermahnung zu sich zu laden, und falls sie nicht erscheinen oder sich nicht bessern, das Verzeichniß derselben dem Magistrate zu übergeben, welchem die weitere Untersuchung und nach Befinden die Bestrafung obliegt.

2) Zu §. 39, 2. Der hier gewählte Ausdruck: „aus einem der Ortsprediger, nach Bestimmung des Oberkirchenraths“ schließt selbstverständlich die Befugniß in sich, daß der Oberkirchenrath ein Alternieren der beiden Ortsprediger verfügen könne.

3) Zu §. 54. Der §. 18, 2a des Regulativs vom 7. März 1850 ist hier aufzunehmen, also lautend: Die Besetzung der Lehrerstellen, mit welchen Kirchendienste verbunden sind, geschieht zwar von der Oberschulbehörde, jedoch nach zuvorigem Benehmen mit der Oberkirchenbehörde.

4) Zu §. 90. Der §. 22 des Regulativs vom 7. März 1850 ist hier aufzunehmen, also lautend: Der in der Schule nach dem Bekenntniß der lutherischen Kirche zu ertheilende Religions-Unterricht wird von den Organen der Kirche selbständig und ohne Betheiligung der Orts- oder Oberschulbehörde geordnet, geleitet und überwacht.“

Abschließend nun antwortete hierauf der Oberkirchenrath unter dem 30. September: „Dem hohen Unterrichtsministerium geben wir aus den abschriftlichen Anschlüssen zu ersehen, daß wir, in der Voraussetzung, daß die mittels eines hochgefälligen Schreibens vom 8. Juli uns mitgetheilten Ergänzungen zur Sternberger Schulordnung’ bereits zur Geltung gebracht sind, geordnet haben, was diesseits wegen des Sternberger Schulwesens zu ordnen war.“

So war denn auch die Stellung der Sternberger Schule zur Kirche, zur Commüne und zum Staate nunmehr definitiv geordnet, und abschließend ist nur noch zu erwähnen, daß die in der Schulordnung noch unentschieden gelassene Ordnung bezüglich der Verbindung der Kirchendienste mit Lehrerstellen nach commissarischen Verhandlungen mittels Regulativs vom 31. Oktober 1851 dahin geregelt wurde, daß Cantor-, Organisten- und Küsterdienst mit je einer der seminaristischen Lehrerstellen mit der Maßgabe verbunden wurden (§. 12): „In keinem Falle dürfen zwei Kirchendienste je wieder einem und demselben Lehrer übertragen werden. Dagegen sollen aber die in diesem Regulativ beregten Kirchendienste so lange mit den betreffenden Lehrerstellen vereinigt bleiben, als die Stadtschule eine evangelisch-lutherische bleibt.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens