Abschnitt 3

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Stellung der Schule zur Kirche, zur Commüne und zum Staate.


Außerdem sprach der Oberkirchenrath nicht als Rechtsverwahrung sondern als Bitte aus: „Zu §. 40 (die Mitglieder des Schulvorstandes müssen Angehörige der Landeskirche sein’) müssen wir das hohe Unterrichts-Ministerium inständigst bitten, unserer evangelisch-lutherischen Kirche nicht die Benennung Landeskirche’ geben zu wollen, an welcher ihr viele schwere Erinnerungen hängen, und welche stets bei ihren Gliedern Mißverständnisse und Mißtrauen hervorruft. Es liegt etwas in jener Benennung, was den Segen der Bestellung einer besonderen Kirchenbehörde wieder aufhebt.“


Kurz zusammengefaßt also richtet sich die Verwahrung dagegen: daß die durch Bestellung der Oberkirchenbehörde erfolgte und ungeachtet der inzwischen eingetretenen Wiederabkehr von den Tendenzen des Jahres 1848 bei Bestand gebliebene Verselbständigung der Kirche gegenüber dem Staate ignoriert und beeinträchtigt worden sei.

Das Ministerium in seiner Antwort (vom 16. April), welche ebenfalls dem Großherzoge zur Entscheidung überreicht wurde, erklärte zunächst - von minder Wesentlichem abgesehen -, daß die Aufnahme der älteren Ausdrucksweise „landesherrlich und oberbischöflich genehmigen“ in die durch das Unterrichts-Ministerium gegebene Bestätigungs-Urkunde auf einem „unbeachtet gebliebenen Versehen der Conception“ beruhe und durch eine nachträgliche Erklärung an den Magistrat gehoben werden könne; eine Beeinträchtigung der Rechte des Oberkirchenrathes sei dabei nicht beabsichtigt worden. Im Uebrigen erklärte das Unterrichts-Ministerium die aufgeführten Beschwerdepunkte nicht für begründet erachten zu können, gab jedoch gleichzeitig Erklärungen und Anerbietungen, welche die Beilegung der Differenzen in Aussicht stellten.

ad. 1. Der §. 22 des Regulativs habe ohne Beeinträchtigung des Rechtes der Kirche weggelassen werden können, da dies Recht „als allgemeines Princip anderweitig anerkannt worden“ sei, wie auch bezüglich der Lehrereinführung durch die Superintendenten „andern Ortes allgemeine Zusicherung gegeben“ worden sei, doch unterliege es keinem Bedenken, den §. 22 noch nachträglich in die Schul-Ordnung aufzunehmen.

ad 2. Ebenso bezüglich des §. 18, 2a des Regulativs.

ad 3. Die fragliche Befugniß sei dem Prediger in guter Absicht zugewiesen nicht als eine Last, sondern als ein Recht; wenn jedoch „der Oberkirchenrath vorzieht, daß sich die Kirche dieser wichtigen Einwirkung auf die Schuldisciplin begebe, so kann der Staat, der ihm mehr geboten, als er haben will, diese Ablehnung nur seiner Verantwortlichkeit überlassen“; es mögen also §§. 18-20 aus der Schul-Ordnung hinweggenommen werden.

ad 4. Die Ausdrucksweise in §. 39, 2 der Schul-Ordnung schließe durchaus nicht aus, daß der Oberkirchenrath auch das jahrweise Alternieren der Prediger anordnen könne.

ad 5. Daß der Bürgermeister und nicht der Ortsprediger den Vorsitz im Schulvorstand habe, „entspricht der zur Zeit bestehenden Eigenschaft der Schulen als Staats- oder Communal-Anstalten, auf welche der Kirche nur eine Miteinwirkung aus dem geistlichen Standpunkte eingeräumt worden ist.“

Abgesehen also von diesem letzten Punkt war hiemit, wie es auch nach der Stellung der betheiligten Persönlichkeiten nicht anders zu erwarten war, die Aussicht auf Verständigung gegeben; wie denn auch der Großherzog seinerseits keine Entscheidung zu fällen nöthig fand, sondern die Hoffnung aussprach, „diese Sache werde auf gedeihliche Weise durch Verhandlung erledigt werden.“ Die Rückäußerung des Oberkirchenraths (vom 14. Mai) konnte am Schluß aussprechen: „Wir geben uns hienach der Hoffnung hin, daß diese Angelegenheit, welche nicht wenig zu unsrer Bekümmerung gereicht hat, hiemit erledigt sein wird; und dürfen schließlich die Versicherung aussprechen, daß wir die Verdienste des hohen Unterrichts-Ministerium um die Kirche nie verkannt haben.“

Indem der Oberkirchenrath in Betreff der „oberbischöflichen Bestätigung“ von der ministeriellen Erklärung dankend Kenntniß nimmt, erachtet er eine desfallsige nachträgliche Erklärung an den Magistrat nicht mehr nöthig.

ad 1 und 2 der Beschwerdepunkte bestreitet der Oberkirchenrath, daß derartige allgemeine Zusicherungen der Kirche bisher gegeben seien; der Oberkirchenrath habe mehrfach darauf angetragen, aber, ausgenommen neuerdings bezüglich der Lehrereinführung durch die Superintendenten, generelle Zusicherungen nicht erhalten; demnach acceptiere der Oberkirchenrath dankend das Anerbieten nachträglicher Einfügung der bezüglichen Bestimmungen in die Sternberger Schul-Ordnung.

ad 3. Der Oberkirchenrath müsse dabei beharren, die dem Prediger beigelegten polizeilichen Befugnisse abzulehnen, und erbitte zwar nicht Streichung aber entsprechende Abänderung der bezüglichen Paragraphen.

ad 4. Der Oberkirchenrath acceptiert die gegebene Erläuterung.

ad 5. „Wir erkennen nicht, wie schwierig es sein müßte, die in Rede stehende Bestimmung der Schul-Ordnung nachträglich abzuändern, und müssen somit darauf für Sternberg verzichten, bitten aber ehrerbietigst, bei künftigen Ordnungen von Schulen die Einrichtung beibehalten zu wollen, daß Bürgermeister und Pastor im Vorsitz des Schulvorstandes alternieren.“

Denn was diesen letzten Punkt betrifft, bei welchem das Ministerium die Bestimmung der Sternberger Schul-Ordnung gerechtfertigt hatte mit der „zur Zeit bestehenden Eigenschaft der Schulen als Staats- oder Communal-Anstalten, auf welche der Kirche nur eine Miteinwirkung aus dem geistlichen Standpunkte eingeräumt worden sei,“ so erhebt das Schreiben des Oberkirchenraths hiergegen einen eingehend begründeten Protest. An der Hand der geschichtlichen Entwicklung wird dargelegt, sowohl hinsichtlich der Begründung und Erhaltung der Schulen wie ihrer inneren Einrichtung und der Aufsicht über dieselben, daß der Staat nicht infolge naturgemäßer Entwicklung in den erst durch das Jahr 1848 perfect gewordenen Besitz der Hoheit über die Schulen gelangt sei; und die Darlegung schließt mit folgender Ausführung, welche wiederum wörtlich wiederzugeben gestattet sein möge:

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens