Abschnitt 2

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Stellung der Schule zur Kirche, zur Commüne und zum Staate.


Das nach Vereinbarung mit der Kirchencommission zu Stande gekommene Regulativ vom 7. März 1850 sollte durch eine Schulordnung ersetzt werden, und gemäß dem §. 22 des Regulativs, welcher besagte: „Der in der Schule nach dem Bekenntniß der lutherischen Kirche zu ertheilende Religions-Unterricht wird von den Organen der Kirche selbständig und ohne Betheiligung der Orts- und Oberschulbehörde geordnet, geleitet und überwacht. Sie werden den deßfallsigen Lehrplan entwerfen und an die Oberschulbehörde zur Aufnahme in die Schulordnung übergeben“ - war dieser Lehrplan über den Religionsunterricht von dem seit 1850, Januar 1., an die Stelle der Kirchencommission getretenen Oberkirchenrath eingeholt und der Schulordnung einverleibt worden. Im Uebrigen aber war die Schulordnung, obwohl sie auch bezüglich kirchlicher Dinge mehrfache Abweisungen von dem Regulativ enthielt, ohne jede Befragung des Oberkirchenrathes lediglich durch Verhandlungen zwischen dem Unterrichtsministerium bezw. dem Schulrath Meyer und dem Sternberger Magistrate festgestellt; sie war dann von dem Landesherrn ausschließlich durch das Unterrichtsministerium „landesherrlich und oberbischöflich“ bestätigt worden; und auch nach der Publication erhielt der Oberkirchenrath nur dadurch Kenntniß von ihr, daß der Magistrat am 8. Februar 1851 unter Berufung auf die bezüglichen Bestimmungen der in einem Exemplar beigelegten gedruckten Schulordnung auf nunmehrigen Erlaß der behufigen Zahlungsbefehle an die Vorsteher der pia corpora antrug.


Darauf erfolgte am 24. März der schon erwähnte Vortrag des Oberkirchenraths an das Ministerium, in welchem derselbe „mit aufrichtigem Bedauern“ gegen die Schulordnung Rechtsverwahrung einlegte und erklärte, zur Deputierung eines Predigers in den Schulvorstand, sowie zum Erlaß der in Rede stehenden Zahlungsanweisungen nicht ermächtigt zu sein, „bevor nicht die vorerwähnten Punkte in eine die Rechte der Kirche sicher stellende Ordnung gebracht“ seien. Zugleich überreichte der Oberkirchenrath diese Verwahrung dem Großherzog mit der Bitte, „dem Rechte der Kirche den Allerhöchsten Schutz angedeihen zu lassen.“

Die Beschwerde richtet sich zunächst dagegen, daß „im Widerspruch mit dem allerhöchsten Publicat vom 19. December 1849“ die oberbischöfliche Bestätigung nicht durch den Oberkirchenrath, sondern ebenso wie die landesherrliche durch das Ministerium erfolgt sei; bezüglich der inhaltlichen Abweichungen von dem Regulativ wurde in formaler Hinsicht im Allgemeinen beanstandet, daß der Erlaß ohne Zuziehung des Oberkirchenrathes erfolgt sei; aber auch sachlich werden mehrere Punkte theils mehr theils weniger entschieden als den Rechten der Kirche nachtheilig bezeichnet. Die wichtigsten sind folgende:

1) Während die Schulordnung in §. 52 „Oberschulbehörde ist die Abtheilung des Ministeriums für Unterrichts-Angelegenheiten“ den §. 21 des Regulativs aufgenommen hat, hat sie den die Rechte der Kirche und ihrer Organe an der Schule wahrenden §. 22 desselben (s. S. 136) fortgelassen; „und steht nun die Sache so, daß der Kirche und ihren Organen keine berechtigte Einwirkung auf die Schule in Sternberg zusteht, als daß nach §. 39 der Schulordnung der Oberkirchenrath einen Prediger in den Schulvorstand designiert. Es ist nicht einmal die Einführung der Schullehrer in die Hände des Superintendenten zurückgelegt worden, sondern hier ist (§. 54) genau an dem §. 18 des unter dem Einflusse der Grundrechte entstandenen Regulativs festgehalten, welcher die Einführung „durch den vom Unterrichts-Ministerium Beauftragten“ geschehen läßt. Zu einer den jetzigen Verhältnissen angemessneren Aenderung des §. 22 des Regulativs würden wir gern die Hand geboten haben, aber ein stillschweigendes Uebergehen der von demselben beregten Punkte präcludiert die Rechte der Kirche.“

2) „Während der §. 18 (sub 2a) des Regulativs wegen der Besetzung der mit Kirchendiensten verbundenen Schulstellen das Unterrichts-Ministerium sich mit dem Oberkirchenrath benehmen läßt, legt der entsprechende §. 54 der Schulordnung die Besetzung auch dieser Stellen ausschließlich in die Hände des h. Unterrichts-Ministeriums, ohne der Kirchenbehörde zu gedenken, und nimmt damit der Kirche das Recht der Anstellung ihrer Diener.“

3) In §. 18-22 der Schulordnung wird, ohne daß die bisherigen Verhandlungen davon wußten, dem Prediger die Sorge für Aufrechterhaltung des Schulbesuches und des Schulzwanges in einer Weise übertragen (s. S. 132), „daß wir einer solchen Vermischung des evangelischen Predigtamtes mit polizeilicher Machtstellung und seines seelsorgerlichen Wortes mit bürgerlichem Strafamt nicht zustimmen dürfen, und pflichtgedrungen das Recht der Kirche dagegen verwahren müssen, daß den Dienern der Kirche Functionen, zumal von so beträchtlichem Umfange und von solcher den Begriff und den Segen des Predigtamts alterierenden Natur, ohne Vorwissen ihrer Dienstbehörde von einer andern Behörde sollten zugewiesen werden können.“

4) Nach §. 39, 2 soll der Oberkirchenrath einen der Prediger in den Schulvorstand designieren, während es, um die Einheit des Pastorates zu erhalten, richtiger ist und der bisherigen Ueblichkeit entspricht, die beiden Prediger in der Mitgliedschaft am Schulvorstand jahrweise alternieren zu lassen.

5) „Mit dem kirchlichen Interesse unverträglich ist es, wenn nach §. 43 der Schulordnung der Bürgermeister stets den Vorsitz im Schulvorstande führen soll, während sonst das Magistratsmitglied und der Prediger darin zu alternieren pflegen.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens