Abschnitt 3

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Die Schulreform 1839-1850.


Auf Seiten der Regierung wurde nun aber dieser ganze Plan als völlig unannehmbar befunden. Einerseits sah die Regierung, daß die Commüne sich bis aufs Aeußerste dagegen sträubte, pekuniäre Opfer für die Schule zu bringen. Andrerseits erkannte man bei näherer Prüfung des eingereichten Schulordnungsentwurfes, daß in demselben „als Grundzug eine antecipierte Allgewalt der Gemeinde hervortritt, die verheerend über die Ordnungen der Vergangenheit hinweggehen zu können meint.“ So hatte z. B. der Magistrat bezüglich der Anstellung der Lehrer erklärt, daß „zwar die Anstellung des Rektors und des Küsters einstweilen und bis dahin, daß die Anstellung aller Lehrer von der Schulgemeinde verfügt wird, der hohen Landesregierung zu überlassen sein dürfte, die Anstellung aller übrigen Lehrer aber in Zukunft dem Magistrat competieren müsse, welchem der Schulvorstand für jede Stelle drei vorzuschlagen haben würde.“ Es wurde also unter Ablehnung der magistratischen Eingabe beschlossen, von neuem commissarische Verhandlungen zu eröffnen, zu welchen wieder wie im Jahre 1841/42 Boccius und Meyer deputiert wurden.


Inzwischen waren nun aber durch die Ereignisse des Jahres 1848 bezüglich des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche auch auf dem Gebiet des Schulwesens Veränderungen eingetreten, welche auf den weiteren Gang der Sternberger Schulreform wesentlich bestimmend einwirkten. Während bisher die Schule - abgesehen von einer gewissen Betheiligung der Commüne - ausschließlich Kirchenanstalt gewesen war, und die von der Regierung ausgeübte Oberleitung rechtlich aus der oberbischöflichen Gewalt des Landesherrn beruhte, war nunmehr bei der in gewissem Grade eingetretenen Trennung von Staat und Kirche das, was seit lange angebahnt war, geschehen: die oberste Gewalt über die Schule war dem Staate im Unterschiede von der Kirche in den Schooß gefallen und wurde von der Regierung als landesherrliche, nicht oberbischöfliche Befugniß inAnspruch genommen. Andrerseits war die Ausübung der oberbischöflichen Gewalt von der Regierung abgelöst und auf die Ende 1848 errichtete Kirchen-Commission übertragen worden, welcher nunmehr die Wahrung des kirchlichen Interesses an der Schule zustand, sowie die Verfügung über die Mittel der pia corpora (Kirche und Hospitäler), welche bisher die Schule unterhalten hatten und zur Fortführung bezw. Vervollkommnung derselben nicht nur das Bisherige, sondern noch ein erheblich Mehreres leisten sollten. Es vernothwendigte sich also vor Weiterem, mit der Kirchen-Commission in Verbindung zu treten, und hieraus haben sich Verhandlungen entsponnen, welche von hervorragendem Interesse sind, da in denselben die für die zukünftige Stellung der Schule gegenüber dem Staate, der Kirche und der Commüne maßgebenden allgemeinen Principien zur Erörterung und theilweise zur Entscheidung gekommen sind.

Am 5. Mai 1849 legte die Regierung den magistratischen Schulordnungsentwurf der Kirchen-Commission vor. Letztere erwiderte (Mai 15.), daß derselbe „keine Garantieen gebe, daß die hierauf begründete Schule auch für die Zukunft bleiben werde, was die Kirche von einer aus ihren Mitteln unterstützten Schule fordern müsse“, daß aber „die Kirchen-Commission sich nicht ermächtigt glauben könne, ohne irgendwelche Garantieen Bewilligungen aus kirchlichen Mitteln zu machen und dadurch Verpflichtungen einzugehen, welche bindend bleiben dürften, auch wenn die Kirche ihre Zwecke durch die Schule nicht mehr gefördert sähe.“ Gegenüber einer Remonstration der Regierung (Mai 21.), daß solche Garantieleistung unnöthig und unthunlich sei, beharrte die Kirchen-Commission auf ihrem Verlangen (Mai 26.) und motivierte es durch eine eingehende prinzipielle Darlegung. Es handle sich hier um einen prinzipiell entscheidenden Präcedenzfall. Es sei mir gestattet, die betreffende Ausführung (von Kliefoths Hand entworfen) hier wörtlich einzuschalten.

„Nicht die Kirche hat ihre Trennung vom Staate gewünscht, und nicht sie beeilt sich, dieselbe zu verwirklichen. Wenn aber solche Trennung einmal sein soll, so giebt es nur drei Wege, auf dem Gebiete der Schule, wo Staat und Kirche sich begegnen, aus einander zu kommen: Entweder 1) daß der Staat sich seine Schulen schaffe für die weltliche Bildung, und die Kirche die ihrigen für die Unterweisung in Gottes Wort; oder 2) daß der Staat das ganze Unterrichtswesen sammt dem Religionsunterricht an sich zöge, die Kirche von aller mehr als scheinbaren Betheiligung an demselben ausschlösse, gleichwohl aber die kirchlichen Mittel für dies Schulwesen benutzte und die Organe der Kirche nur zu dem Ausstellen der Zahlanweisungen verwendete; oder 3) daß man es als eine einfache Wahrheit anerkennt, daß die Schule ein Institut ist, an welchem Kirche und Staat gleich wesentlichen Antheil haben, gleichwie auch im Hause religiöse und weltliche Erziehung Hand in Hand gehen, daß man dann aber aus solcher erkannten Wahrheit auch einen Ernst macht und der Kirche vergönnt, in gesetzmäßiger und stetiger Weise auf die Gestaltung und Ausführung des Unterrichtswesens soweit einzuwirken, als es ihre nächsten und wesentlichsten Interessen berührt. Der erste Weg, das Zerhauen des Knotens, ist naturwidrig, setzt unpraktischer Weise doppelten Aufwand an Mitteln für Einen Zweck in Bewegung, und würde, wenn nicht daran, daß nicht allein der Kirche, sondern auch dem Staate die Mittel dazu fehlen würden, so gewiß an dem entschiedenen Nichtwollen des Volkes zunichte werden, denn diese Theorieen von Trennung der Schule von der Kirche gehören lediglich der verschrobenen Bildung und den Verfassungskünstlern an und sind eine pure Volksseligmacherei wider Willen. Der zweite Weg wäre der Weg der Gewalt, der von dem stärkeren Staat der Kirche wider Recht und Billigkeit und zur Verletzung ihres Lebens wie auch in großem Undank gegen ihre bisherigen Verdienste um die Schule angethanen Gewalt. Wir haben allerdings die Furcht, daß zu seiner Zeit der Versuch dieser Gewalt einmal gegen die Kirche gemacht werden dürfte, weil die Sache einen Hintergedanken hat: es würde nemlich bei dieser Einrichtung herauskommen, daß gleichsam zwei Kirchen neben einander beständen, die den Religionsunterricht ohne Einwirkung der eigentlichen Kirche betreibende Schule mit ihrem Lehrerpersonal als die Kirche für die Jugend neben der Kirche für die Erwachsenen mit ihrem Theologenpersonal. Es würde den differenten religiösen Richtungen dieser Zeit ganz genehm kommen, wenn sich so zwei feste Organismen herausbildeten, in denen sie sich wider einander festsetzen könnten. Daß die so gestellte Schule ein Heerlager für die kirchliche Opposition würde, dafür ist bekanntlich Manches innerlich vorbereitet; es dahin zu bringen, ist wohl bei Diesem und Jenem bereits das unausgesprochene, aber nichts desto weniger klar bewußt verfolgte Ziel; und der moderne Staat, dem die Aufgabe zugefallen, gegen die Religion indifferent zu sein, wird schwerlich Viel dagegen thun. Die Kirche aber wird’s abzuwenden suchen, und, wenn sie das nicht kann, thun, was sie der Gewalt gegenüber immer thut: das Unrecht leiden, aber mit keinem Wort und mit keiner That zeigen, daß sie es so für Recht hielte. Jedenfalls aber liegt dies in weiterer Ferne. Wir vertrauen der bestehenden Regierung, die so lange selbst eine Pflegerin kirchlichen Lebens gewesen ist, daß Sie diesen Weg nicht gehen werde. Es bleibt also nur der dritte Weg übrig, den wir unsererseits in jedem Betracht für den naturgemäßen und richtigen halten, und von welchem wir auch glauben, daß sich bei einigem guten Willen, an welchem es kirchenseits zuverlässig nicht fehlen soll, auf demselben eine Einrichtung treffen ließe, welche die sonst bei gemischten Sachen und simultanen Instituten so nahe liegende Gefahr, eine unversiegliche Quelle ewiger Differenzen und Benehmungen daran zu haben, vollständig beseitigte.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens