Abschnitt 2

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Die Schulreform 1839-1850.


Im September 1847 war Gaedt ins Amt getreten und hatte sich, wie es ihm bei seiner Einführung zur besonderen Pflicht gemacht worden war, mit Eifer daran gemacht, die Schulreform zu befördern. Vom Schulrath Meyer war ihm dafür die Direktive gegeben, daß „die Regierung sich auf keinen Plan wird einlassen wollen, welcher nicht das Princip: die Schule ist Gemeindeanstalt, und muß daher aus den Mitteln der Commüne unterhalten werden, zur Grundlage hat.“ Demgemäß erstrebte er vor allem Einverständniß mit dem Magistrate, welchem er am 22. Januar 1848 seinen Plan überreichte: die Stadt giebt das Oldenburgsche Haus und baut es aus, wogegen die Kirchenkasse, welcher der Erlös aus dem bisherigen kirchlichen Schulhause zufließt, die Instandhaltung des neuen Gebäudes übernimmt; Rektor und Conrektor erhalten in letzterem, der neuanzustellende fünfte Lehrer in den bisherigen Schullokalitäten des Küsterhauses Wohnung, während der bisherige Stadtschulhalter, dessen Haus auf Rechnung der Schulkasse verkauft wird, Miethsentschädigung (30 Thlr.) erhält; es wird eine Schulkasse gebildet, welche die Baukapitalzinsen und die Lehrergehälter, soweit solche außer den bisherigen Bezügen erforderlich sind, zu bestreiten hat; neu angestellt werden ein fünfter Lehrer (100 Thlr.) und eine Industrielehrerin (50 Thlr.); die jährlichen Ausgaben werden veranschlagt zu 980 Thlr.; zur Deckung derselben dient vornämlich das Schulgeld (640 Thlr.) nebst einigen bisher schon bestehenden Posten; die Hospitäler geben einen Zuschuß von gegen 100 Thlr., so daß nur 130 Thlr. durch neue Stadtabgabe „Schulordnungsgeld“ (1/4 % des Einkommens) aufzubringen blieben. Und dazu blieben der Stadt für die Zukunft die Unterhaltungskosten des Schulhauses erspart. Somit war das „fast“ völlige Einverständniß erreicht. Daraufhin verfaßte Gaedt einen Schulordnungsentwurf, welcher im Wesentlichen die Zustimmung des Bürgermeisters fand.


Allein gerade als der Magistrat an die Regierung berichtete, daß die Sache dem glücklichen Ende nahe sei, erfolgte die Februarrevolution in Paris, welche wie im ganzen Lande so auch in Sternberg Unruhen erregte und die Unzufriedenheit mit der bisherigen Stadtverwaltung entfesselte. Da ergriff der Magistrat ein verzweifeltes Mittel: unter dem 6. April richtete er an den Großherzog ein kurz und bündig gehaltenes Schreiben, in welchem er im Namen der über den schlechten Zustand der Schule erregten Bevölkerung schleunige Abhülfe verlangte und, da der Stadt Kosten aufzuerlegen unmöglich sei, also die Hospitäler helfen müßten, damit schloß: „Die hiesigen Hospitäler müssen als solche aufhören und die Fonds derselben zum Besten der hiesigen Schule verwendet werden.“ Die Antwort des Großherzogs lautete dahin, daß das Befremden über eine solche Eingabe um so größer sein müsse, als es lediglich des Magistrates Schuld sei, daß die Schulreorganisation verzögert worden; doch möge dies hingehen; der Antrag aber auf Säkularisation der pia corpora könne nicht gewährt werden.

Dieser mißlungene Streich bereitete den Verhandlungen mit Gaedt ein jähes Ende. Es folgte der Sturz des alten Bürgerausschusses, und als nach einigen Monaten ein neuer gewählt war, „fanden sich für diesen so viele Arbeiten vor, daß die Schule abermals in den Hintergrund gedrängt wurde.“ Inzwischen bemächtigte sich der „Reformverein“ der Sache, setzte eine eigene Committe nieder, welche aber jeder Kenntniß der Dinge entbehrte, in Streit gerieth und auseinanderging. In der Verlegenheit bat man Gaedt, sich an die Spitze einer neuen Committe zu stellen. Er that es und gewann die Stimmung für seinen vom Magistrate früher schon gebilligten Plan, worauf derselbe jenem von Neuem vorgelegt wurde.

Nun aber erhob sich ein neues Hinderniß. Die inzwischen von Frankfurt aus proklamierten „Deutschen Grundrechte“ schienen eine Umgestaltung des Gaedt’schen Schulordnungsentwurfes zu fordern; außerdem schien es, als ob die Schweriner Abgeordneten-Kammer eine allgemeine Schulordnung für das Land zu Stande bringen werde, welche eine völlige Umgestaltung des Schulwesens herbeiführen mußte. Daraufhin erachtete der Magistrat für rathsam, dieselbe abzuwarten und vorläufig nichts zu thun, als einen fünften Lehrer anzustellen. Mit Mühe erreichte Gaedt das Zugeständniß, daß er zuvor durch Anfrage beim Schulrath Meyer erforschen möge, ob und wann etwa das Erwartete eintreten möchte (1849, Februar 8.).

Meyers Antwort lautete dahin, daß von der Abgeordnetenkammer bei völligem Mangel an gesetzgeberischen Talenten und Erfahrungen in Schulsachen „nichts, aber auch gar nichts zu erwarten“ sei. Sternberg dürfe nicht länger warten, um Uebelstände zu beseitigen, „wie sie nur noch in zwei Städten Mecklenburgs, Bützow und Neukalden, sich in so riesiger Gestalt vorfinden.“ Zu dem mitgesandten Gaedtschen Schulordnungsentwurf, über welchen er „mit wahrem Heißhunger hergefallen“ zu sein bekennt, hat er sonst nur Nebensachen zu monieren; nur daß derselbe mit den deutschen Grundrechten in Einklang zu bringen sei, speciell auch in dem Punkte, daß Neben- und Privatschulen völlig freizugeben seien, sobald der Begründer seine Befähigung dargethan habe. Hierauf gestützt, setzte Gaedt durch, daß der Magistrat am 29. April 1849 den allerdings nun noch wesentlich veränderten Entwurf bei der Regierung einreichte und wegen der Kosten der Reorganisation einen Vorschlag machte, der im Uebrigen sich an Gaedts Plan (S. 123) anschloß, nur daß sogar auch noch der Ausbau des Oldenburgschen Hauses, sowie die Einrichtung der Klassen, die Anschaffung der Lehrmittel und für die Zukunft sämmtliche Unterhaltungskosten von der Stadtkasse ab- und auf die Kirchenkasse gewälzt wurde, indem man davon ausging, „daß der Grundsatz, wonach die hiesige Kirche dergleichen Bedürfnisse künftig ebenso wie bisher zu decken verpflichtet sei, als aufgehoben nicht betrachtet werden, vielmehr auch künftig bei Bestand bleiben solle.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens