Die Schulordnung von 1850.

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Die Schulordnung von 1850.


Dieselbe ist, wie gezeigt worden, durchaus ein Werk des Schulraths Meyer und gleicht im Allgemeinen den andern von diesem Beamten um jene Zeit verfaßten Schulordnungen 46). Um so weniger dürfte es angezeigt sein, sie ausführlich mitzutheilen. Dagegen ist von Interesse, in den Hauptpunkten darzustellen, wie sich der durch diese Ordnung begründete Zustand des Schulwesens zu der hiemit abgeschlossenen Entwicklung verhält. Dabei bleibt jedoch die Stellung der Schule zu Staat, Kirche und Commüne einer gesonderten Darstellung im nächstfolgenden Abschnitt vorbehalten.


Bezüglich der inneren Einrichtung der Schule fällt vor Allem in die Augen, daß (schon nach dem Gaedtschen Entwurf) durch Vereinigung der Geschlechter (und Begründung einer fünften Lehrerstelle) die Gliederung in fünf aufsteigende Klassen ermöglicht wurde. Es vervollkommnet sich damit, was schon früher, namentlich seit 1803, angebahnt, aber noch sehr unvollständig geblieben war. Bisher gab es bei Trennung der Geschlechter für jedes nur zwei aufsteigende Klassen, innerhalb welcher Unterabtheilungen nöthig wurden. Städtischerseits plante man anfangs, diesen Zustand zu belassen und nur in der zu errichtenden fünften (Elementar-) Klasse Knaben und Mädchen zu vereinigen; nur ungern willigte man in die durchgängige Vereinigung, indem man für die oberen Stufen die Trennung als wieder zu erstrebendes Ziel ins Auge faßte. Vorläufig aber blieb nichts andres übrig, wenn die Vermehrung der Unterrichtsstufen und damit eine wirklich methodische Gestaltung des Unterrichts erreicht werden sollte.

Die Unterrichtsgegenstände bleiben wesentlich dieselben wie bisher, nur daß Geometrie und Zeichnen (für die beiden obersten Klassen) hinzukommen, und das Singen für sämmtliche Klassen „nach methodisch geordneter Stufenfolge“ wieder obligatorisch gemacht wird. Auffallend ist, daß der Industrieunterricht, dessen Fehlen früher so viel Klage verursacht hatte, und der schon 1829 vorübergehend eingerichtet war (S. 119), jetzt nur für den Fall vorgesehen wird, „wenn sich das Verlangen danach in der Schulgemeinde äußert.“ Es scheint sich herausgestellt zu haben, daß jener Mangel früher nur einen Vorwand gebildet hatte. Wie schon früher erwähnt (S. 115), ist von obligatorischem Privatunterricht in fremden Sprachen u. s. w. jetzt keine Rede mehr, womit denn nunmehr die „öffentliche Gemeindeschule“ die zu Höherem bestimmte Jugend der Gemeinde definitiv von sich ausschließt und ausschließlich in den Dienst der Majorität gestellt wird; die Minorität der Einwohnerschaft wird gezwungen, für ihre Kinder allein zu sorgen, dagegen die der Majorität dienende Schule mit zu unterhalten.

So müssen denn Neben- oder Privatschulen vorgesehen werden. Wenn bestimmt wird: „gegen s. g. Winkelschulen, wenn sie sich bilden sollten, hat der Magistrat einzuschreiten“, so sind damit anscheinend solche Nebenschulen gemeint, die nur auf der Stufe der öffentlichen Gemeindeschule stehen. Im Uebrigen dürfen Nebenschulen nur mit Genehmigung der Oberschulbehörde nach Erachten des Magistrates errichtet werden und stehen unter Aufsicht des Schulvorstandes; sie werden also, obwohl nicht aus öffentlichen Mitteln unterhalten, doch der öffentlichen Schulleitung unterstellt und so eine gewisse Einheitlichkeit des ganzen Schulwesens gewahrt. Dagegen bleibt die schon im Jahre 1838 begründete öffentliche Gewerbeschule außerhalb des Aufsichtsbereiches des Schulvorstandes.

Einen wesentlichen Fortschritt bezeichnet die Vereinigung aller Klassen in einem Gebäude. Damit war der vor mehr als hundert Jahren durch die Noth der Zeiten herbeigeführten Zertrennung ein Ende gemacht. Angebahnt war die Wiedervereinigung 1803; aber die Mittel der Kirche hatten nicht ausgereicht, die Schulhausfrage zu lösen. Dies ist der eine Punkt, an welchem die Nothwendigkeit, die Commune heranzuziehen, unverkennbar war.

Der andere Punkt ist die Durchführung des Schulzwanges. Im Princip zwar war derselbe schon bisher etabliert: nachdem infolge der Noth früherer Zeiten die alte kirchliche Sitte ihre Macht verloren hatte, und polizeilicher Zwang nothwendig geworden war, sollte schon bisher der Magistrat denselben üben; daß er es bisher nicht in dem erforderlichen Maße gethan hatte, war dadurch bedingt, daß die Interessen der Commüne durch die Schule wenig berührt wurden. Nun aber, da ihr an der Unterhaltung und Leitung der Schule Antheil gegeben war, konnte ihr auch mit besserer Aussicht auf Erfolg zur Pflicht gemacht werden, jede wirklich straffällige Schulversäumniß unnachsichtlich zur Strafe zu ziehen. Doch wurde hierbei dem Magistrat nur das letzte, der Strafvollzug, zugewiesen, dem Pastor dagegen der ganze voraufgehende Proceß in dem Umfange, daß ihm den Eltern gegenüber ein Zwangscitationsrecht bei Strafverwirkung beigelegt wurde, und auf seine Anzeige hin vom Magistrat ohne weitere Untersuchung die Strafe vollzogen werden sollte. (Letztere Bestimmung ist auf Protest des Oberkirchenrathes abgeändert; siehe unten S. 137 ff.)

Im Uebrigen ist die Einrichtung der Schule wesentlich dieselbe geblieben, wie bisher. Die Abweichungen sind geringfügig. Folgende Punkte seien erwähnt: der Beginn der Schulpflichtigkeit wurde vom vollendeten fünften auf das vollendete sechste Lebensjahr hinaufgerückt, indem trotz gesteigerter Anforderungen die methodischere Gestaltung des Unterrichts und die Durchführung des Schulzwanges ermöglichten, das Schulziel in kürzerer Zeit als früher zu erreichen; dagegen wurden die Ferien noch etwas verkürzt, und die Zahl der wöchentlichen Schulstunden von 26 auf 28 erhöht; die Versetzungen in höhere Klassen sollten nur einmal im Jahre, zu Ostern, stattfinden; bezüglich des Lehrerpersonals ist zu bemerken, daß an die Stelle des Conrektors ein Illiterat treten sollte, und daß regelmäßig alle 4 Wochen wiederkehrende Lehrerconferenzen dazu dienen sollten, den Geist der Berufsgemeinschaft, welcher bei dem früheren Zustande nicht hatte aufkommen können, zu wecken und zu pflegen; die Stellung des Rektors innerhalb des Lehrercollegii blieb die eines vorgeordneten Collegen mit Inspectionsrecht in den andern Klassen; bemerkenswerth ist, daß dem Rektor innerhalb des Schulvorstandes, soweit die Verhandlungen nicht seine persönlichen Verhältnisse betreffen, Sitz und Stimme zuertheilt wurde; endlich wurde die alte und im Reglement von 1803 erneuerte, aber wieder in Abgang gekommene Einrichtung einer jährlichen öffentlichen Schulprüfung nunmehr wieder erneuert.

Was die finanzielle Unterhaltung der Schule betrifft, so wird davon schicklicher im nächsten Abschnitt zu handeln sein. Hier erübrigt nur noch ein Blick auf die nunmehrige Stellung der Lehrer. Schon die bisherige Entwicklung zielte darauf ab, die Lehrer bezüglich ihres Einkommens von dem guten Willen der Einzelnen in der Schulgemeinde unabhängig zu stellen; dieses Ziel wird nunmehr erreicht: das Schulgeld wird fortan nicht mehr von dem Lehrer erhoben, sondern vom Magistrat zur Schulkasse eingezogen, aus der Schulkasse aber jedem Lehrer ein entsprechender Betrag in Quartalraten als festes Schulgehalt ausgezahlt (in dies Schulgehalt wird auch, sofern es sich um den Rektor und den Conrektor 47) handelt, das bisherige s. g. „Speisegeld“ und das „Neujahrsgeld“ aufgenommen. Im Uebrigen erschien eine wesentliche Aufbesserung der Lehrereinkünfte damals nicht erforderlich, und ist eine solche erst später eingetreten. Die neu begründete fünfte Lehrerstelle, welche für einen ledigen jungen Mann bestimmt war, wurde mit 120 Thlr. Gehalt, freier Einzelwohnung im Schulhause und 8 Mille Torf ausgestattet.

Endlich sei noch erwähnt, daß, wie selbstverständlich, fortan nur Seminaristen zu Lehrern berufen werden sollten. Doch mußte der bisherige vierte Lehrer, welcher dem Handwerkerstande angehörte, noch auf die neue Schuleinrichtung übernommen werden, bis er 1853 starb.




46) Sie umfaßt 110 Paragraphen in 9 Abschnitten: I. die öffentliche Gemeindeschule, §§. 1-35; II. Von Nebenschulen (Privatschulen) innerhalb der Gemeinde, §§. 36-38; III. Von der Ortsschulbehörde, §§. 39-52; IV. Von den Lehrern, §§. 53-67; V. Von den Schülern, §§. 68-73; VI. Von den Pflichten der Eltern in Bezug auf die Schule, §§. 74-85; VII. Von der Schulerziehung und der Schulzucht, §§. 86-89; VIII. Von dem Unterrichte in der Schule, §§. 90-105; IX. Von den Schulprüfungen, §§. 106-110.
47) Die Conrektorstelle sollte erst bei der nächsten Erledigung, die aber schon 1851 eintrat, in eine Illiteraten-Lehrerstelle umgewandelt werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens