Abschnitt 4

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Das Reglement von 1803.


Mit bemerkenswerthem Nachdruck ist das Reglement bestrebt, die Schule unter steter, scharfer Controle zu halten. Die von jeher den Predigern zustehende, aber von denselben namentlich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts anscheinend wenig geübte Inspection wurde auf’s Nachdrücklichste eingeschärft. Da der erste Prediger der Superintendent war, welchem die „allgemeine Aufsicht“ verblieb, so fiel die „besondere Aufsicht“ fortan - sicherlich zum Vortheil der Sache - nur einem einzigen, dem zweiten Prediger (damals Präpositus Francke), zu. Er soll „sorgfältigst“ über die Schule wachen, „unermüdet“ auf das Beste derselben bedacht sein, namentlich „das Innere des Schulwesens, was Methode, Unterricht u. s. w. betrifft, sich befohlen sein lassen“, zu dem Ende die Classen „fleißig und unerwartet“ besuchen, „über die Reinigkeit des Religionsunterrichts wachen“, nöthigenfalls mit dem Magistrate conferieren und an den Superintendenten recurrieren. Außerdem aber wurde nun, was schon seit 1760 durch Unterstellung des Küsters unter die Aufsicht des Rektors angebahnt war, noch eine allerspeciellste Inspection, nämlich die des Rektors wenigstens über die beiden Unterlehrer, ausdrücklich festgestellt. Das Verhältniß zwischen den beiden oberen Lehrern ist nicht ganz klar geordnet; einerseits heißt es, sie seien gleichstehende Collegen, andrerseits wird aber doch dem Rektor eine Aufsicht auch über die Classe des Conrektors zugewiesen, und dann wieder auch der Conrektor verpflichtet, über die Classe des Rektors zu wachen. Es ist ersichtlich, daß man bestrebt war, möglichst viel Inspection, Controle und Ueberwachung herzustellen.


Demselben Zwecke dienen auch die Schulprüfungen, welche im Reglement auf’s angelegentlichste geordnet werden. Vierteljährlich sollen Prüfungen veranstaltet werden, nämlich dreimal privatim in jeder Classe durch den Schul-Inspector, welcher dabei Versetzungen aus den verschiedenen Classen und Abtheilungen vornimmt, das vierte Mal aber öffentlich, und zwar, so lange es noch an einem Saal fehle, den man später in dem Rathhause zu erlangen hoffe, in der Kirche. Seit lange waren dieselben außer Uebung gewesen, jetzt werden sie mit um so größerer Feierlichkeit erneuert. Jährlich im Herbst, nach vorgängiger Ankündigung von der Kanzel, findet die Prüfung statt unter Leitung des Inspectors in Gegenwart des Superintendenten, des ganzen Magistrates und der repräsentierenden Bürgerschaft; man wünscht und erwartet möglichst allgemeine Theilnahme der Bevölkerung. Sie dauert volle zwei Tage; am ersten Tage werden die Knaben, am zweiten die Mädchen geprüft, ohne alle Vorbereitung. Bei jeder Classenprüfung wird an der Hand einer vom Lehrer geführten Liste eine öffentliche Charakterisierung der einzelnen Schüler mit Lob oder Tadel vorgenommen, und es werden die Gesetze für die Schüler verlesen. Zur Erhöhung der Feier dient neben Gesang und Gebet eine Eröffnungsrede des Inspectors, eine Schlußrede des Rektors und womöglich auch eine kurze Rede eines der ältesten Rektorschüler. Durch die Kirchenbecken werden freiwillige Gaben gesammelt, um davon Lehrmittel zu beschaffen, und der Magistrat stiftet für jede Classe ein kleines Geschenk.

Offenbar ist auch daß Bestreben des Reglements, die schulfreien Zeiten möglichst zu beschränken. Allerdings mußte man, den Verhältnissen Rechnung tragend, alle zwei Jahre „Landtagsferien“ gewähren, welche außer der Dauer der Session noch 3 Tage vor Eröffnung und 2 Tage nach Schluß derselben umfaßten; - dies offenbar in Rücksicht darauf, daß die Lehrer darauf angewiesen waren, zu vermiethen. Im Uebrigen aber sind die Ferien knapp bemessen. Ernteferien giebt’s nur während der Getreideernte, und zwar für die unteren Classen nur zwei Wochen, für die oberen allerdings vier Wochen, so jedoch, daß die Lehrer verpflichtet sind, mit denjenigen Kindern, welche nicht zur Ernte gebraucht werden, schon nach zwei Wochen den Unterricht wieder zu beginnen. Außerdem sind schulfrei: zu Ostern 1 1/2 W., zu Weihnachten 1/2 W., zu Neujahr 1/2 W. für die beiden oberen Classen, „weil die Lehrer derselben sodann das gewöhnliche Neujahrgehen verrichten“, und etliche einzelne Tage, nämlich „die 3 noch übrigen Bettage“ (wobei der damals noch am Freitag gehaltene Erntebettag mitgerechnet ist), Himmelfahrtstag, Königschußtag und zwei Jahmarktstage. Die schulfreien Zeiten sind also, abgesehen von den Landtagsferien, auf 5 12 - 7 1/2 Wochen beschränkt. Es scheint, daß man auf diese Weise im Allgemeinen wieder einholen wollte, was in Ermangelung des Schulzwanges durch vielfache Schulversäumnisse im Einzelnen verloren ging. Sonstiges Aussetzen des Unterrichts seitens der einzelnen Lehrer war möglichst erschwert, und für die beiden unteren Classen vorgeschrieben, daß in solchem Falle die Lehrerfrauen die Kinder beschäftigen sollen. Der Unterricht soll Vor- und Nachmittags mit dem Glockenschlage beginnen.

Noch erwähne ich an Einzelheiten: ausdrücklich werden die Lehrer verpflichtet, die Jugend auch außerhalb der Schule zu beaufsichtigen; es wird strenge Schulzucht - namentlich auch in Bezug auf Reinlichkeit - eingeschärft, jedoch soll körperliche Züchtigung möglichst und das Schlagen am Kopfe durchaus vermieden werden; die Gesetze für die Schüler sind im Ganzen kurz und praktisch.

Alles zusammen genommen wird man urtheilen müssen, daß dieses Reglement das seitens der Regierung damals gespendete Lob vollauf verdient hatte. In manchen Stücken steht es schon auf der Höhe der Schulordnung von 1850.

Wie nun auf Grund dieses Reglements die Schule in den nächsten Jahrzehnten sich entwickelt hat, werden wir weiterhin darzustellen haben. Zuvor sind noch die Personalien der Lehrer und deren Wohnungs- und Besoldungsverhältnisse zu behandeln.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens