Abschnitt 2

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Das Reglement von 1803.


In dieser Beziehung blieb es ganz wie bisher, und das ist das Hauptgebrechen der neuen Schulordnung geblieben, welchem erst im Jahre 1828 abgeholfen worden ist. Nach wie vor zahlten die Kinder wöchentlich am Sonnabend das Schulgeld von resp. 1, 2, 3 ß. an den Lehrer, und die, welche versäumt hatten, zahlten nicht. Außerdem wurde concediert, daß im Sommerhalbjahr diejenigen Eltern, welche ihre Kinder „um des Brodts willen von sich und in fremde Dienste thun müßen oder auch solche zu häuslichen Arbeiten durchaus nicht entbehren können - worüber das Urtheil dem Magistrate zustehen sollte - ihrer Elternpflichten bezüglich der Schule entbunden“ sein sollten; nur daß „Magistratus, wenn es irgend möglich ist, doch darauf Rücksicht nehmen wird, ob solche Kinder - - wöchentlich nicht einige Vor- oder Nachmittage die für sie gehörende Claße besuchen können, als für welche Kinder dann aber nach Befinden auch nur das halbe Schulgeld oder noch weniger bezahlt wird.“ Auch das wurde concediert, und zwar als etwas, was „sich von selbst versteht“, daß Eltern, welche ihre Kinder vor der Confirmation „in die Lehre außerhalb der Stadt“ schicken wollten, „in Ansehung solcher Kinder außer aller Verantwortung gegen dies Schulreglement treten“.


Es ist ersichtlich, daß mit alledem die Bestimmung des neuen Reglements, daß alle Kinder vom vollendeten fünften Lebensjahre bis zur Confirmation schulpflichtig seien, wirkungslos gemacht war.

Mit besserem Erfolge verhandelte man weiter über die Aufbringung der Kosten für die Unterhaltung der erweiterten Schule. Die Bürgerschaft ließ sich schließlich doch zu einigen Mehrleistungen bereit finden. Die Hauptsache freilich thaten die pia corpora, namentlich die Hospitäler, welche letzteren mit fast 100 Thlr. belastet wurden; auch die beiden Pfarren wurden herangezogen mit einem Zuschuß von je 10 Thlr., wofür Pflichtpredigten auferlegt wurden. Die Commune aber gewährte für den neu anzustellenden Conrektor 20 Thlr. Speisegeld (vgl. S. 98) und 16 Tausend Torf, sowie für den neu anzustellenden vierten Lehrer freie Wohnung bezw. 10 Thlr. Miethe und 12 Tausend Torf.

Daraufhin entschloß sich Passow, wenn auch nur schweren Herzens auf den Schulzwang verzichtend, das Reglement abzufassen und dem Herzog zur Bestätigung vorzulegen, die denn auch unter Anerkennung der vorzüglichen Arbeit nude ertheilt wurde.

Das Reglement ist ein umfängliches Elaborat in 7 Kapiteln und 56 Paragraphen, sorgfältig bis ins Kleinste alles Erforderliche ordnend. Kapitel I., Allgemeine Einrichtung des Schulwesens (§. 1-15); II., Vom Schul-Unterricht insbesondre (§. 16-21); III., Von den Besoldungen der Schullehrer und dem Schulgelde (§. 22-25 nebst Anlagen); IV., Von den Schulprüfungen und Versetzungen der Jugend (§. 26-34); V., Von den Ferien in allen vier Schul-Classen (§. 35 bis 38); VI., Allgemeine Gesetze für sämmtliche Lehrer (§. 39-55);

VII., Gesetze für die Lehrlinge in allen vier Classen (§. 56). Anstatt eines wörtlichen Abdrucks ziehe ich vor, das Wesentliche des Inhaltes in Nachstehendem wiederzugeben.

Im Princip war die reorganisierte Schule bestimmt, die gesammte schulfähige Jugend, d. h. vom vollendeten fünften Lebensjahre an bis zur Confirmation, Knaben und Mädchen, zu umfassen. Ein Hauptgesichtspunkt war, daß fortan Nebenschulen überhaupt nicht mehr geduldet, sondern überflüssig gemacht werden sollten. Die Zahl der schulfähigen Kinder betrug nach einem vom Magistrat angefertigten Verzeichniß ungefähr 250. Man rechnete ungefähr 60 auf eine Classe. Somit erschien es nothwendig, die Zahl der Classen und die Zahl der Lehrer von 2 auf 4 zu erhöhen. In Rücksicht darauf, daß Sternberg früher zwei studierte Lehrerstellen gehabt, von denen die eine nur aus Mangel an Mitteln aufgehoben war, wurde nunmehr, da die Verhältnisse sich gebessert hatten, wieder ein zweiter literatus, jetzt unter dem Titel „Conrektor“, angestellt. Während dem Rektor die sämmtlichen größeren Knaben verblieben, wurden dem Conrektor die sämmtlichen größeren Mädchen zugewiesen. Die sämmtlichen kleineren Knaben behielt der Küster; für die sämmtlichen kleineren Mädchen aber, für welche bisher in erster Linie die Nebenschulen gedient hatten, wurde eine ganz neue Lehrerstelle begründet, mit welcher nun zuerst das neue Princip communaler Unterhaltungspflicht und communalen Besetzungsrechtes aufgerichtet wurde. Bisher war die Berufung und Unterhaltung der Lehrer prinzipiell ausschließlich Kirchensache gewesen, und so blieb es auch ferner inbetreff der drei ersten Lehrer. Den vierten Lehrer aber sollte der Magistrat aus der Mitte der Bürgerschaft erwählen und aus städtischen Mitteln unterhalten, weshalb er denn auch mit der Zeit den Titel „Stadtschulhalter“ bekam. Derselbe stand „außer dem Schulwesen unter der Jurisdiction des Magistrates“. Doch mußte er sich von dem Superintendenten prüfen und nomine Serenissimi bestätigen und anweisen lassen, trat auch mit seiner Anstellung ganz wie die andem Lehrer unter kirchliche Inspection und genoß wie sie Abgabenfreiheit. Damit war nun also die bisherige Concurrenz wenigstens in der Theorie beseitigt, und das s. z. s. communale Nebenschulwesen in den Organismus des öffentlichen Kirchenschulwesens eingegliedert.

Die so erweiterte Schule stellte sich principiell auf den Standpunkt einer Anstalt für niedere Bildung. Das Schulziel der früheren Zeiten, in erster Linie zum Studium vorzubereiten, wurde nun mit Bewußtsein definitiv aufgegeben. §. 16: „Der Zweck des Schulunterrichts in den bestimmten künftigen vier Schulklaßen zu Sternberg kann nur hauptsächlich dahin gehen, daß solche nichts weiter als sogenannte Bürgerschulen sind; daß also die Jugend in solchen zu rechtschaffenen, christlich gesinnten Menschen, zu guten und nützlichen Bürgern, Ehegatten, Hausvätern und Hausmüttern u. s. w. gebildet werde.“ Allein es ist bemerkenswerth, daß dennoch die Schule es auch jetzt noch nicht aufgab, wenigstens nebenher auch als Vorbereitungsanstalt für höhere und wissenschaftliche Bildung zu dienen: „damit aber auch diejenigen Knaben, welchen es an Talenten und Neigung nicht fehlt, in den Anfangsgründen wißenschaftlicher und Sprachkenntniße zweckmäßigen Unterricht erhalten, auch daß die Eltern derselben zu ihrer Erleichterung solche demnächst in eine höhere Landesschule mit Nutzen schicken können; und damit auch selbst den Kindern weiblichen Geschlechts, die dazu Anlage haben, Gelegenheit verschafft werde, sich weiter auszubilden, so sollen die Lehrer der beiden ersten Claßen, der jedesmalige Rector, sowie der Conrector, verpflichtet seyn, jeder von ihnen täglich eine Privatstunde, wofür sie besonders von den Eltern solcher Kinder remunerirt werden, zu geben.“ Diese Privatstunden erstreckten sich auf: Lateinische Sprache für Anfänger (4 Stunden), Französische Sprache für Anfänger (3 Stunden), Deutsche Sprachlehre (3 Stunden) und allgemeine Weltgeschichte (2 Stunden). Somit war doch noch festgehalten, daß die aus öffentlichen Mitteln unterhaltene Stadtschule nicht ausschließlich für die auf niedere Bildung angewiesene Majorität bestimmt sei, sondern auch der höher strebenden Minorität Gelegenheit bieten müsse, wenigstens die Anfangsgründe zu erlernen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens