Abschnitt 1

Die Zeit der Reorganisation 1803-1850.

Das Reglement von 1803.


Am Anfang dieses Zeitraums steht das unter dem 1. Oktober 1803 bestätigte „Reglement für das Schulwesen in der Stadt Sternberg“ und am Schlusse die unter dem 27. December 1850 bestätigte „Schul-Ordnung für die Stadtschule in Sternberg“. Letztere aber bringt nur zum Abschluß, was mit ersterem nur begonnen war, und die zwischenliegenden Jahrzehnte sind eine Zeit des Ringens, das begründete, aber noch unvollendete Werk der Reorganisation der Schule zum Abschluß zu führen.


1) Das Reglement von 1803.


Seit 1794 war Superintendent in Sternberg Moritz Joachim Christoph Passow, ein Mann, welcher sich durch seine eifrigen und erfolgreichen Bemühungen um Verbesserung der Stadtschulen seiner Diözese auf’s Höchste verdient gemacht hat. Schon hatte er in Neubuckow, Kröpelin, Gnoien und Ribnitz die Reorganisation durchgeführt und wartete nur auf einen günstigen Zeitpunkt, um auch in Sternberg das Werk in Angriff zu nehmen. Der Zeitpunkt schien gekommen, als Rektor Bürger Bürgermeister geworden und damit an die Spitze der Stadtverwaltung ein Mann getreten war, der einerseits das Vertrauen der Bürgerschaft genoß, und bei welchem andrerseits Interesse und Verständniß für die Schule vorausgesetzt werden konnte.

Denn während bisher die öffentliche Schule lediglich Kirchensache gewesen war, galt es nun von vorn herein als selbstverständlich, daß in Zukunft die Einrichtung und Unterhaltung des Schulwesens nicht anders als unter Mitwirkung der Stadtverwaltung geschehen könne. Soweit ich sehe, war hiefür ein Dreifaches bestimmend.

1) Schon bisher zahlte der Magistrat aus städtischen Mitteln einen Zuschuß zum Lehrergehalt, nämlich das s. g. Speisegeld. Was ursprünglich private Vergütung Einzelner gewesen war, hatte sich in eine Leistung der Commune verwandelt, welche als städtische Abgabe auf der Bürgerschaft lag. Der Ertrag dieser Abgabe war infolge des Anwachsens der Bevölkerung über die festgesetzte Summe hinausgewachsen; den Ueberschuß hatte bisher die Stadtverwaltung für andre Communalzwecke verwendet. Es schien in der Billigkeit zu liegen, daß der Ertrag dieser für Schulzwecke erhobenen Abgabe fortan auch ganz der Schule zukäme und so die Verbesserung derselben erleichtert würde. Dazu aber bedurfte es der Einwilligung der städtischen Behörden.

2) Der durch die Mittellosigkeit der pia corpora mit bedingte Niedergang des kirchlichen Stadtschulwesens hatte das Aufkommen der Nebenschulen befördert, welche an der Bürgerschaft einen festen Halt hatten und gewissermaßen unter dem Patronat des Magistrates standen. Der öffentlichen Kirchenschule stand nun ein freilich noch völlig unorganisiertes Communalschulwesen gegenüber, welches jener fast über den Kopf gewachsen war. Es galt, beides zu vereinigen, was nur durch Vereinbarung mit der Communalverwaltung geschehen konnte.

3) Die infolge der Nothlage der Bevölkerung tief eingerissene Regellosigkeit des Schulbesuches schien nicht anders beseitigt werden zu können als durch gesetzlichen Strafzwang, welchen nur die Stadtobrigkeit ausüben konnte.

Kaum war Bürgers Ernennung zum Bürgermeister beschlossen, so erbat Passow und erhielt unter dem 12. April 1803 das herzogliche Commissorium, „mit Zuziehung des Magistrates die Mängel des Schulwesens zu erwägen und ein zweckmäßiges Reglement zu entwerfen“. Und kaum war am 2. Mai Bürger in sein neues Amt eingeführt, so richtete Passow am 3. Mai an den Magistrat die Einladung zu behufigen Verhandlungen unter dem Ausdruck der Hoffnung, „daß noch die Nachwelt unsre gemeinschaftlichen christlichen Bemühungen in dieser Hinsicht segnen wird.“

Die theils mündlich, theils schriftlich geführten Verhandlungen, bei welchen ein Entwurf des Superintendenten zu Grunde lag, ergaben ein völliges Einverständniß zwischen dem Superintendenten und dem Bürgermeister über das zu Wünschende und zu Erstrebende. Als aber der Bürgermeister, wie vorbehalten war, die Bürgerschaft befragte, stieß er auf den allerentschiedensten Widerstand. Die Bürgerschaft war ganz bereit, sich die projektierte Verbesserung des Schulwesens gefallen zu lassen, allein die beiden wesentlichsten Vorbedingungen derselben, nämlich die Einführung des Schulzwanges und die Bewilligung eines Zuschusses aus städtischen Mitteln, lehnte sie unter Berufung auf „die sehr allgemeine Dürftigkeit der Einwohner“ ab. Der Widerstand war so entschieden, daß der Magistrat für die weitere Verhandlung „auf die sehr allgemeine Armuth des Ortes Rücksicht zu nehmen“ empfahl und inbetreff der Kosten auf die Hospitäler verwies. Passow erwiderte mit dem Ausdruck schmerzlichen Befremdens. Er sah das ganze Werk in Frage gestellt, namentlich durch die Ablehnung des schlechterdings erforderlichen Schulzwanges. Als Minimum forderte er, daß diejenigen Eltern, welche ihre Kinder „Wochen, Monate oder gar Vierteljahre“ aus der Schule behielten, bestraft werden und trotzdem das Schulgeld bezahlen müßten, wogegen er bereit war, für die Kinder armer Eltern eine Sommer-Dienstschule zuzugestehen. Aber die Antwort des Magistrats lautete dahin, daß zu des Magistrates tiefstem Bedauern die Bürgerschaft bei ihrem einmüthigen, entschiedensten Widerspruch gegen jeden gesetzlichen Zwang bezüglich der Zeit und des Schulgeldes beharre.

Wirklich ist dieser Widerstand unüberwindlich erschienen. Das Reglement mußte sich in dieser Beziehung darauf beschränken, im Allgemeinen mit „Bestrafung durch die Stadtobrigkeit“ und mit „einem gerechten und ernsten landesherrlichen Einsehen“ zu drohen. Solche Drohungen konnten die Bürgerschaft nicht schrecken. Dasjenige, wovor sie sich fürchtete, war die Bestimmung, daß die die Schule versäumenden Kinder dessen ungeachtet das Schulgeld zahlen müßten. Und hiervon also mußte man in der That Abstand nehmen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens